Aus dem Briefwechsel (6)

Beispiele zur Information und Anregung  

Themenbereiche  

Was braucht der Mensch wirklich? 26.07.01

Angebot an Pfarrer und Gemeinde 15.11.01

Schleichwerbung im Fernsehen 13.05.97 + 15.10.03

Faszination Krimi im Fernsehen 08.05.04

Begriffe sind wichtig, es sind Griffe 15.06.04

Freiheit wofür? 30.09.04

Zentralrat der Konfessionslosen? 23.04.05

Geborgenheit und Religion 12.07.05  


Was braucht der Mensch wirklich? 


Leserbrief zum Thema "Was braucht der Mensch wirklich? Zur Diskussion um die Grundbedürfnisse" *)

(Der in Grün gehaltene Text wurde nicht abgedruckt.)

Sehr erfreulich, daß dieses Thema gewählt wurde, weil es so not-wendig ist, hier Antworten zu finden. Höchst erstaunlich aber, wie zögerlich an wichtigste Fragen des Lebens herangegangen wird, obwohl sich so viel an individuellem und kollektivem Wissen angesammelt hat, wie ja auch das vorliegende Heft beweist. Die großen Vorbehalte gegenüber einem so grundlegenden Thema zeigen eine gewisse Unsicherheit bezüglich der wesentlichen Merkmale des Menschseins selbst bei gebildetsten Menschen, die eigentlich unberechtigt ist und im Interesse einer Stabilisierung unserer Gesellschaft überwunden werden sollte.

Deshalb ist der Vorschlag sehr gut, zu fragen: Was brauche ich Mensch wirklich? Noch genauer wäre die Ergänzung: ... wann und wofür?, weil die aktuellen Bedürfnisse meist im Zusammenhang stehen mit den grundsätzlichen, besonders, wenn diese fremdbestimmt ins Unterbewußtsein gelangt sind und noch nicht subjektiv gewichtet wurden.

Der Mensch Rudolf Kuhr z.B. braucht wirklich aktuell einen oder mehrere Menschen, um das bereits vorhandene und evtl. noch zu erkundende Wissen dessen, was das Wesentliche des Menschseins ausmacht, zu sammeln, allgemeinverständlich aufzubereiten, zu sichern und als globale ethische Standards zu verbreiten. Dies zur eigenen Anwendung und als Angebot für die Gesellschaft, der es offensichtlich an allgemein verinnerlichter Orientierung zu nachhaltig sinnerfüllter Lebensgestaltung mangelt.

Bisher (seit 1994) gibt es zu dem Thema etliche kurze Texte in allgemeinverständlicher Form auf der Internet-Seite www.humanistische-aktion.de sowie als Buch 'Wachstum an Menschlichkeit' (Besprechungs-Exemplare beim Verlag mailto:info (at) lenz-verlag.de).- Ein Entwurf zu einer Stiftung 'Verantwortliche Menschlichkeit' ist in Arbeit und braucht noch konzeptionelle Unterstützung (Kontakt: <mailto:kuhr (at) humanistische-aktion.de).

Was der Mensch wirklich braucht, das ist vor allem eine klare Antwort auf die Frage nach dem Sinn seines Lebens und ein konkretes, reales und universales Menschenbild, das sowohl die geistigen als auch die naturgegebenen Möglichkeiten und Grenzen enthält, und das auch verstandes- und gefühlsmäßigen Prüfungen standhält. Wenn er menschenwürdig leben will, dann braucht er bewußten Abstand von Mythen und mystischen Vorstellungen zur Stabilisierung seiner Identität, stattdessen innere Verbundenheit zur realen Mitwelt und ein Streben nach Erwachsenwerden, das bereits in jedem Kind vorhanden ist, bis hin zur letzten Konsequenz, der Übernahme der vollen Verantwortung für sich selbst und Mitverantwortung für die Mitwelt. Er braucht ein ganzheitliches Denken, Fühlen und Handeln.

