Aus dem Briefwechsel (7)

Beispiele zur Information und Anregung  

Themenbereiche  

Welt- oder Menschen-Anschauung 16.01.02

Soziale Erfindungen 31.01.02

TV-Zuschauer-Kritik 22.02.02

TV-Zuschauer-Kritik (2) 03.07.02

Fragen der TV-Zuschauer 13.03.03

Religions-Täter? 08.11.03

Unchristlich 22.02.07

Ethik ohne Religion? 11.08.07

Ein Humanist ist nicht konfessionslos 15.04.09 "mein name ist mensch" 24.01.11

Ein Briefwechse zum Suizid 17.07.15

 


 

Welt- oder Menschen-Anschauung 


Humanistische AKTION  für mehr Menschlichkeit
Gemeinnützige Initiative seit 1994

16.01.02

Betr.: Ihren Artikel 'Weltanschauung' in 'Gespräch aus der Ferne' 360

 
Lieber Mitmensch Reimar M.,

Sie haben in Ihrem Artikel ein sehr wichtiges Thema mit verschiedenen interessanten Teilbereichen angeschnitten. Ich denke, wenn ein menschenwürdiges Leben angestrebt wird, dann fehlt es an einer Menschenanschauung, sowie an einem deutlichen Bekenntnis dazu. Die Welt ist lange genug angeschaut, gedeutet und beschrieben worden. Trotzdem verhält sich die Menschheit insgesamt gesehen wie ein Bakterienstamm, der sich solange vermehrt, bis seine Lebensgrundlagen verbraucht sind. Das mag durchaus natürlich sein, menschenwürdig ist es nicht.

Hierzu fällt mir ein Zitat ein von Georg Christoph Lichtenberg: "Ich habe Leute gekannt von schwerer Gelehrsamkeit, in deren Kopf die wichtigsten Sätze zu Tausenden selbst in guter Ordnung beysammen lagen, aber ich weiß nicht, wie es zuging, ob die Begriffe lauter Männchen oder lauter Weibchen waren, es kam nichts heraus. In einem Winkel ihres Kopfes lag Schwefel, im anderen Kohlenstaub, im dritten Salpeter genug, aber das Pulver hatten sie nicht erfunden."

Ich selber kenne Christen, Moslems, Atheisten, Freidenker, -geister, -gläubige, -religiöse, Skeptiker, Unitarier, Kosmonomen und solche anderer Bekenntnisse. Menschen jedoch, die sich eigens zum Menschsein (z.B. Humanismus) bekennen, die kann ich an einer Hand abzählen. Welt-anschauung, -auffassung, -verständnis oder -sicht müssen zu der Einsicht führen, daß der Mensch das Problem des Menschen und seiner Mitwelt ist und seine Orientierung auf das Menschliche gerichtet sein muß, wenn er anstatt der üblichen Symptombehandlung die Ursachen seiner Probleme beseitigen will.

Der Mensch kann erst dann den vollen Anspruch erheben, Mensch zu sein, wenn er bereit ist, für sich voll- und für seine Mitwelt mitverantwortlich zu sein. Das bedeutet, als höchsten Wert verantwortliche Menschlichkeit zu erkennen, anzuerkennen und anzustreben. Homo sapiens reicht heute nicht mehr aus, der homo responsabile ist vonnöten. Es gibt nur eine vernünftige Weltanschauung: eine möglichst realistische, die deshalb ganzheitlich, kritisch und agnostisch sein sollte. Hieraus ergibt sich dann als folgerichtige Konsequenz eine plausible Antwort auf die Frage nach dem Sinn unseres Lebens sowie ein deutliches Bekenntnis zum Menschsein als erster Schritt verantwortlichen Handelns.

Hier ein paar wesentliche Zitate zum Thema:

Schon "die alten Griechen" fragten: "Wo kommen wir her, wo gehen wir hin, wie sollen wir leben?", vermutlich weil sie den Anspruch hatten, nicht nur irgendwie angenehm, sondern sinnvoll zu leben.

Goethe sagte: "Ist denn so groß das Geheimnis, was Gott und die Welt und der Mensch sei? Nein, doch niemand hört's gerne - da bleibt es geheim." Was mag uns der Dichter damit gesagt haben wollen? Vielleicht folgendes:

- Gott ist die personifizierte Vorstellung der Wünsche und Ideale des Menschen.

- Die Welt ist für den Menschen ein unendlicher Raum, dessen Sinn er nicht erkennen kann.

- Der Mensch ist ein vergänglicher Teil der Natur, von der er abhängig ist, die ihn jedoch nicht braucht. Vielleicht hört's deshalb niemand gerne, weil es eine ziemlich nüchterne Erkenntnis ist.

"Suchst du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend - das ist's." sagte Friedrich von Schiller. So wie die Pflanze ihren Anlagen und Lebensbedingungen entsprechend sich selbst zu größtmöglicher Entfaltung bringt, ist dies auch für den Menschen die optimale, durchaus erfüllende Aufgabe, die im Unterschied zur Pflanze zugleich die Bewahrung und Förderung der Mitwelt enthält, ja fordert, weil er ein Teil derselben ist.

Ein Humanist muß kein ungläubiger Mensch sein, es gibt bekanntlich unvernünftigen und vernünftigen Glauben. Ein vernünftiges, für alle Menschen gültiges Glaubensbekenntnis könnte lauten:

Ich glaube an die Bildungsfähigkeit des Menschen zu einem sozial und ökologisch handelnden, mündigen Gemeinschaftswesen und daran, dass die Natur den Menschen nicht braucht, wohl aber der Mensch die Natur. Ich glaube, dass der Sinn unseres Lebens in der größtmöglichen Entfaltung und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie und Verbundenheit zu unserer Mitwelt liegt.

Soweit einige noch wenig geordnete und ausgeführte Gedanken als Anregung zu einer möglichen Zusammenarbeit an einem realistischen Menschenbild, das nicht nur ideale Zielsetzungen enthält, sondern auch die natur- und kulturbedingten Mängel, wie z.B. das männliche Aggressions- und Destruktionspotential sowie das weibliche Potential zur Selbstaufgabe. Vielleicht haben Sie und einige Teilnehmer aus Ihrem Gesprächskreis Interesse an der Erstellung von globalen ethischen Standards als Beitrag zu einem nachhaltig menschenwürdigeren Leben.

