Bekenntnis zum Menschsein

Von den Schwierigkeiten damit

In einer öffentlichen Veranstaltung, die vom Fernsehen übertragen wurde, erinnerte der stellvertretende Vorsitzende des Zentralverbandes der Juden in Deutschland, Michel Friedman, die Zuhörer eindringlich, ja er rief es fast beschwörend, daß Antisemiten nicht als Antisemiten geboren würden. Was er nicht sagte, daß auch Juden nicht als Juden geboren werden, und daß jede Erziehung zur Abgrenzung von anderen Menschen für den Zögling und den Erzieher nicht nur vorteilhaft ist, sondern auch Risiken und Nebenwirkungen enthält. Viele Konflikte entstehen aufgrund konfessioneller und ethnischer Abgrenzung - je nach Intensität auch einer Form des Extremismus - siehe Israel/Palästina, Nordirland, Ex-Jugoslawien usw.

Angesichts der Fremdenfeindlichkeit und -angst einerseits, und des zunehmenden Bewußtseins von der real existierenden Globalität der Menschheit andererseits, wäre es sinnvoll, sich auch bewußt zu machen, daß selbst der Mensch als solcher nicht schon als Mensch geboren wird. Er wird als ein Lebewesen geboren, das zunächst nur die Anlage dazu hat, Mensch zu werden. Das wesentlich Menschliche bildet sich erst durch die Wechselbeziehung zur Mitwelt mit ihren bewußten und unbewußten Forderungen und Vorstellungen. Eine solche Einsicht könnte dazu genutzt werden, eine Erziehung zu universeller und verbindender Menschlichkeit anstatt zu abgrenzendem Separatismus zu betreiben.

Für die bereits Erzogenen würde eine derartige Einsicht bedeuten, ihre bisherige Erziehung dahingehend zu überprüfen, inwieweit diese fremdbestimmt erfolgte und ob sie ein dezidiertes, universell vereinendes Menschenbild sowie eine natur- und vernunftgemäße Sinngebung enthält. Wie wenig noch eine solche ethische Orientierung verbreitet ist, das deutet eine entsprechende Umfrage an. Es wurden hier verschiedene Personen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, aber auch fremde nach ihrer Weltanschauung bzw. ethischen Orientierung befragt, um zu erkunden, wie konkret ein Bewußtsein von dem eigenen Bekenntnis besteht.

Die Frage lautete sinngemäß:

Was antworten Sie auf eine Frage nach Ihrer Weltanschauung oder ethischen Orientierung?  
 

Die Antworten

 
Sie fragten nach meinem Ideal. Im tiefsten Grunde sehe ich mich als ein untrennbarer Teil dieser Welt. Ob nun Menschen missbraucht und gequält werden oder Tiere, ob Natur zerstört wird, macht für mich keinen prinzipiellen Unterschied. Darum kann die Achtung menschlicher Würde fuer mich nur ein Einstieg sein, allen Dingen Achtung entgegenzubringen, getreu Laotses Spruch: "Wer das Leben nicht ernst nimmt, dem wird es seinen furchtbaren Ernst zeigen."

Helmut I. 16.06.98


WAS DER MENSCH DENKT DAS IST ER !

Heinz H. 18.02.99


Ich habe eine eigene Philosophie.

Hans I. 02.06.99


Schwere Frage. Da kann ich keine vollständige Antwort geben, weil ich mir als menschliches Wesen die Freiheit nehme mich körperlich und geistig weiter zu entwickeln. Das führt dann auch dazu, daß mein Weltbild nie lange an einer Stelle verweilt. Allerdings kann man schon Tendenzen aufzeigen, in welche Richtung (mit gewissen Schwankungen) sich mein Weltbild bewegt. Ich würde mal so sagen: Der Pantheismus gefällt mir von allen Glaubensformen am besten und trifft auf mich persönlich auch am sichersten zu. Allerdings lege ich nicht soviel Wert auf den Begriff Gott, weil Gott immer wieder als Person angesehen wird, oder personifiziert dargestellt wird. Aber auch als werdender Humanist würde ich ein nicht gerade "falsches" Bild machen - sprich, ich gliedere mich auch in diese Kategorie ein. Mir liegt sehr viel an der Menschheit im allgemeinen. Das führt dazu, daß ich die Armut in andern Ländern viel höher bewerte, als persönliche Risiken und Probleme - sprich: Selbstvernachlässigung oder aber auch fehlende Selbstliebe. Kurz und unvollständig kann ich meine derzeitige Position wohl am besten und greifbarsten beschreiben. Allerdings muß ich dazu auch noch anmerken, daß sich mein Weltbild mit jedem Buch, was ich lese, ein klein wenig weiterentwickelt. Und auch die persönliche Erfahrung bringt viel Veränderung mit sich. Mehr als bei anderen Menschen in meinem Alter.