Ganzheitlich gesehen könnte und müßte die Frage 'Was braucht der Mensch wirklich?' konsequenterweise ergänzt werden: Was bringt der Mensch wirklich? Was bringen z.B. wir Gelegenheitsdenker und -schreiber uns selbst, dem - sehr begrenzten - Leserkreis und der Gesellschaft theoretisch und praktisch wirklich?

Der Mensch braucht wirklich die Einsicht und den Willen zur Weiterentwicklung der Qualität des Menschlichen nach dem Leitsatz 'Mit List aus der Last eine Lust machen!', denn der bisherige Zustand unserer gesellschaftlichen Kultur ist höchstwahrscheinlich ein Ergebnis von Bequemlichkeit und Orientierungslosigkeit.

Wenn die wesentlichen Fragen des Lebens zu groß erscheinen, um sich mit ihnen zu befassen, dann kann vielleicht ein Blick auf den Bergsteiger ermutigen, für den jeder große Berg eine Herausforderung ist, obwohl hier die Gefahren unvergleichlich größer sind. Vielleicht hilft es, das Einlassen auf die großen Fragen als Abenteuer mit sich selbst zu sehen, zumal das Risiko äußerst gering ist. Es gibt eigentlich nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen.

Mit wachsendem Wissen und Bewußtsein von den Möglichkeiten des Menschseins wächst auch der Anspruch an die eigenen ethischen Leistungen. Und so wandeln sich möglicherweise ehemals als lästig empfundene Verpflichtungen zu ehrgeizigen Zielen und zu entsprechender Leistungsbereitschaft, zumal wenn sich einige Denker und Schreiber zu gemeinsamen Aktionen zusammenfinden.

Das kollektive Bewußtsein braucht reale ethische Maßstäbe zur Stabilisierung der Gesellschaft. Es braucht zur bewährten staatlichen Verfassung und einer schon öfter mal geforderten europäischen oder gar Weltverfassung als Ergänzung und als kompetentes Gegenüber eine individuelle menschliche Verfassung als geistige Struktur des Menschseins. Damit wäre es möglich, ähnlich der inzwischen gängigen Ökobilanz, eine Ethik-Bilanz zu erstellen, in welcher das Geben und Nehmen erkennbar werden. Schließlich kann es auch für ein Vorbereiten auf humanes Sterben sinnvoll und hilfreich sein, zu wissen, wirklich sein Möglichstes getan zu haben, die Welt ein wenig besser zu verlassen, als man diese vorgefunden hat.

Es soll nun aber nicht um neue, objektive Bewertungsmerkmale der ethischen Leistungen einzelner Menschen zu deren Unterscheidung gehen, sondern in erster Linie um subjektive Anreize zu solchen, für eine sinnerfüllende Lebensgestaltung.

Was kann ich - als Laie auf den meisten Fachgebieten, aber vielleicht doch aufgrund von Lebenserfahrung und Erkenntnissen als Experte des gewöhnlichen Lebens - mir und der Gesellschaft zur Stabilisierung und Weiterentwicklung bringen?

Ich kann mich darin üben, themenzentriert auf verantwortliche Menschlichkeit hin zu denken und zu handeln. Ich kann mir selbst und - da wo es paßt - auch anderen gegenüber ein klares Bekenntnis zu verantwortlicher Menschlichkeit ablegen, wozu sich der Begriff Humanismus wohl bisher am besten eignet. Dies wäre ein erster, ganz entscheidender Schritt, weil diese, allen abgrenzenden Glaubens-Bekenntnissen übergeordnete Orientierung bereits im Namen sehr konkret ein erstrebenswertes Ziel und gleichzeitig den Weg als ständige Aufgabe und Selbstverpflichtung enthält. Was kann ich über die notwendige Anwendung im persönlichen Umfeld hinaus tun? Ich kann mein Wissen der Gesellschaft zur Verfügung stellen. Eine ideale Möglichkeit hierzu bietet das Internet, das gewissermaßen das Großhirn der Menschheit darstellt. Je mehr gute Gedanken darin enthalten sind, um so größer werden die Chancen zu deren Umsetzung. Ich kann bereits die Internet-Seite und deren Adresse anstatt mit meinem Namen mit einem inhaltlichen Begriff versehen und allein schon damit entsprechende Denkanstöße geben.