Falls Sie mal Gelegenheit haben, ins Internet zu schauen, möchte ich Ihnen unter anderen besonders folgende meiner Seiten empfehlen: 'Lebenssinn und Humanismus - Versuch zu einer allgemeingültigen Orientierung' (.../lebesinn.htm) ; 'Bekenntnis zum Menschsein - Von den Schwierigkeiten damit' (Umfrage) (.../bekenn2.htm); 'Homo responsabile - Das Bild des verantwortlichen Menschen - Gegebenheiten - Möglichkeiten - Notwendigkeiten' (.../menbild3.htm) sowie 'Entwurf und Einladung zur Stiftung Verantwortliche Menschlichkeit' (.../stiftung.htm). 'Deutschland ist jetzt erwachsen - Humanistischer Infodienst November 2001' (.../infodi03.htm). Interessieren wird Sie vielleicht auch ' "...so wahr mir Gott helfe!" - Antworten von 37 Bundes- und Landes-Spitzenpolitikern auf eine Umfrage nach ihrer persönlichen Auslegung dieses religiösen Zusatzes zur Eides-Formel, Zitate von Erich Fromm als Kontext sowie der Entwurf zu einer neuen Eidesformel' (.../eid.htm).

Freundliche Grüße
Rudolf Kuhr
 

Kopie an GadF

Anlage
Ideologie (GadF)
Buchbesprechung
PK Bereitschaft 


Antwort

Reimar M.

Berlin, 22. 1. 02

Lieber Mitbedenker Rudolf Kuhr!

Da möchte ich Ihnen heute erstmal herzlich danken, dass Sie mich mit Ihren sympathischen Denk-Zeugnissen bedacht haben. Das ist doch alles recht klar formuliert, eigenständig und anscheinend nicht nur hehres Pathos; denn ich entdecke da, dass Sie auch unliebsame Themen, heisse Eisen angehen (eine "freie und humane sexuelle Kultur" postulieren, "verantwortlichen Umgang mit Tieren"' dass Sie schliesslich Unrecht auch als solches benennen, und beträfe es die Palästinenser).

Übrigens gibt es ja noch mehr "abgeschaltete Völker", die zum Teil ihre Existenz bereits ausgehaucht haben, jedenfalls ist ihr Schicksal von einem gewissen Punkt an (wenn sie machtpolitisch nicht mehr interessant sind) nicht mehr der Medien-Rede wert. (Tschetschenen, Tibeter, Kurden und so...) Das verwirrt, weil ja Politik und Medien ansonsten übervoll sind von grossartigen Idealen: wir leben, ich lese das immer wieder mit Staunen, zur Zeit ja in der "westlichen Wertegemeinschaft"! In meinem Berliner Kulturclub habe ich diese tolle Phrase neulich zur Diskussion gestellt...

Wenn es darum geht, eine Art verbindlicher Ethik zu skizzieren, sind Sie gut. Damit das nicht allzu schönfärberisch klingt, gestehen Sie die ,"natur- und kulturbedingten Mängel" von Sapiens durchaus ein. Schwuppdiwupp, sind wir auf dem weiten Felde der Anthropologie, die in meinem Bücherschrank durch ein volles Regal vertreten ist. Und da wirds mir bang und bänger (und noch mehr bei der täglichen Lektüre der 'Frankfurter Rundschau'. Denn "er nennts Vernunft und brauchts allein, um tierischer als jedes Tier zu sein", sprach Goethe. Und Edgar Morin, der französische Anthropologe, kennt eben auch neben Mister Sapiens den "homo demens".

Über Dr. Geschke haben wir uns nun kennengelernt, und vielleicht mag er Ihren Brief an mich abdrucken, wenn er daran geht, die diversen "Weltanschauungen" und "Verständnisse" zu spiegeln. Aber vielleicht wäre Ihr Aufsatz über die "Rückkehr der Ideologien - Vom Nutzen und Nachteil strenger Welterklärungs-Muster" noch besser geeignet ?!

Eine direkte "Zusammenarbeit" an einem "realistischen Menschenbild" die Sie mir anbieten, kann ich leider nicht versprechen, da meine Mittel doch primär künstlerische sind, ich nicht Ihre begriffliche Disziplin habe. Aber wir sollten in Kontakt bleiben.

Jedenfalls lese ich lieber Kuhr als etwa Hegel....!

Mit herzlichen Grüssen und Wünschen, Ihr

Reimar M.  


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Soziale Erfindungen


Von: Rudolf Kuhr
An: <h...w... (at) muc.guj.de
Betreff: Erfindungen
Datum:31.01.02

Sehr geehrter Herr H...,

kürzlich las ich beim Arzt in Ihrer Zeitschrift P.M., daß Sie an neuen Erfindungen interessiert sind.

Ich würde gern wissen, ob sich das nur auf technische oder auch soziale Erfindungen bezieht bzw. wer für letztere zuständig oder empfänglich sein könnte.

Danke für einen Hinweis.

Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Kuhr

http://www.humanistische-aktion.de 


Antwort

"H...W..." <H...W... (at) muc.guj.de schrieb am 01.02.02:

...sowohl als auch an sozialen Erfindungen haben wir in der Gesellschaft
wie auch bei PM ein Riesen-Defizit.

Hätten Sie was tolles, nicht zu philopsophisch oder soziologisch
alltagspraktisch, neu und reizvoll??

Beste Grüße
Ihr
W...H...
PM-Redakteur

Web: http://www.pm-magazin.de
P.M. Die moderne Welt des Wissens / Knowledge matters
Wissenschaft Aktuell / Science News Editor

PS: Gerne nehme ich spannende Neuheiten für "Wissenschaft Aktuell" entgegen! 


Von: Rudolf Kuhr
An: "H...W..." <H...W... (at) muc.guj.de
Betreff: Re: Erfindungen
Datum: Don, 7. Feb 2002

Sehr geehrter Herr H...,

in der Anlage sende ich Ihnen eine Seite meiner Homepage mit drei sozialen Innovationen,
von denen ich besonders die erste für interessant halte.

Ich denke, daß die Probleme unserer Gesellschaft vor allem menschliche sind, daß es viele
Ansatzpunkte gibt, um alte Gewohnheiten zu hinterfragen und zu ändern, und daß es unklug
wäre, hier nicht das Mögliche zu versuchen, um Probleme ursächlich zu lösen.