Carsten L. 21.07.99


Meine Weltanschauung ... habe ich bisher mir selber noch nicht für mich formuliert.

Ich bin ev. Christin, gehe selten in die Kirche, beteilige mich aber an den Aktivitäten der Kirche vor Ort. Für mich ist Kirche auch das, was ich selbst beitrage. Habe z.B. fürs Frühjahr ein Seminar in der ev. Erwachsenenbildung organisiert mit dem Thema von der Strafe zur Versöhnung.

Britta I. 16.08.99


Sie fragen nach meiner Weltanschauung. Die dürfte aus meinem Buch über Silvio Gesell zu entnehmen bzw. zu erkennen sein.

Ingo C. 01.10.99


... bekenne ich mich nicht zum Humanismus oder zu irgendeiner anderen mit einer Bezeichnung versehenen Weltanschauung.

Aber ich bin dem Humanismus freundschaftlich verbunden.

Ute P. 12.02.00


Ich antworte wahrheitsgemäß, dass ich keine habe und auch keiner nachlaufe.

Kurt X. 25.02.00


Auf meiner Homepage habe ich über meine Weltanschauung einiges geschrieben, im  "SELBST" ist alles vereint, dort ist der KERN allen Lebens, der Kern der Welt, hier kann die Wurzel wachsen, zu einem Baume, der gute Früchte gibt.

Heinz Q. 10.04.00


Die Frage nach meiner Weltanschauung ist ziemlich schwer zu beantworten bzw. genauer gesagt in Worte zu fassen. Um das zu verstehen bzw. nachzuvollziehen müssen Sie wissen, daß ich mich schon ziemlich lange mit Philosophie und der Philosophie unterschiedlichster Systeme, Ethiken, Weltanschauungen, etc. beschäftigt habe. Die meisten Ideen und Gedanken zu diesem Thema dürften mir zumindest im groben bekannt sein.

Ihre Frage nach der Weltanschauung (also wie schaue ich die Welt an) meint aber nicht "wie kann man die Welt anschauen", also die Möglichkeiten, sondern eher von welcher Anschauung der Welt bin ich überzeugt, welche ist für mich die Richtige, welche kann ich in vollster Überzeugung vertreten, bzw. extrem Ausgedrückt: für welche würde ich sterben?

Leider bin ich auf eine solche Anschauung noch nicht gestoßen, bzw. eine solche ist bei mir nicht mehr vorhanden.

Weltanschauungen, also die "Art des Anschauens der Welt" gibt es viele und jede hat Ihre guten (und schlechten) Seiten, hat Ihre Existenzberechtigung, hat Ihre Stärken und natürlich Ihre Anhänger. Aber Jede ist eben nur eine mögliche Art zu schauen und berücksichtigt eben nur bestimmte Aspekte und kann vielleicht niemals geeignet sein die Komplexität der Welt und der vielen möglichen Situationen zu beinhalten.

Anders ausgedrückt: Die Welt besteht aus tausenden von wunderschönen Facetten und durch die Festlegung auf eine bestimmt Art der Anschauung lege ich mir Scheuklappen an bzw. setze mir eine selektive Brille auf, die nur die Sicht auf einen kleinen Teil des ganzen erlaubt.

Ich möchte hier Ihre Weltanschauung auf keinen Fall kritisieren; vielleicht sind Sie zu beneiden, wenn Sie Etwas gefunden haben an das Sie glauben können, von dessen ausschließlich positiver Auswirkung Sie überzeugt sind und das Ihnen die Kraft und die Energie gibt Handlungen zu begehen.

Für mich gibt es einige wenige grundliegende Dinge, die einer Weltanschauung ähnlich sind:

Die Freiheit des Menschen im Denken, Fühlen und Handeln (Stichwort Toleranz, Akzeptanz)

Der Pluralismus des Einzelnen und der Gesellschaft Die Liebe als ein tiefes Gefühl (was immer das sein mag) Im Grunde sind dies alles Facetten ein und der selben Grundlage; nur es gibt da kein Wort für.