Ich kann die Verantwortlichen einer entsprechenden Zeitschrift wie 'Das Gespräch aus der Ferne' dazu anregen, den Titel zu hinterfragen, um einen weiteren Schritt zur Verwirklichung des Inhaltes zu tun: Gespräch aus der Ferne?, in die Ferne?, in der Nähe? um, für Menschlichkeit? ... - Ich habe das Gefühl, die Zeitschrift wird mehr und mehr zum Kultobjekt eines elitären Kreises, der zwar über wesentliche Lebensfragen theoretisiert, ohne aber wirklich sich oder etwas zu bewegen. Das Heft könnte mehr an Herausforderung enthalten und mit sehr wenig Aufwand auch im Internet vertreten sein.

Ich kann Initiativen verschiedenster Art in Gang setzen bis hin zur nachhaltigsten Institution, einer Stiftung. Hierbei geht es nicht in erster Linie um Geld, sondern um den Inhalt. Nichts erscheint mir derzeit so sinnvoll und not-wendig im wahrsten Sinne des Wortes, als den Wert 'Verantwortliche Menschlichkeit' ins öffentliche Bewußtsein zu tragen und seine Anwendung zu fördern. Hierzu möchte ich die Leser und besonders alle Autoren des Heftes aufrufen.

Übrigens: ich freue mich, Ulrike Rietz als Mitherausgeberin des Heftes zu wissen. Ich hatte vor etwa 30 Jahren als Hospitant beim WKM (Westfälisches Kooperationsmodell) Gelegenheit, sie als Vertreterin eines sehr angenehm offenen menschliches Umgangs miteinander kennenzulernen.

Rudolf Kuhr

Hier noch einige Zitate zum Thema:

Alles Große und Edle ist einfacher Art.
Gottfried Keller, Dichter (1819-1890)

Das Problem ist noch nicht gelöst: Viel zu wissen, und doch praktisch zu handeln.
Viel leichter handelt Einer, der weniger Wissen hat, aber dieses geordnet.
 
Das Richtige ist einfach.
Werner Kollath, Arzt (1892-1970)

Manche Menschen benutzen ihre Intelligenz zum Vereinfachen, manche zum Komplizieren.
Erich Kästner, Schriftsteller (1899-1974)

Was nicht auf einer Manuskriptseite zusammengefaßt werden kann, ist weder durchdacht, noch entscheidungsreif.
Dwight D. Eisenhower, General (1890-1969)

In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
Johann Wolfgang von Goethe, Dichter (1749-1832)

Was du nicht sagen kannst, während du auf einem Bein stehst, so kurz - das ist nicht klar und wahr.
Ben Akiba

Alles Tiefe ist zugleich ein Einfaches und läßt sich als solches wiedergeben, wenn nur die Beziehung auf die ganze Wirklichkeit gewahrt ist.
Albert Schweitzer (1875-1965)

Nichts ist einfacher, als sich schwierig auszudrücken, und nichts ist schwieriger, als sich einfach auszudrücken.
Karl Heinrich Waggerl

Alles was sich sagen läßt, läßt sich klar sagen.
Ludwig Wittgenstein, Philosoph (1889-1951)

Von nichts zuviel
Orakel von Delphi  

*) 'Das Gespräch aus der Ferne - Vierteljahreshefte zu Lebensfragen unserer Zeit' Nr. 359 - III/01  


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Ein Angebot an Pfarrer und Gemeinde 


Leserbrief zu Ausgabe 3/2001: "Aug' um Aug'?" 