Selbstverständlich müßte der Gedanke ansprechend dargestellt werden.

Was meinen Sie grundsätzlich zu dem Vorschlag?

In der Anlage finden Sie auch eine Buchbesprechung, die Ihnen einiges über meine Person
und über meine Bestrebungen hinsichtlich einer alternativen ethischen Orientierung zeigt, die
eine grundlegende soziale Innovation bedeuten würde.

Freundliche Grüße
Rudolf Kuhr

http://www.humanistische-aktion.de 


Antwort

Date: Fri, 08 Feb 2002 10:35:05 +0100
Subject: Re: Erfindungen
From: "H...W..." <H...W... (at) muc.guj.de
To: Humanistische Aktion

Sehr geehrter Herr Kuhr,

vielen Dank für diese Information.

Inhaltlich stehe ich persönlich voll hinter Ihrer Aktion und Ihren
Reformvorschlägen, als PM-Redakteur kann ich daraus leider wenig Honig
saugen: Ihre Rüttelei hebt sich zu wenig ab von den vielen anderen
Bemühungen in diese Richtung - die Vision ist mir nicht klar genug und setzt
keine neuen Duftsignale.

Viel Erfolg!

Beste Grüße
Ihr
W... H...
PM-Redakteur

Web: http://www.pm-magazin.de
P.M. Die moderne Welt des Wissens / Knowledge matters
Wissenschaft Aktuell / Science News Editor

PS: Gerne nehme ich spannende Neuheiten für "Wissenschaft Aktuell" entgegen! 


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Zuschauer-Kritik 


Subject: Bitte
From: Rudolf Kuhr
To: "Kulturzeit 3Sat"
Date: 22 Feb 2002
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich weiß leider nicht, wer oder ob jemand bei Ihnen zuständig ist für folgendes Problem:

In letzter Zeit ist eine erhebliche Zunahme an akustischen Informationen zu beobachten,
die inzwischen durchaus als inflationär zu bezeichnen sind.

Es gibt kaum noch Pausen zwischen und innerhalb der Sendungen ohne Musik oder
Geräusche. Selbst bei Sach- oder Dokumentar-Sendungen wird die Sprache mit Musik
hinterlegt, die nicht selten lauter ist als der gesprochene Text.

Als besonders schlechtes Beispiel möchte ich Ihnen aus Ihrer Reihe 'Schätze der Welt -
Erbe der Menschheit' den Beitrag 'Cinque Terre' (SWR 2000) vom 17.02.02 nennen.

Hier war durchweg eine nervende Musik mit einem sich ständig wiederholenden kläglichen
Thema zu hören in einer Lautstärke, die immer wieder zu Lautstärkeregelungen veranlaßte,
weil der Sprecher dagegen sehr leise sprach und dazu noch oftmals die Satzenden verschluckte.

Ich möchte Sie bitten, daß sich jemand von Ihren dafür Verantwortlichen dieses - sicher
auch viele andere Zuschauer betreffenden - Problems annimmt und möglicherweise zu
Verbesserungen beiträgt.

Ich bitte um eine inhaltliche Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Kuhr

http://www.humanistische-aktion.de  


Antwort

From: <Goggo.Gensch (at) swr.de>
Subject: Ihre Beschwerde vom 22.2.2002
To: Rudolf Kuhr
Date: Tue, 5 Mar 2002 16:46:28 +0100

Sehr geehrter Herr Kuhr,

in Beantwortung Ihrer Beschwerde über die Musik in unserem Film "Cinque Terre",
darf ich Ihnen recht geben.
Auch wir in der Redaktion haben die Musik als nicht sehr glücklich und störend empfunden.
Nur, in diesem Fall haben sich die Fehler unglücklicherweise derart summiert, daß es am
Schluß für eine Änderung zu spät war.
Ich versichere Ihnen, daß wir bei "Schätze der Welt - Erbe der Menschheit" bemüht sind,
in Zukunft derartig ärgerliche Toncollagen rechtzeitig abzustellen.

Mit freundlichen Grüßen

G. Gensch

Goggo Gensch
SÜDWESTRUNDFUNK
FS Kultur und Gesellschaft
Schätze der Welt - Erbe der Menschheit  


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Zuschauer-Kritik (2) 


Subject: Intendantur
From: Rudolf Kuhr
To: "WDR" <webmaster (at) wdr.de>
Date: 03 Jul 2002 14:13 GMT

 
Sehr geehrter Herr Pleitgen,

wenn ich mich recht erinnere, sagten Sie in der Sendung 'mittwochs live' am 26. Juni u.a., daß Ihnen Zuschauer-Kritik an der Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erst einmal begegnet sei.

Das erstaunt mich sehr. Kann es sein, daß Ihnen kritische Zuschriften vorenthalten werden, um Sie nicht zusätzlich zu Ihrer normalen Arbeit auch noch damit zu belasten?

Als Befürworter des Systems der öffentlich-rechtlichen Medien und als Gebührenzahler wünsche ich mir schon lange eine Freiheit von Werbung, Sponsering, Product-Placement und Schleichwerbung aus Gründen der wirtschaftlichen Unabhängigkeit und der inhaltlichen Qualität. Vor Jahren schon schrieb ich immer wieder entsprechende Briefe an Redaktionen und Intendanten, habe allerdings inzwischen kapituliert, weil die Medien offensichtlich an Quoten, die Massen an Unterhaltung orientiert sind, und zu viele unter den Intellektuellen auf Fernsehen völlig verzichten.

Allein in meinem kleinen Bekanntenkreis kenne ich fünf Familien ohne Fernsehen, wohl aber mit anspruchsvollen Tages- und Wochenzeitungen.

Ich wünsche mir, den Medien und unserer Gesellschaft, daß immer mehr leitende und gestaltende Mitarbeiter der Medien in ganzheitlicher Sichtweise ihren unvergleichlich großen Einfluß auf die gesamte Entwicklung der Gesellschaft und damit ihre Mitverantwortung für diese erkennen, daß sie weniger ihr persönliches Ansehen und das ihrer Redaktion oder ihres Senders, sondern mehr die Wirkung ihrer Arbeit auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung im Hinterkopf haben und bereit sind, Kritik nicht nur zu ertragen, sondern dazu anzuregen.