Was bei dieser Diskussion viel leichter ausgesagt werden kann, sind die Dinge, die ich ganz sicher nicht will: Eine einheitliche Weltanschauung an die Alle glauben sollen bzw. müssen Die Entscheidung Anderer über die Gefühle, die Einstellungen und den Glauben, etc. eines einzelnen Menschen Die Einteilung der Welt in Gut und Böse, Gut und Schlecht und damit die Beurteilung bzw. Verurteilung von Handlungen

Eine geradlinige Welt in der nur noch bestimmte Handlungen, Meinungen, Rollen, etc. erlaubt bzw. gesellschaftsfähig sind Mir fallen zu dieser kurzen und ich hoffe einigermaßen verständlichen Zusammenfassung zwei Schlagworte ein: Pluralismus und Anarchie

Mir ist völlig bewußt, daß Sich die obigen Angaben in kein logisches, funktionierendes System packen lassen, daß einige Dinge sich sogar vehement widersprechen. Deshalb habe ich eben auch nicht so was wie eine Weltanschauung. Ich hoffe auch das klar geworden ist, warum ich Probleme habe mich einer Weltanschauung anzuschließen. Vielleicht sollte man hier besser von einem Weltgefühl reden!

Ich weiß das zum Verständnis des in der obigen Form Ausgedrückten sehr viel wohlwollen des Lesenden gehört, und daß das Herausreißen einzelner Sätze auch zur entgegengesetzten Aussage führen kann. Vielleicht, wenn Sie Interesse haben könnte man die Dinge auch in Zukunft noch an dem einen oder anderen Beispiel oder Zusammenhang verdeutlichen. Allerdings sind die meisten dahinterstehenden Ideen oder besser Lebensgefühle auch nicht neu.

Harald I. 14.04.00


... ohne religiöse oder philosophisch festgelegte Glaubensrichtung, aber für vieles offen ...

Andreas W. 11.05.00


In dem Film "... Wahnsinn?", der auch so etwas wie eine Biographie über mich ist, werde ich im Untertitel "Anarchist als Bewahrungshelfer" genannt. Das gefällt mir ganz gut. Anarchisten sind immer auch Atheisten.

Weitere Einordnungsversuche von mir fallen mir schwer und sind für mich auch unbedeutend.

Hartmut I. 12.05.00


Ich bin kämpferischer Atheist, von Geburt an. Dank meiner Mutter. Und meinem Großvater, der mir viel politisches und kämpferisches Leben eingehaucht hat. Das führte zu einem klaren Klassenstandpunkt. Schon in der Realschule, wo mich der Lehrer, 1948, mit aller Gewalt als "gottgläubig" einstufen wollte, um mich dem richtigen konfessionellen Reli-Unterricht zuweisen zu können. Er mußte aufgeben - ich blieb frei. Terror gab es nicht von den Klassenkameraden, auch nicht von den Lehrern. Aber der Rektor war ein Schwein. Der hat mich, zweitweilig waren wir sogar 2 oder 3 Mann in der Klasse ohne Religionsunterricht, wirklich schikaniert. Und bei der Schulabgangsfeier 1954 hat er vom Podium vor vollem Haus verkündet: Menschen ohne Religion könnten ja morden, sie wären ja niemandem verantwortlich... Klar, da waren auch meine Klassenkameraden sauer: und mir hat es geholfen zu erkennen, daß jede Religion (= Lehre von Dummheit und Intoleranz, wunderbares Mittel zur Sicherung der Herrschaft der wenigen über die vielen) von Übel ist.

Ich bin, selbstverständlich, nicht getauft, nie Religionsunterricht, Jugendweihe. Mitte Zwanzig wurde ich von jetzt auf gleich Vorsitzender der "Freireligiösen Gemeinde E." (schrecklich, ein solcher Name - hat mich das gewurmt) und bald darauf, bis zu meinem Wegzug aus E., für eine kurze Zeit Vizepräsident der Freireligiösen Landesgemeinde ...; alles sehr lange her.

Seit vielen Jahrzehnten übe und gehe ich nun den aufrechten Gang.

Seit zwei Jahren etwa bin ich Mitglied des HVD Berlin. Und müßte zu vielen diesseits-Artikeln "eigentlich" dagegen hämmern. Von wegen Klarheit...

Herbert T. 31.05.00


Sie fragen nach meiner Weltanschauung. Wenn Sie möchten können Sie eine ausführliche Zusammenfassung dazu, in meinem oben genannten Heft lesen.