Suche nach Lösungen 

Sehr geehrter Mitmensch Wojciech Halys,

kürzlich fand ich einen Pfarrbrief Ihrer Gemeinde (3/01) in meinem Briefkasten, in welchem Sie unter der Überschrift "Aug' um Aug'?" zu dem Terror-Anschlag vom 11. September Stellung nehmen. Sie riefen dazu auf, nicht müde zu werden, in unseren Auseinandersetzungen und bei Konflikten immer nach einer friedlichen Lösung zu suchen. Das ist sehr zu begrüßen.

Auch ich bemühe mich sehr, nach Lösungen zu suchen, die zu nachhaltigem Frieden führen. Dabei geht es mir vor allem um die tieferen Ursachen der Konflikte. Diese sehe ich in einer mangelnden Anwendung bzw. Weiterentwicklung von Religion und Kultur. Hierin fühle ich mich bestätigt durch entsprechende Äußerungen unseres Alt-Bundespräsidenten und überzeugten Christen Roman Herzog, der u.a. sagte:

"Ich mahne zu mehr Verantwortung! Ich rufe auf zu mehr Flexibilität! Alle, wirklich alle Besitzstände müssen auf den Prüfstand. Alle müssen sich bewegen. Durch Deutschland muß ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen. Glauben wir wieder an uns selber. Ohne kritischen Einspruch, ohne das Engagement unbequemer Denker verkümmert eine Gesellschaft. Wir brauchen Streit und Widerspruch, wir brauchen die Zumutungen und Fragen unabhängiger Köpfe."

Für den Fall, daß Sie oder jemand wirklich guten Willens in Ihrer Gemeinde Interesse haben an einem offenen und konstruktiven Gedankenaustausch zu ursächlichen Verbesserungen, die auch für den langfristigen Bestand der Kirche von Bedeutung sein können, dann würde ich Sie gern dazu einladen.

Um Ihnen einen Einblick in meine Vorstellungen zu geben, sende ich Ihnen in der Anlage einen Text zum Thema 'Ursachen des Terrorismus beseitigen'. Ebenso als Anlage sende ich Ihnen eine Buchbesprechung von einem unabhängigen Rezensenten zu meinem Buch 'Wachstum an Menschlichkeit', weil diese erstaunlich präzise das Wesentliche meiner Arbeit wiedergibt, besser als ich es selber könnte.

Über eine kurze Stellungnahme (zumindest Eingangsbestätigung) würde ich mich freuen.

Mit den besten Grüßen

Rudolf Kuhr  

Quelle: JohannesBote 4/2001 (Pfarrbrief der kath.Gemeinde Schöngeising, ca. 1800 Einw.)

Anmerkung: Die Veröffentlichung ist anerkennenswert, weitere Reaktionen erfolgten jedoch nicht. R.K.  


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Schleichwerbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen 


Rudolf Kuhr, 80636 München, Artillerstr. 10

SFB - Fernsehen
Rechts-Abteilung Masurenallee 8-14
14057 Berlin

Sendung 'Scheibenwischer' vom 04.05.1997

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe wieder mit großer Aufmerksamkeit die oben genannte Sendung verfolgt und würde gern von Ihnen wissen, wie folgender Sachverhalt einzuordnen ist: Während der ersten Darbietung von Konstantin Wecker am Flügel schwenkte die Kamera zweimal auf die Tastatur des Flügels, so daß links im Bild die Hände des Künstlers zu sehen waren und mitte-rechts der Schriftzug 'Steinway & Sons'.

Da normalerweise Produkte so aufgenommen werden, daß ein Name nicht ins Bild gerät oder aber Firmennamen abgeklebt werden, um den Anschein von verdeckter Werbung zu vermeiden, war in diesem Fall der Firmenname deutlich und lange genug im Bild, um ihn in Ruhe lesen zu können. Die Kamera schwenkte also nicht etwa zufällig über den Namen hinweg, sondern sie blieb genau in der Einstellung stehen, die ein mehrmaliges Lesen ermöglichte, erst danach erfolgte ein Schnitt.