In der Anlage sende ich Ihnen einen meiner letzten Briefe bezüglich Werbung an den ehemaligen Intendanten des ZDF zu Ihrer Information, ebenso eine Seite aus meiner Homepage.

Ich bitte freundlich um eine gelegentliche, kurze Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Kuhr

www.humanistische-aktion.de/medien.htm 


Antwort

Date: Fri, 04 Oct 2002
From: "Jens Altemeier" <jens.altemeier (at) wdr.de>
To: Rudolf Kuhr
Subject: Ihre mail an Herrn Pleitgen vom 04.09.2002

Sehr geehrter Herr Kuhr,

vielen Dank für Ihre e-mail an Herrn Pleitgen, in der Sie sich kritisch äußern zur Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Herr Pleitgen hat mich gebeten, Ihnen zu antworten. Leider komme ich erst heute dazu. Ich bitte dies zu entschuldigen.

Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist unbestritten immer wieder ein Thema in der öffentlichen Diskussion. Die Vertreter des kommerziellen Rundfunks fordern aus naheliegenden und durchaus eigennützigen Gründen regelmäßig ein völliges Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und auch so mancher Zuschauer und Zuhörer, der der Werbung im Privfatrundfunk überdrüssig ist, wünscht sich zumindest die öffentlich-rechtlichen Programme werbefrei. Dennoch täuscht diese Diskussion darüber hinweg, dass Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht überbordend oder gar schrankenlos stattfindet. Im Gegenteil: es gibt bei uns strenge Bestimungen zur Trennung von Werbung und Programm und enge zeitlichen Grenzen, in denen Werbung überhaupt ausgestrahlt werden darf. Hinzu kommt, dass viele öffentlich-rechtliche Programme völlig frei sind von Werbung.

Werbung gefährdet keineswegs, wie Sie befürchten, unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit oder die inhaltliche Qualität unserer Programme. Die Mischfinanzierung aus Werbung und Gebühren trägt vielmehr dazu bei, uns gleichermaßen unabhängig zu machen von wirtschaftlichen Interessen und Interessen aus der Politik, welche letztlich über die Höhe der Gebühr befindet. Und das inhaltliche Qualität, Unabhängigkeit und Werbung keineswegs zwangsläufig in Widerspruch zueinander stehen, zeigt allein schon Ihr Hinweis auf die anspruchsvollen Tages- und Wochenzeitungen, die in Ihrem Bekanntenkreis gelesen werden. Denn Printmedien finanzieren sich bekanntermaßen zum überwiegenden Teil aus dem Anzeigengeschäft, wie Ihnen schon ein Blick in Ihre Tageszeitung zeigen dürfte.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Jens Altemeier

Westdeutscher Rundfunk Köln
Intendanz
Telefon 0221/220-2214

 

Fragen der Zuschauer 


Subject: Fragen
From: Rudolf Kuhr
To: <heutejournal.fragen (at) zdf.de>
Date: 13 Mar 2003

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich finde es sehr gut, daß Sie von uns Zuschauern wissen möchten, welche Fragen uns bewegen.

Mich beschäftigt schon lange und jetzt besonders die Frage: Wer verdient am Krieg und wie viel?

Von der Patrone bis zur Rakete, von der Uniform bis zum Kampfbomber, und nicht nur Munition, Waffen, Fahrzeuge, Treibstoffe und Ausrüstung, auch viele direkte und indirekte Kriegs-Dienstleister kosten Geld.

Steht in unserer Gesellschaft nicht die Wirtschaft an erster Stelle? Warum erfährt der Bürger so wenig über die Geschäfte der Rüstungsindustrie und deren Vertreter?

Wie heißen die Hersteller, die Händler, die Lobbyisten? Wie hoch sind deren ausgewiesene und geschätzte Gewinne?

Welcher Steuerzahler zahlt für welchen Krieg in welchem Land? Wieviel Prozent der Bürger leben von der Kriegswirtschaft?

Mir schrieb kürzlich ein Empfänger meiner Rundbriefe:

"... zu Krieg und Geschäft:

Als ehemaliger Hauptmann der Bundeswehr weiß ich Folgendes zu berichten: Wenn die Bundeswehr zu humanitären Einsätzen von der UNO eingesetzt wird, dann stellt die Bundesregierung der UNO anschließend die Kosten in Rechnung. Aus dem Topf der UNO fließen dann die Gelder jedoch nicht in den Etat der Bundeswehr zurück sondern in den des Finanzministers, der keinerlei Verpflichtung hat den durch den Einsatz verminderten Etat der Bundeswehr wieder auszugleichen. Wenn der Einsatz unter der NATO stattfindet, verhält es sich sinngemäß genauso.

Die Bundeswehr hat z.B. der Türkei in den 90er Jahren KPz LEOPARD 1 geliefert, die veraltete Zieleinrichtungen und schwächere Panzerung hatten. So werden in jedem Krieg zuerst die veralteten Kriegsgeräte "verheizt". Man kann dann gegenüber der höheren Führung argumentieren, daß z.B. die Anzahl der Kampfpanzer gesunken und so und so viel Munition verbraucht worden ist. Damit kann man bewirken, daß wieder neue Panzer und neue Munition beschafft wird: Es ergehen Aufträge an die Rüstungsindustrie.

Bisher war es so, daß an allen internationalen Kriegen die USA maßgeblich beteiligt war. Sie "verheizen" ihr altes Material und stellen es dann der UNO oder der NATO in Rechnung. Darum ist es auch so, daß die USA immer nur mit UNO- oder NATO-Mandat Kriege führt, weil man den Krieg dann nicht selbst bezahlen muß. Anschließend ergehen dann von dem "Erlös" Aufträge an die Rüstungsindustrie, die die Wirtschaft der eigenen Nation wiederbelebt.

Diese Vorgehensweise ist eine Art "Export", der in der Ökonomie eine Ursache für Konjunktur ist bzw. für Rezessionsbekämpfung genutzt werden kann. Darum hat auch Deutschland ein latentes Interesse daran sich an internationalen Einsätzen zu beteiligen: Man bekommt Geld zurück, kann die Rüstungsindustrie mit Aufträgen versorgen, braucht keine Angst mehr zu haben, daß das Haltbarkeitsdatum von Munition überschritten wird (und dann teuer entsorgt werden muß) und kann den ganzen Kriegsgerätepark auf neueren Stand bringen.