Ingrid B. 10.6.00


Eigentlich die kantsche Grundform, erweitert durch Marx und Engels "Orthopraxie" und das Ganze in einer durchgängig logischen, nachvollziehbaren Form nicht autoritären Denkens. Jedes Offenbarungsdenken und das war die frühere Grundlage aller Esoterik, ist heute wegen dieses überholten Autoritätsanspruchs methodisch sozusagen generalzuüberholen. Das ist eine Vorstellung, die konservative Philologen und Altertumsforscher und die Philosophiehistoriker - echte Philosophen sind Mangelware³ - sofort gegen uns Stellung nehmen läßt. Daran haben wir uns allerdings schon fast gewöhnt, nicht nur in diesem Leben, wenn Du uns diese "Unbescheidenheit" erlaubst. Spirituell nicht festgelegte "Nicht-Ignorabismushumanisten" - müßte genauer erläutert werden - sollten diese Grundüberholung und die damit verbundenen Versöhnungspotentiale eigentlich sehr hoch schätzen. Es käme auf entsprechende "Versuche" an.

Konrad und Katharina E. 24.06.00


Sie fragen: "Was pflegen Sie auf die Frage nach Ihrer Weltanschauung bzw. ethischen Orientierung zu antworten?" - Nun, ich 'pflege' gar nicht, weil ich in der Form hier erstmals gefragt werde. Ich habe auch kein komplettes fertiges Modell vor Augen. Mein ethisches Bewußtsein regt sich überall dort, wo es im Einzelfall gefragt wird. 'Toleranz' fällt mir als wichtiges Stichwort ein (auch bezüglich der Weltreligionen). Sogar 'Mitleid' ist ein gutes Stichwort, wie mir scheint, das Schopenhauer noch zuletzt anführte als Entgegnung auf die Frage, ob der Mensch letztlich 'gut' oder 'böse' sei.

Mein Doktorvater hat mir einmal berichtet, daß er auf die derzeit unter philosophischen Ethikern weitverbreitete Meinung gestoßen sei, daß es keine verbindlichen Werte mehr gebe, daß alles vielmehr nur noch 'relativ' sei.

Nun, ich glaube, ich bin im Grunde meines Herzens wertekonservativ und kein Werte-Relativist. Ich glaube außerdem fest an die Willensfreiheit ohne gläubige Christin zu sein. Ich halte ferner jedes Leben für lebenswert, in welcher Form auch immer. Ich verurteile die Todesstrafe, die nirgends rechtlich verankert sein dürfte. Ich verurteile den Selbstmörder nicht, auch nicht das Kind, das erstlich ein Tier quält. Hier setzt dann die Praxis ein, das Werte-vermitteln. Das Leben zu leben ist der ursprünglichste Sinn......

....lieber Herr Kuhr, Sie merken, auf eine derartige Frage bin ich nicht gefaßt, da sie im Ausmaß einmal um die Welt reicht.

Kirstin A. 28.06.00


Die Menschen auf den Fotos in unserem Neubau (Einstein, Gandhi, Russell, Mandela, Menhuin, ..) sind auch Vorbilder für mich, hinter denen ich natürlich meilenweit zurückbleibe.

Die Kluft zwischen dem menschlichen Handeln und Denken spüre ich bei mir täglich. Mit SchülerInnen bemühe ich mich (wie aus den SchülerInnenarbeiten hervorgeht), auch die eigenen Schwächen jeweils mitwahrzunehmen.

Klaudius H. 06.08.00


du fragst mich zu meinen einstellungen? bei religion bin ich ebenfalls sehr skeptisch, sehe jedoch ein, daß es menschen gibt die durch glauben sogar kraft und stärke gewinnen können. alle institutionen sind mir zutiefst zuwider. ich selbst denke, das man durch symbole interpretationen für individuelle wahrheiten schaffen kann. davon lebt jede kunst: der betrachter entscheidet und wertet.

ebenso skeptisch bin ich bei sogenannten gutmenschen, die als ewige revolutionäre auftreten. aber auch esoterik halte ich für die ständige begleiterin nicht bewältigter denkprozesse. jeder muß für sich seine wahrheiten finden. durch eigenes vorbild erreicht man mehr als durch agitation - wir kennen das ja aus der ddr zu genüge.

Mario G. 08.09.00


Ich bin naturreligiös in dem Sinne, dass ich die Umwelt, die Natur als belebt annehme, als beseelt. Ich glaube, dass es Götter und Göttinnen gibt - und dass ich deshalb nicht völlig aus dem Häuschen sein muss. Ich bin Polytheist, animistisch orientiert und dabei sehr realitätsbezogen... (meistens...)

Lydia F. 23.10.00


Ich bin Mitglied der Freien Humanisten in C. ...