Ich bitte freundlich um Mitteilung, um welche Art von Werbung, Sponsoring oder sonstige bewußte Hervorhebung einer Firma es sich rechtlich gesehen hierbei handelt. Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Rudolf Kuhr

13.05.1997


Antwort

Sender Freies Berlin
Anstalt des öffentlichen Rechts
Abt. FS-Spiel und Unterhaltung
14046 Berlin

Sehr geehrter Herr Kuhr,

vielen Dank für Ihren Brief vom 13.5.1997 zu unserer Sendung "Scheibenwischer" vom 4.5.1997.

Sie vermuten, daß wir in dieser Sendung bei der Aufnahme von Konstantin Wecker bewußt durch eine Einstellung, in der der Firmenname des benutzten Flügels deutlich zu lesen war, Werbung betrieben haben.

Das ist nicht so. Es liegt in der Natur der Sache, daß sich bei einer Einstellung, die die Klaviatur und die Hände des Pianisten zeigt, der Markenname des Flügels, der unmittelbar über der Tastatur angebracht ist, nicht ausblenden läßt.

Wir haben diese Einstellung gewählt, um die Darbietung von Konstantin Wecker optisch abwechslungsreich zu gestalten und einen visuellen Eindruck von seinem Klavierspiel zu vermitteln.

Wir haben für diese Einstellung weder von der Herstellerfirma des Flügels noch von irgendeiner anderen Firma Werbegelder oder anderweitige Vergünstigungen erfahren.

Es ist ein absurder Gedanke, daß eine Sendung wie der "Scheibenwischer" von irgendwem gesponsort wird.

Im übrigen spielt Konstantin Wecker normalerweise auf einem Flügel der Marke SCHIMMEL.

Mit freundlichen Grüßen

SENDER FREIES BERLIN
FS-Spiel und Unterhaltung
(Uwe Römhild)

16.05.97


und noch einmal ...


Sendung 'Scheibenwischer' vom 02.10.03
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

diese hervorragende Sendung wurde leider sehr gestört, als in dem Auftritt von Konstantin Wecker ständig der Markenname der Klavierfirma "Seiler" im Bild erschien.

Mindestens fünfzehn Mal während der ersten Darbietung des Künstlers und auch später noch mal. Und dann noch dazu in einer Größe, meist unten rechts im Bild, wie es bisher in einem öffentlich-rechtlichen Sender in einer vergleichbaren Kultursendung noch nicht zu sehen war.

Als Gebührenzahler protestiere ich gegen eine derartig aufdringliche Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und erwarte eine Stellungnahme!

Rudolf Kuhr
http://www.humanistische-aktion.de/medien.htm

15.10.03


Antwort

Sehr geehrter Herr Kuhr,

vielen Dank für Ihre mail zu unserer Sendung Scheibenwischer-Finale.

Wir bedauern außerordentlich, dass Sie sich durch den Namen der Klavierfirma derart gestört gefühlt haben. Es ist inzwischen leider zur Regel geworden, dass auf Instrumenten überall der Markennamen angebracht wird. Das gilt für Keyboards, wie für Gitarren und erst recht für Flügel. Es läßt sich daher kaum vermeiden, dass der Name notgedrungen ins Bild kommt. Ihn abzukleben oder gar zu übersteichen verbietet sich bei einem Instrument von selbst.

Das alles ist wenig erquicklich, aber kaum zu umgehen. So störend, wie Sie hat das allerdings, dass sei der guten Ordnung halber wenigtens erwähnt, kein anderer Zuschauer empfunden.

Mit freundlichen Grüßen
Uwe Römhild
(Redaktion Scheibenwischer)

21.10.03

Anmerkung: Der letzte Satz zeigt die wenig erfreuliche Lage der Medien: Es fehlt an kritischen Zuschauern und an selbstkritischen Redakteuren!  R.K.
 

weitere Texte zum Thema Schleichwerbung


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Faszination Krimi im Fernsehen 


Faszination Krimi im ARD Morgenmagazin vom 3. bis 7. Mai 2004

Nun ist es leider vorbei mit der täglichen Leiche zum Frühstück.