Berufen Sie sich jedoch nicht auf mich, weil ich als ehemaliger Hauptmann auch nach meinem Ausscheiden verpflichtet bin über dienstliche Angelegenheiten zu schweigen und andernfalls belangt werden kann.

... (Name)"

Angesichts der friedensbedrohenden Verflechtungen von Politik und Wirtschaft in den USA sollten wir zumindest hier bei uns mehr an Aufklärung auf dem Gebiet der Rüstungswirtschaft betreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Kuhr

http://www.humanistische-aktion.de/infodi04.htm

 

Religions-Täter? 


Diskussions-Beitrag für eine Mailingliste zur Rede von Martin Hohmann

Religions-Täter?

Die Angelegenheit um die Rede des CDU-Politikers Martin Hohmann zeigt, wie unsicher und beeinflußbar Menschen mit einer ethischen Orientierung sind, welche sich an einer beliebig interpretier- und verwendbaren Autorität wie 'Gott' orientieren, anstatt an einem real bestimmbaren Wert wie 'Verantwortliche Menschlichkeit'. Politiker und Medienmacher reagieren &endash; wie einst bei Philipp Jenninger - auf tabuisierte Themenbereiche wie in einem Pawlowschen Reflex und instrumentalisieren Begriffe wie Antisemitismus, um öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen. Es scheint ihnen offensichtlich nicht bewußt zu sein, daß sie hiermit keineswegs der Problemlösung, sondern allenfalls ihrer persönlichen Profilierung bzw. der Kompensierung anerzogener Schuldgefühle dienen.

Bereits der Begriff Antisemitismus ist ebenso unsinnig wie z.B. der des Antiamerikanismus. Kein vernünftiger Mensch kann gegen ein ganzes Volk sein, weder gegen das amerikanische, noch das jüdische, das palästinensische, das irakische, andere semitische oder sonstige Ethnien. Der Begriff Antisemitismus hat Tradition und ist bequem, trägt aber nicht zur Klärung bei, im Gegenteil, er dient der Aufrechterhaltung von Mißverständnissen und Konflikten. Aus humanistischer Sicht sollte er auf beiden Seiten von verantwortlichen Menschen redlicherweise nicht mehr verwendet werden.

Der empfohlenen Rückbesinnung auf unsere religiösen Wurzeln und Bindungen und der Forderung nach Aufnahme des Gottesbezuges in die europäische Verfassung muß gerechterweise die Tatsache gegenübergestellt werden, daß oft gerade mit Bezug auf Gott die größten Verbrechen begangen werden.

So ist die eigentliche Ursache für den Dauerkonflikt in Israel/Palästina einerseits in der Berufung auf Gott begründet, der seinem auserwählten Volk ein bestimmtes Land zugesprochen haben soll. Auf der anderen Seite ist es die Vorstellung von Gott, der die Märtyrer ins Paradies führt, wenn sie sich und andere töten.

In Irland sind die Täter auf beiden Seiten gottgläubige Christen, die sich gegenseitig Gewalt antun und töten.

Auch Adolf Hitler hat sich auf Gott bezogen: "Der Nationalsozialismus ist weder antikirchlich noch antireligiös, sondern im Gegenteil, er steht auf dem Boden eines wirklichen Christentums." (Saarkundgebung 26.8.34 am Ehrenbreitstein bei Koblenz) "...Möge uns der allmächtige Gott wie bisher so in alle Zukunft seine Hilfe geben, um unsere Pflichten so zu erfüllen, daß wir vor unserem Volk und seiner Geschichte in allen Ehren zu bestehen vermögen." (Ausgewählte Reden des Führers; Zentralverlag NSDAP 1937)

Und Gottes Männer haben Hitler unterstützt: "Gott hat es zugelassen, daß das Vergeltungsschwert gegen England in unsere Hände gelegt wurde. Wir sind die Vollzieher seines gerechten göttlichen Willens." Kathol. Kirchenblatt für das nördl. Münsterland 9.3.1941

Auch der irakische Staatschef Saddam Hussein war im Bunde mit Gott: "Oh, Du großes irakisches Volk, oh, Ihr Angehörigen unserer mutigen Streitkräfte, oh Ihr Söhne der glorreichen arabischen Nation, oh, Männer, die Ihr guten Willens seid, die amerikanischen Teufel haben erneut einen Akt der Feigheit begangen und sich hinter einer Technologie versteckt, die sie in beschämender Weise einsetzen - doch das ist der Wille Gottes. ... Unsere Verluste sind gering. Gott hat den Angriff scheitern lassen - möge er sich jetzt der Seelen unserer Märtyrer annehmen. Gott ist der Größte, Gott ist der Größte, zum Teufel mit den Verfluchten!" (Aus einer Ansprache 1996 an das Volk.)

Ebenso sei erinnert an US-Präsident George W. Bush: "Gott hat uns aufgerufen, unser Land zu verteidigen und die Welt zum Frieden zu führen."

"Ehrwürdige Betrüger benutzen Gott als Schleier zur Verhüllung ihrer verbrecherischen Leidenschaften." Friedrich II, Preußenkönig (1712-1786) - "Gott ist immer der Verbündete der Herrschenden." Erich Fromm, Psychoanalytiker (1900-1980). &endash; "Hätte man Verstand, brauchte man keine Götter." Decimus Iunius Juvenal, röm. Dichter (um 60-140).