Die Frage nach einer ethischen Zuordnung kann ich so nicht in 1-2 Sätzen beantworten.

mit humanistischen Grüßen

Dieter I. 16.11.00


REALIST !

Das ist mir genau mit diesem Begriff im letzten IT-Job vorgeworfen worden, für mich ein Kompliment. Nach meinem Verständnis schließt Realismus Sinn für Phantasie und Vision ein. Wer das erste vernachlässigt, kann sicher auch die beiden anderen nicht beherrschen.

Dietmar O. 08.12.00


R.K. am 12.09.00: Mich würde interessieren, was Sie auf eine Frage nach Ihrer Weltanschauung bzw. ethischen Orientierung antworten.

G.X. am 13.09.00: Als Antwort oder als Antwort in einem Artikel???

Letzteres fände ich gut! Vielleicht als Exposé für ein neues, außergewöhnliches Buch in Ihrem Verlag?

Warum nicht. ... sicher werde ich in den naechsten Wochen etwas Zeit haben, um mir zu dem Thema Gedanken machen. Es dauert also ein bißchen, aber ich werde es in Kuerze naeher beleuchten - okay?!

R.K. am 11.01.01: Darf ich Sie an meine Frage nach Ihrer Weltanschauung bzw. ethischen Orientierung erinnern? Mir würde zunächst eine ganz kurze Antwort - ein Wort oder Satz - genügen.

Ja, sie dürfen mich erinnern, ich habe es auch nicht vergessen. Aber wie sagte es mir gerade ein Videofilmer: Man kann nur eins nach dem anderen machen. ob man will oder nicht.

Gaby X. 12.01.01


Auf Ihre Frage antworte ich Ihnen:

Ich bin als Kind in einem katholischen Elternhaus, in katholischer Umgebung und später von katholischen Priestern in einem katholischen Kloster erzogen worden.

Meine Eltern, einige gute Priester, einige wenige katholische Freunde haben mir damals sowohl die Traditionen neuzeitlich übersetzt. Sie zeigten mir, mit Bildersprache etwas verständlich zu machen. Sie ließen mich Gerüche atmen, die mich nicht süchtig machen konnten und doch einen Wiedererkennungswert schafften. Sie zeigten mir Kerzen und Farben und Wasser und viel menschliche Energie. Dieses lebensnahe Bildersprechen nutze ich noch heute, wenn ich jemandem etwas ausdrücken will, der nicht in hochgestochener juristischer oder sonstiger Sprache Macht demonstriert. -

Dass ich 1988 die katholische Kirche verließ und in die eher trocken anmutende, sehr theoretisch wirkende und in politischer Weise eher mich stützend agierte, zeigt, welchen Weg ich gehe. Nun fehlt mir die katholische Lebhaftigkeit des Rheinlandes manchmal.

Ich lernte auf diesem Wege andere Religionen und Lebensformen kennen und sie schätzen.

Aber: Ich bin ein Christ. Eher versuche ich ein "Jesuaner" zu sein. Nicht abgehoben oder organisationsorientiert. Darum verletzt mich manchmal sowohl die Kirche mit ihren Machtdemonstrationen ebenso wie die Stimme derer, die mein Christsein in einen Topf werfen mit denen, die an Bilder oder Statuen glauben.

Claus C. 18.04.01


Meine Weltanschauung - was würde ich sagen... Ich bin eine Denkerin - von keinen fixen Ideen besessen - sondern offen für alles Neue. Politische Interessen habe ich weniger gehabt - eigentlich gar nicht. Ich denke, daß die moderne Physik in der Zukunft den Menschen völlig neue Dimensionen zeigen wird - die Bedeutung der Kirchen wird nachlassen. Die Physik ist schon so weit, daß das Formel des Universums evtl. schon in den nächsten 20 Jahren entschlüsselt wird.

Nora L. 08.05.01


Meine eigene Grundlage: Meine Frau und ich sind Vegetarier und philosophisch gesehen sind wir Agnostiker (à la Karl-Heinz Deschner "Kriminalgeschichte des Christentums).

Wenn etwas als "heilig" zu betrachten ist, dann ist es die Natur. Wir lehnen jede Religion und jede Ideologie für uns selbst ab. Richtschnur ist das eigene Denken mit der Maxime: "Handele so, dass Du anderen keinen Schaden zufügst".

Wir verfügen über eine hohe Toleranzschwelle, was andere Meinungen und Vorstellungen betrifft, solange keine "Missionierung" stattfindet.