Die Reihe 'Faszination Krimi' war sehr gut geeignet, den Zuschauer - vor allem auch Kinder - an die Unterhaltung mit Gewaltverbrechen heran zu führen. Wo lernt man schon, wie eine Pistole richtig gehalten wird. In einer Zeit, da die Gewaltkriminalität - wie gerade gemeldet wurde - zunimmt, kann dies durchaus nützlich sein.

Sehr hart an die Realität zu kommen bringt sehr viel Lob, berichtete ein Regisseur. Solche Faszination läßt da den entsprechend trainierten Zuschauer eine tatsächliche Realität viel angenehmer erleben. Krimi am Morgen, Krimi am Abend, am Sonntag, an Ostern und Weihnachten. Das Fernsehen versorgt seine Zuschauer hinreichend mit Unterhaltung durch Verbrechen. Erlaubt ist, was dem mündigen Zuschauer gefällt, was Quote bringt kann ja nicht schlecht sein.

Und mit Bezeichnungen wie Sport-Krimi, Wahl-Krimi, Polit-Krimi tun die Medienfachleute ein Übriges, um die Gesellschaft gegen das real existierende Verbrechen zu immunisieren. Dafür sollte aus den Kreisen der Wirtschaftskriminalität und des organisierten Verbrechens endlich mal ein entsprechender Preis verliehen werden, sie sind ja schließlich auch die Nutznießer.

Weidmannsheil!

Rudolf Kuhr

08.05.04


Antwort

Sehr geehrter Herr Kuhr,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

Sicher erhalten Sie noch direkt Antwort der verantwortlichen Fachredaktion. Ganz gewiß liegt es nicht in unserer Absicht Kriminalität zu propagieren. Dies weisen wir entschieden zurück. Das ARD-Morgenmagazin ging vielmehr der Frage nach, warum sich Millionen Menschen für das Genre "Krimi" interessieren. Weg von der Fiktion wurde die Realität betrachtet und gefragt, wie und unter welchen Bedingungen die Polizei arbeitet. Auch eine JVA und die Häftlinge dort wurden vor Ort in die Reportage mit einbezogen. Wir sind durchauf der Auffassung, dass der mündige Zuschauer diesen Unterschied erkennt und entsprechend beurteilen kann.

Unserer besonderne Verantwortung sind wir uns bewußt. Die Kriminalfilme am Sonntagabend (Tatort, Polizeiruf, K3 - Kripo Hamburg) sind lebensnahe, glaubwürdige Milieustudien in eingängigem Erzählstil. Handlungsorte, Stoffe und Schauspieler sind regional verankert. Bei Produktion und Einsatz fiktionaler Angebote halten sich die Programmverantwortlichen an die "ARD-Grundsätze gegen Verharmlosung und Verherrlichung von Gewalt im Fernsehen". Demnach sollen Gewalthandlungen nicht zum Selbstzweck und ohne dramaturgischen Grund in Szene gesetzt werden. Gewalt in Spielhandlungen soll nicht als Mittel zur Konfliktlösung angepriesen werden. Wenn Gewalt dargestellt wird, dürfen die Auswirkungen auf ihre Opfer nicht ausgeblendet werden. Alle Angebote des Ersten werden gemäß der ARD-Richtlinien zur Sicherung des Jugendschutzes auf ihre Jugendeignung geprüft. Die rechtliche Grundlage bildet seit April 2003 der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Andererseits darf aber die Forderung nach Gewaltlosigkeit nicht dazu führen, dass Genres wie Krimi-, Grusel- oder Actionfilme abgeschafft werden. Vergleichbare Gattungen gab und gibt es auch in der epischen und dramatischen Literatur.

Wir hoffen, dass wir Ihnen unsere Haltung einsichtig machen konnten. Wir nehmen Ihre Kritik sehr ernst. Alle Anregungen, die nachdenklich stimmen, helfen uns beim Bemühen, die Programmqualität des Ersten zu überprüfen und zu sichern.