"Wenn die Welt erst ehrlich genug sein wird, um Kindern vor dem 15. Jahre keinen Religionsunterricht zu erteilen, dann wird etwas von ihr zu hoffen sein. ... Es gibt keine andere Offenbarung als die Gedanken der Weisen." Arthur Schopenhauer, Philosoph (1788-1860)

"Wir werden von den Eltern in eine religiöse Zwangsjacke gesteckt, werden getauft oder beschnitten und sollen im Glauben unserer Erzeuger großgezogen werden (...). Werden die Kinder groß und wollen nichts mehr mit Kirchen und religiösen Dingen zu tun haben - das im Geburtsregister eingetragene Stigma werden sie nicht mehr los!" Magnus Hirschfeld

"Man sollte sich zur heiligsten Pflicht machen, dem Kinde nicht zu früh einen Begriff von Gott beibringen zu wollen. Die Forderung muß von innen heraus geschehen, und jede Frage, die man beantwortet, ehe sie aufgeworfen ist, ist verwerflich. Das Kind hat vielleicht seine ganze Lebenszeit daran zu wenden, um jene irrigen Vorstellungen wieder zu verlieren." Friedrich Schiller, Dichter (1759-1805)

"Ist denn so groß das Geheimnis, was Gott und der Mensch und die Welt sei? / Nein! Doch niemand hört's gerne; da bleibt es geheim." (Goethe, Venet. Epigr. 1790)Mehr davon unter 'Zitate zu Religion' http://www.humanistische-aktion.de/religion1.htm

Unsere Zeit braucht dringend Wert-Orientierungen, denen die für jeden klar erkennbaren Erfordernisse zu einer würdevollen und sinnerfüllenden Lebensgestaltung zugrunde liegen und die den Menschen konkret zur Arbeit an sich selbst führen. Sinn unseres Lebens ist größtmögliche Entfaltung und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie und Verbundenheit zu unserer Mitwelt. Wenn es heute einen Glauben gibt, der vertretbar ist, dann ist es der Glaube an die Bildungsfähigkeit des Menschen zu einem sozial und ökologisch handelnden, verantwortlichen Gemeinschaftswesen und daran, daß die Natur den Menschen nicht braucht, wohl aber der Mensch die Natur.

Aufgabe aller Menschen guten Willens, besonders von bekennenden Humanisten wäre es, 'Verantwortliche Menschlichkeit' als universellen, allem anderen übergeordneten Wert zu erkennen, zu verinnerlichen, anzuwenden und - mehr als bisher - allgemein bekannt zu machen. Mehr hierzu befindet sich auf der Seite http://www.humanistische-aktion.de/stiftung.htm .

Rudolf Kuhr
Humanistische AKTION

08.11.2003

Die Hohmann-Rede, so wie sie bis zum frühen Abend des 30.10.03 auf der Internetseite der CDU-Neuhof abbrufbar war, später wurde sie ersatzlos gelöscht. tagesschau.de gibt die Rede nur zu Dokumentationszwecken wieder und distanziert sich vom Inhalt: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID2535644,00.html

 

Unchristlich? 


Unchristlich
Gericht vereitelt Atheisten-Schule

Der Humanistische Verband Deutschlands ist mit seinem Plan gescheitert, in Fürth die "erste Humanistische Schule Deutschlands" zu gründen. An dem Projekt der atheistischen Weltanschauungsgemeinschaft gebe es "kein besonderes pädagogisches Interesse" entschied das Verwaltungsgericht Ansbach Ende voriger Woche. Das Gericht gab der Regierung von Mittelfranken recht, die eine Schulgenehmigung verweigert hatte. Besondere Schulen für besondere Bevölkerungskreise müssten die seltene Ausnahme bleiben, so das Ansbacher Gericht. Das Konzept des Humanistischen Verbandes sei nicht innovativ genug. Eine Initiative zur Gründung einer Humanistischen Schule gibt es auch in Berlin. Der Humanistische Verband wurde 1848 als Vereinigung nicht-religiöser Menschen gegründet. (Az.: AN 2 K 05.00319)  - epd

Süddeutsche Zeitung 12.02.07

Leserbrief

Pure Anmaßung

Unchristlich: Gericht vereitelt Atheisten-Schule / SZ vom 12.Februar

Ja, es ist unchristlich, eine humanistische Schule zu vereiteln! Warum müssen besondere Schulen für besondere Bevölkerungskreise in einer pluralistischen Gesellschaft die seltene Ausnahme bleiben? Zumal, wenn immerhin etwa ein Drittel der Bevölkerung keiner ("Staats"-) Religion angehören und trotzdem die wesentlichen humanistischen Grundsätze aller Religionen anerkennen! Das Konzept sei nicht innovativ genug? Aber genug, um die Genehmigung zu verweigern! Es bestehe kein besonderes pädagogisches Interesse? Bei wem? Bei den Richtern, Kirchen, Regierenden? Im Namen des (christlichen?) Volkes?

Zur pädagogischen und ethischen Innovation bereit stehen mit bayerischem Staatsexamen qualifizierte und erfahrene Lehrerinnen, genügend interessierte Eltern und Kinder, passende Räume und eine umfangreiche reformpädagogische, humanistische Konzeption, die den neuesten Erkenntnissen und aktuellen Anforderungen im Schulbereich entspricht, mit einem neuen Schulfach "Humanistische Lebenskunde". Seit mehreren Jahren bestehen drei humanistische Kindergärten in Nürnberg, offen für alle Bevölkerungskreise.

Der Humanistische Verband wurde übrigens nicht 1848 als Vereinigung nicht-religiöser Menschen gegründet, sondern entwickelte sich aus deutschkatholischen, später freireligiösen Gemeinden zum Freidenkerverband (Bln) bzw. Bund für Geistesfreiheit (Nbg) und erst vor etwa zehn Jahren umbenannt zum HVD.

Rudolf Kuhr, Schöngeising

 

Ethik ohne Religion? 


Die neuen 10 Gebote - Ethik ohne Religion
Ein Grußwort an die Veranstalter und Teilnehmer!

"Die neuen 10 Gebote - Ethik ohne Religion" lautet der provokante Titel zu einer der bevorstehenden Veranstaltungen freigeistiger Vereinigungen in München.

Im Grunde gehörte ja hinter den Titel ein Fragezeichen, denn ohne Religion keine Ethik im umfassenden Sinn, wenn Religion - auch hier im umfassenden Sinn - als Rückbindung verstanden wird. Und letzteres geschieht leider nicht, wenn immer wieder Worte verwendet werden wie "ohne Religion", "religionsfreie Zone" oder "nichtreligiös". Da wirkt es dann auch unglaubwürdig oder zumindest unklar, wenn gleichzeitig Religionsfreiheit gepriesen sowie gar gefordert wird, das Angebot des Dialoges mit anderen Kulturen und Religionen nicht auszuschlagen.