Richard E. 11.06.01


Nun, über meine Weltanschauung: Da ist es einfacher zu sagen, was ich nicht bin: Aus der katholischen Kirche bin ich nach einem Festmeter Literatur dann schließlich ausgetreten, nachdem ich sowieso einen Rochus auf diese Herren in schwarz oder gar violett hatte. Mit dem Buddhismus kann ich mich schon eher anfreunden, ich habe ziemlich viel meditiert. Letztlich bin ich aber wohl Wissenschaftler und Skeptiker - Esoterik - mag ich auch nicht. - Kurz, da habe ich halt das Buch geschrieben, das ich immer lesen wollte über den Sinn des Lebens. Es ist ein durchaus streng wissenschaftliches Buch und basiert auf harten wissenschaftlichen Fakten. Mein Buch schließt mit dem humanistischen Motto: Der moralische Imperativ des Humanismus ist das Bemühen an sich, sei es erfolgreich oder nicht und immer vorausgesetzt, dass der Versuch achtbar ist und ein Misserfolg im Gedächtnis behalten wird"

Paul 27.06.01


Zu meiner Weltanschauung:

Um Mensch zu sein brauche ich ein "Du". Ich bin Du, Du bist ich, so halte ich es auch mit Jesus, der Schöpfung und der Welt.

Im Alltag begleitet mich das Bewusstsein dass jeder Atemzug, jeder Handgriff immer wieder aufs Neue ein göttliches Geschenk ist, und ich fühle dafür Dankbarkeit.

Ich übe mich, mit Intuition und allen Sinnen im Hier und Jetzt zu sein und das was durch den Alltag gegeben ist anzunehmen. Ich traue mich, täglich einen "Baum" zu pflanzen, und zwar auch dann, wenn er das Morgen nicht erleben wird.

Re-ligion bedeutet für mich Rück-verbinden, mit dem inneren verletzten Kind, mit früheren Daseinsformen Kontakt zu finden, Erkennen, Selbsterfahrung, zur Ganzheit finden.

Willi N. 07.11.01


Nein, ich bezeichne mich eigentlich nicht als Humanistin. Ich bezeichne mich als gar nichts, weil ich kein auf mich passendes "Etikett" kenne.

Kathrin D. 06.07.03


Ich glaube die Frage nach meiner Weltanschauung wird durch meine Ausführungen eh ersichtlich, weshalb ich hier nicht näher darauf eingehen werde.

Franz O. 02.08.05


Zur Frage 'Was antworten Sie auf die Frage nach Ihrer Weltanschauung oder ethischen Orientierung?':

Wäre nun mein Buch schon fertig, könnten sie darin möglicherweise eine Antwort auf ihre Frage finden oder zumindest erkennen. Da dies noch nicht der Fall ist möchte ich auf andere Weise auf ihre Frage eingehen.
Mir fällt es sehr schwer einen Namen für meine Weltanschauung oder ethische Orientierung zu finden. Ich kann mich momentan nicht daran erinnern, daß ich dies jemals so direkt gefragt wurde.
In meiner Kindheit wurde ich in einem Einkaufsladen gefragt, wem gehörst du? Es war eine in diesem Dorf übliche Frage wenn jemand wissen wollte, welcher Familie man angehört. So antwortete ich damals schon: Ich gehöre mir selbst.
Auf dem Einwohnermeldeamt wurde ich unlängst nach meiner Religionszugehörig gefragt. Da antwortete ich Haraldisch, in Anlehnung an meinen Vornamen.

Vielleicht gelingt es ihnen, mich mit folgenden Ausschnitten aus meinen derzeitigen Stand 'einzuordnen'.

- Ich bemühe mich so wenig wie möglich zu glauben. Wenn schon Glauben, dann nicht irrationaler Glaube, sondern rationaler.

- Ich weiß, daß ich nichts sicher weiß.

- Ich lebe mit dem Satz ich weiß es nicht und ich will nicht glauben.

- Ich lebe im Universum aus Raum und Zeit.

- Es gibt mehr als 4 Dimensionen. Vielleicht 11.

- Es gibt schnellere Verbindungen als die Lichtgeschwindigkeit. (Quanten und Stringtheorie)

- Das Universum wurde nicht geschaffen sonder entsteht in jedem Augenblick.

- Ich unterscheide zwischen Spiritualität und Religion.

- Ich bemühe mich intensiv nicht-religiös zu sein. Dies bedeutet für mich Freiheit von der Religion.

- Ich lebe eine freie Spiritualität. (so sage wohl nur ich dazu)

- Absolut jeder und alles ist permanent Verbunden und gleichwertig. Trennung existiert real nicht.

- Der erste Schritt zur Ehrfurcht vor dem Leben ist der Schritt heraus aus der Religion.

- Dualität von Gut und Böse aufheben.

- Integration anstatt Polarisierung als vierter Weg.

- Materie entsteht aus Leben .. Nicht Leben Entsteht aus Materie

- Ich sehe Religion (nach meiner Definition) als Spirituelle Seuche.

- Namaste ist für mich von Elementarer Bedeutung.

"Namaste" Ich ehre den Ort in dir, in dem das gesamte Universum weilt. Ich ehre den Ort des Lichts, der Freiheit, der Liebe, der Wahrheit, des Friedens, der Weisheit. Ich ehre den Ort in dir, wo wir beide, wenn du dort in dir bist und wenn ich in jenem Ort in mir bin, eins sind.

Harald C. 04.12.06


meine eigene Weltanschauung zu benennen fällt mir schwer, weil ich mich da keiner Sekte zugehörig fühle. In meiner Jugend hat mir Feuerbach sehr gefallen, und Marx logischerweise auch. Ich halte also die Materie für primär, und Geist oder Seele für Ausflüsse daraus. An Marx' Aussage, es komme darauf an, die Welt zu verändern, statt sie zu erklären zu versuchen, würde ich statt "verändern" lieber "verbessern" setzen, wohl im Sinne Ihrer Aktion, sie für die Menschheit genießbarer zu gestalten, ohne die natürlichen Ressourcen zu plündern. Denn verändern tun die Menschen sie ja eigentlich recht spürbar, ob zum Bessern, ist fraglich.

Franz I. 24.12.06


Schwierig auf diese Frage kurz zu antworten. Eine richtige Zuordnung zu bestehenden Systemen vermag ich nicht abzugeben, da ich mich mit diesen Systemen noch nicht en detail auseinandergesetzt habe - ich versuche meine Überlegungen dazu (die sicherlich von einigen Systemgedanken inspiriert sind - das eine schließt das andere ja nicht aus) daher kurz zu skizzieren:

Die Basis des Zusammenlebens bildet der Mensch mit seiner Würde, seiner Fähigkeit zur Freiheit (s. Text ) und seiner Kraft zu eigenständigem Denken selbst. Diese Fähigkeiten geben dem Menschen eine Verantwortung und Achtung sich selbst, seinen Mitmenschen und seiner Umwelt gegenüber - dies als Basisgrundlage in Kurzbeschreibung.

Alexander F. 18.02.07

(Die Sammlung entsprechender Antworten wird fortgesetzt.)

 

Das Ergebnis

 
Die interessanten Antworten zeigen eine große individuelle Vielfalt, lassen jedoch ein konkretes Bekenntnis zum Menschsein vermissen. Und gerade dieses ist es, was unserer Gesellschaft fehlt. Es fehlt an verantwortlicher Menschlichkeit als ethische Orientierung und an einer entsprechenden Menschenbildung.

Interessant in diesem Zusammenhang ist es, daß Angehörige mancher indigenen Stämme, z.B. Inuit (Eskimo), Bantu oder Yanomami, nach der Bedeutung der Bezeichnung ihrer Identität gefragt, diese mit 'Mensch', 'Steppenmensch' oder 'Waldmensch' übersetzen, die Comanche (auch Komantschen; Eigenbezeichnung: Nömöne oder Nemene = Menschen). Das könnte uns über unsere identitätsbildenden Bekenntnisse nachdenken lassen, weil wir uns mit zunehmender Zivilisation mehr und mehr von der Natur getrennt haben. Der von der Natur her angelegte - vor allem männliche - Aktionstrieb hat in Verbindung mit der - ebenso von der Natur mitgegebenen - Fähigkeit zum Denken zur Beschäftigung und Identifikation mit Teilgebieten des Denkens und damit zur Aufspaltung des Lebens in Menschlichkeit fördernde und hindernde Bereiche geführt.

Was in der Kindheit für die Entwicklung zum erwachsenen Menschen sinnvoll ist, die Bildung der eigenen Identität mit Hilfe der Identifizierung durch Abgrenzung, muß nach und nach abgelöst werden durch ganzheitlich ausgerichtete Identifizierungen, wenn es zu einer Bildung von verantwortlicher Menschlichkeit kommen soll. An dieser vor allem fehlt es in fast allen gesellschaftlichen Bereichen und besonders auffällig und menschenunwürdig in den derzeitigen Konfliktgebieten.