Wie kann man etwas tolerieren oder integrieren, was man grundsätzlich ausgrenzen möchte? Wie will man Dialoge mit mächtigen Religionsgemeinschaften führen, wenn man gleichzeitig eine religionsfreie Zone fordert? "Jede tiefere Religiosität wird denkend, jedes wahrhaft tiefe Denken wird religiös" sagte Albert Schweitzer. Es ist an der Zeit, die große Chance zu nutzen, gettoisierende Abgrenzungen zu überwinden, um politisch, in gesellschaftlich ganzheitlicher Weise kooperativ aufzuklären über die durchaus auch rationale Anwendbarkeit des Religionsbegriffes ohne Mystik und Mythos am Beispiel einer Rückbindung an Humanistische Werte und Normen, an grundlegende menschliche Ideale und Maßstäbe, die sich logisch aus Erkenntnis, Erfahrung und Notwendigkeit herleiten, einsehen und anwenden lassen.

Mit einer solchen humanistischen Rückbindung oder Religion entsteht am ehesten ein konstruktiver Dialog und die beste Möglichkeit, sich als solidarischen Teil der Gesellschaft zu zeigen sowie einen Wandel durch Annäherung und sachliche Kritik einzuleiten, und dieses ohne jede Gefahr, überholte Traditionen tabuisieren oder gar übernehmen zu müssen. Es geht hier nicht um die Rettung des Religionsbegriffs als solchen, sondern um das Nutzen dieser derzeit einmalig günstigen Chance zu seiner eigentlichen, sinnerfüllenden Anwendung.

"Die Radikalisierung der Reaktionen auf den Karikaturenstreit in der islamischen Welt zeigt, dass bei uns das Ende der Folgenlosigkeit und Beliebigkeit gekommen ist. Jeder muss sich fragen, wie weit er bereit ist, für die Verteidigung der humanistischen Werte zu gehen." So klang es kürzlich im Fernsehen.

In Anbetracht der nationalen und globalen gesellschaftlichen Entwicklungen ist hier provokant konkret zu fragen, wie weit die freigeistigen, -denkerischen und -religiösen Vereinigungen ihre relative Folgenlosigkeit und Beliebigkeit schon oder noch wahrnehmen. Wir haben weder die Stärke des Islam, noch die der - mit Hilfe der Medien vermehrt in die Öffentlichkeit tretenden - Kirche zu fürchten, wohl aber die Schwäche der säkularen Kultur in ihrer ethischen Bekenntnislosigkeit und politischen Selbstbezogenheit. Deshalb ist heute von freien Menschen, die sich für die Gesellschaft in der sie leben mitverantwortlich fühlen, ein klares Bekenntnis zum Humanismus als ethische Orientierung zu fordern.

"Der Mensch steht heute vor der Wahl: Entweder wählt er das Leben und ist zur neuen Erfahrung von Humanismus fähig, oder die neue "eine Welt" wird nicht gelingen."
Erich Fromm in 'Humanismus als reale Utopie'.

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Kuhr
http://www.humanistische-aktion.de/religion.htm


 

Ein Humanist ist nicht konfessionslos 

Leserbrief zu "Humanistische Lebensauffassungen" (diesseits 2/2009)

In dem Artikel über Werte und Ideale hieß es u.a.: "wir sind nicht religiös" sowie "ein gültiges Regelwerk dürfe man nicht erwarten, Dogmen, Lehrsätze und Sprachregelungen seien den Humanisten fremd". Hier klingt noch der alte abgrenzende Geist der Freidenker an, der - nicht zu Ende denkend - in dem Glauben beharrt, mit der Ablehnung von Worthülsen wie "religiös" gleichzeitig auch deren mißliebige Inhalte beseitigen zu können (siehe "Religionsfreie Zone" und "glaubst du noch oder denkst du schon"). Womit immer wieder die alte Sprachregelung verstärkt wird, nach der Religion nur mit einem jenseitigen Gott zu denken ist, was eine inhaltliche Aufklärung und Weiterentwicklung in diesen Bereichen eher behindert als fördert.

Ein Humanist hat es nicht nötig, seine Identität durch Abgrenzungen zu sichern und wird eine neue, kritische und zugleich verbindlichere Auseinandersetzung mit seinen andersdenkenden Mitmenschen anstreben. Dazu braucht er neben Fairneß auch anschauliche, überzeugende und durch wiederholten Gebrauch verinnerlichte Argumente zur inhaltlichen Darstellung der eigenen alternativen Angebote. Anstatt einem ernsthaften Gesprächspartner seinen Gott für nichtexistent zu erklären wird er fragen: "was verstehst du unter Gott?" und als seinen eigenen höchsten Wert "verantwortliche Menschlichkeit" gegenüber stellen und diesen erläutern. So könnte aus einem bisher oft oberflächlichen Schlagabtausch endlich ein differenzierterer Dialog über alte und neue Begriffe und Inhalte ethischer Orientierungen entstehen.

Was heißt denn eigentlich "nicht religiös"? Es heißt "nicht rückbindend". Ein praktizierender Humanist aber bindet sich geistig und emotional zurück z.B. an den Grund-, Lehr- oder Leitsatz oder -gedanken: "Humanismus ist ein Denken und Handeln, das sich an der Würde des Menschen orientiert und dem Ziel menschenwürdiger Lebensverhältnisse dient." Aus diesem Leit- oder Grundgedanken kann er alles weitere entnehmen und entwickeln, was für eine Begriffsbestimmung des Humanismus als ethische Orientierung sowie für das entsprechende Umsetzen dieses Bekenntnisses erforderlich ist.

Mit diesem ausdrücklichen Bekenntnis ist ein Humanist auch nicht konfessionslos und tritt seinem inhaltlichen Anspruch entsprechend in dieser seiner Gesellschaft - und auch global gültig - als Alternative deutlicher in Erscheinung. Bei einem Prozentsatz von etwa 0,12 der Bevölkerung gegenüber etwa 30% Konfessionsloser ist das besonders wichtig. Er ist auch kein Ungläubiger weil er sagen kann: "Wenn es heute einen Glauben gibt, der vertretbar ist, dann ist es der Glaube an die Bildungsfähigkeit des Menschen zu einem sozial und ökologisch handelnden, mündigen Gemeinschaftswesen und daran, daß die Natur den Menschen nicht braucht, wohl aber der Mensch die Natur." Ohne diesen vernünftigen Glauben ist Stabilität und Weiterentwicklung in einer demokratischen Kultur schwer möglich.