Der Artikel 1.1 GG 'Die Würde des Menschen ist unantastbar' bleibt so lange eine wenig glaubhafte Behauptung, als sich die maßgebenden Menschen nicht konkret zum Menschsein bekennen. Mit indirekten und ausgedehnten Beschreibungen ist es nicht getan. Hier ist eine eindeutige, das Wesentliche bezeichnende Festlegung gefordert, auch wenn es zunächst ungewohnt und unbequem sein mag. So wie die Doktorwürde eine bestimmte Leistung voraussetzt, dürfte ebenso auch bei der Menschenwürde von einem gewissen Alter an zumindest die Leistung eines dezidierten Bekenntnisses zum Menschsein zu erwarten sein. Als Begriff, der die inhaltlichen Erfordernisse am ehesten umfassend erfüllt, dürfte hier der Begriff 'Humanismus' sein. Man wird sich daran gewöhnen können, ebenso wie an die Begriffe 'Globalisierung' oder 'Euro'.

Rudolf Kuhr

Es ist Aufgabe des Menschen zu bewirken,
dass das Menschsein Bedeutung hat.

Simone de Beauvoir

*

In einer Zeit, in der die Errungenschaften der Aufklärung von denjenigen in Fage gestellt,
verhöhnt, missverstanden und verleumdet werden, die den Fortschritt der Menschheit
am liebsten umgekehren wollen, ist es wichtig, sich als Humanist zu bekennen.

Stephen Fry, brit. Schriftsteller und Schauspieler

*

Mindestens ebenso wichtig wie ein Bekenntnis zum Glauben an Gott wäre heute das Bekenntnis zum Glauben an verantwortliche Menschlichkeit - zum Humanismus als ethische Orientierung.

*

Humanismus ist ein Denken, Fühlen und Handeln, das sich an der Würde des Menschen orientiert und zur Bildung verantwortlicher Menschlichkeit führt.

 
Aus einer Einladung

 Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK) und Humanistischer Verband Deutschlands (HVD)
laden ein zum Thema:  
Kriegsdienste verweigern - Pazifismus heute

>> weltlich-humanistische Perspektiven für den Frieden <<

25. November 2000 ab 17 Uhr im Lokal >>EX<< im Mehringhof, Gneisenaustr. 2a / Berlin-Kreuzberg

PROGRAMM

HVD und IDK präsentieren die gerade erschienene HVD-Publikation aus der Reihe "zur Theorie und Praxis des Humanismus" Autor/inn/en- Diskussion:
 

  • Christine Schweitzer, Atheistin / Bund fuer Soziale Verteidigung

  • Lou Marin, Agnostiker, gewaltfreier Anarchist, Redakteur der Zeitschrift "graswurzelrevolution"

  • Niels Petring, Agnostiker, ehem. Bundesgeschaeftsfuehrer der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner/innen (DFG-VK)und HVD-Berlin

  • Wolfram Beyer - Agnostiker, IDK / HVD-Berlin
    ...

  • Ulrich Klan, HVD-Wuppertal, Freidenker / Musiker
     

Bemerkenswert ist an dieser Einladung, daß trotz Mitgliedschaft beim Humanistischen Verband Deutschlands niemand dabei ist, der sich als Humanist bezeichnet! R.K.
   

In mehr denn anderthalb Menschenaltern erfuhren wir zur Genüge, daß die Weltanschauung der Weltanschauungslosigkeit von allen die wertloseste ist und nicht nur Ruin des geistigen Lebens, sondern Ruin überhaupt bedeutet. Wo keine Generalstabsoffiziere einem Geschlecht den Plan seines Kampfes ausdenken, führen es die Unteroffiziere, in den Ideen wie in den Handlungen, von Abenteuer zu Abenteuer. Der Wiederaufbau unserer Zeit muß also mit dem Wiederaufbau der Weltanschauung beginnen. Das scheinbar Entlegene und Abstrakte ist so dringend, wie kaum etwas anderes. ... Für die Gesamtheit wie für den Einzelnen ist das Leben ohne Weltanschauung eine pathologische Störung des höheren Orientierungssinnes. Albert Schweitzer (Kulturphilosophie I, 1923)

 

Ein Anspruch
auf  
Menschenwürde
ist ohne ein
klares Bekenntnis
zum Menschsein
ein schwer
erfüllbarer.

 
Bekenntnisse aus einem Fragebogen   -   vergleichende Bekenntnisse christlich - humanistisch - konfessionslos


 
Mit freundlichen Empfehlungen
 
Humanistische AKTION
 
12/2000 
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www.humanistische-aktion.de/bekenn2.htm

Aktualisiert am 05.12.11