Ein weiterer wichtiger Leitgedanke für Humanisten lautet: "Mündigkeit bedeutet mehr als nur Volljährigkeit. Mündigkeit heißt, eine kritische Distanz nicht nur zu seiner Mitwelt, sondern auch zu sich selbst zu haben, für sich selbst voll- und für seine Mitwelt mitverantwortlich sein zu können und zu wollen." Dieser Lehrsatz ermöglicht bzw. erleichtert es, hinter die eigenen, ganz persönlichen Antriebe und auch Widerstände des Handelns zu schauen.

Die Fußnote zu dem o.a. Artikel besagt, daß dieser Text aus einer NDR-Radiosendung des HV Niedersachsen entstand. Hierin hieß es u. a.: "... einen gemeinsamen Sinn des Lebens, wie ihn die Religion vorgibt, erkennen sie nicht an. Nach humanistischem Selbstverständnis muß jeder Mensch seinem eigenen Leben einen Sinn geben." Ich denke, daß hier bei dieser grundsätzlichen philosophischen Frage aller Fragen durchaus ein konkreterer und zugleich allgemeingültiger Grundsatz formuliert werden kann und gerade von Humanisten angeboten werden sollte, nämlich: "Sinn unseres Lebens ist größtmögliche Entfaltung und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie und Verbundenheit zu unserer Mitwelt."

Rudolf Kuhr, www.Humanistische-Aktion.de


 

Leserbrief zu  "mein name ist mensch" 

(http://mantovan9.wordpress.com/uber-uns/)

Liebe menschen,

ich bin heute auf Eure Seite gestoßen und freue mich über den Titel "mein name ist mensch". Dieser sollte als URL in der Öffentlichkeit erscheinen, als Beispiel für ein grundlegend wichtiges Bekenntnis, denn "Der Anspruch auf Menschenwürde ist ohne ein klares Bekenntnis zum Menschsein ein schwer erfüllbarer".

Auf die Frage nach meinem Beruf antworte ich mitunter: Ich bin von Beruf Mensch und befinde mich noch in der Ausbildung (trotz meiner 74). Und auf die Frage nach meinem Glauben: Ich glaube an die Bildungsfähigkeit des Menschen zu einem sozial und ökologisch handelnden, mündigen Gemeinschaftswesen und daran, daß die Natur den Menschen nicht braucht, wohl aber der Mensch die Natur. Ich glaube, daß der Sinn unseres Lebens in der größtmöglichen Entfaltung und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie und Verbundenheit zu unserer Mitwelt liegt. &endash; "Mensch werden, sein und bleiben".

Ich denke, daß wir ein Vorbeugen gegen Krisen und ein Verbessern unserer gesellschaftlichen Verhältnisse nicht allein durch andere Finanz- und Wirtschaftssysteme erreichen, sondern vor allem durch ein Verbessern der Qualität des Menschlichen, denn "Der Mensch ist das Problem des Menschen in dieser Welt". Stets ist der Mensch das schwächste Glied in der Kette sozialer oder ökologischer Systeme.

Ich suche Mitarbeiter für das Erarbeiten und Verbreiten der geistigen Grundlagen ganzheitlichen Menschseins. Vielleicht ergibt sich in diesem Bereich der Menschenbildung zu verantwortlicher Menschlichkeit eine Zusammenarbeit.

Solidarische Grüße

Rudolf Kuhr

Humanistische-Aktion.de

24.01.11

 

 

Ein Briefwechsel
über die Bedeutung eines Abschiedsbriefes für Hinterbliebene

(Name der Absenderin wurde verändert)

07.07.2015

Sehr geehrter Herr Kuhr,
am 7.6.2015 hat mein Bruder sich das Leben genommen. Er wurde 34 Jahre alt, hinterlässt seine Ehefrau und seine 7-jährige Tochter, hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen und es fehlt jegliche Erklärung für seine Entscheidung.
Auf der Suche nach Antworten bin ich auf Ihre Seite gestoßen.
Dort habe ich den Abschiedsbrief von Gerhard Kuhr gelesen und er hat mich sehr berührt, weil ich das Gefühl habe, dass er erklärt hat, was mein Bruder versäumt hat, als Nachricht zu hinterlassen. Teile dieses Briefs habe ich am vergangenen Freitag bei der Beisetzung meines Bruders vorgelesen.
Für alle nahen Angehörigen war dieser Brief eine tröstende Erklärung für diese unfassbare Entscheidung unseres Bruders.

Darum möchte ich Ihnen ganz herzlich dafür danken, dass Sie diesen ins Netz gestellt haben!

Herzliche Grüße
Deriya Seefeld

 
11.07.2015

Liebe Frau Deriya Seefeld,
danke für Ihre Mitteilung. Es ist mir sehr wichtig, zu erfahren, daß die Gedanken in dem Abschiedsbrief meines Bruders auch von anderen Betroffenen gelesen und teilweise auch weitergegeben werden.
So konnte in Ihrem Fall allen nahen Angehörigen eine tröstende Erklärung
zuteil werden und es wird wahrscheinlich auch ein Annehmen und Verarbeiten des Geschehens erleichtern.

Mit guten Wünschen
und herzlichen Grüßen
Rudolf Kuhr
 

14.07.15

Lieber Herr Kuhr,
vielen Dank für Ihre Antwort.
So werden die Worte Ihres Bruders für mich noch wertvoller - es ist nicht mehr eine "anonyme" Website, von der ich den Brief habe, sondern eine Nachricht, ins Netz gestellt von einem Menschen mit einer Absicht dahinter. Das tut mir wirklich sehr gut und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür.
Nachdem ich seinen Brief vorgelesen hatte, sagte die Witwe meines Bruders: "In diesem Abschiedsbrief sind so viele Gedanken, die Charif genauso hätte sagen können - ich bin nicht mal sicher, ob er sie nicht auch wirklich irgendwann so gesagt hat." Mir geht es ebenso

Ihnen alles Gute und herzliche Grüße zurück
Deriya Seefeld
 

zum Abschiedsbrief von Gerhard Kuhr auf dieser Netzseite



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Aktualisiert am 20.07.15