Mit freundlichen Grüßen

Florence Kluge
ARD-Zuschauerredaktion
Erstes Deutsches Fernsehen
Tel. 089/5900-3344
Fax 089/5900-4070
e-mail: info@DasErste.de
http://www.DasErste.de

DAS ERSTE IST DAS FERNSEHEN

10.05.04


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Begriffe sind wichtig, sie sind Griffe
 


Leserbrief an GLS-Bankspiegel Ausgabe 2/04: "Arbeitslosigkeit" 

 
Liebe Mitmenschen beim Bankspiegel,

"Die Freude an Veränderung ist wichtig" lese ich im neuen Heft. Sehr richtig, denke ich mir, und ich lese weiter, daß wunderschöne Theorien einen anderen Menschen brauchen, aber daß dieser andere Mensch nur in einem anderen System entsteht, und daß wir die Menschen nehmen müssen wie sie sind, in aller Regel selbständiger und klüger als als viele meinen. - Wer verändert wen oder was? Das System den Menschen oder umgekehrt, aktiv oder passiv? Wahrscheinlich von jedem etwas.

Genau genommen geht es nicht nur um Veränderung, es geht doch eigentlich um Verbesserung, wenn es nicht nur um Abwechslung und Unterhaltung gehen soll.

Philosphen haben die Welt nur verschieden interpretiert, Theologen und Ideologen haben sie verändert. Jetzt braucht es Realisten, die universale Merkmale benennen zu einem realistischen Menschenbild, als Ergänzung und Konkretisierung zu den seit langem bestehenden verschiedenen Weltbildern.

Es geht letztlich um Entwicklung, um Wachstum, aber weniger um materielles, als vielmehr um menschliches Wachstum, genauer: um ein Wachstum an verantwortlicher Menschlichkeit (siehe auch Anlage). Gesellschaftliche Systeme werden von Menschen mehr oder weniger selbst- oder fremdbestimmt geschaffen und betrieben. Sie werden erhalten, verändert, weiterentwickelt oder überwunden. Je nach der ethischen Orientierung der Beteiligten. "Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen." (Mahatma Gandhi) Wir sind schließlich ein Teil der Welt.

"Wege aus der Arbeitslosigkeit" lese ich auf der Titelseite.

Als ehemals Langzeit-Erwerbsloser (jetzt Klein-Rentner) habe ich auf entsprechende Fragen stets geantwortet: "... ich bin erwerbslos, aber keineswegs arbeitslos". Diskriminierend empfinde ich es als Betroffener besonders, wenn es nicht selten sogar heißt: "... ohne Beschäftigung ...". Als ob die meisten Erwerbslosen sich nicht beschäftigen könnten!

"Die Begriffe, die man sich von was macht sind sehr wichtig. Sie sind die Griffe, mit denen man die Dinge bewegen kann." (Bertolt Brecht)

Übrigens: "Zeitschrift für ein modernes Bankwesen", was ist heute modern? Gewinn-Mitnahme ist modern! Mein Vorschlag: "Zeitschrift für ein menschliches Bankwesen" oder "Zeitschrift für menschen-orientiertes Bankwesen"!

Ich denke, es besteht eine Wechselwirkung zwischen Begriffen und Inhalten. Je treffender wir uns ausdrücken, um so eher werden wir etwas verändern oder sogar verbessern. Eine menschenfreundlich orientierte Bank kann ihre Einstellung durch entsprechende Ausdrucksweisen unterstützen. So wäre auch der Name 'Gemeinschaftsbank' inhaltlich am treffendsten, ja eigentlich unübertrefflich.

Hier noch Anmerkungen zur Sprache, wenn sie der Verständigung auch mit Nichtfachleuten dienen soll:

Microlending = Klein- oder Kleinstkredit?

Wenig bekannte und sich nicht selbst erklärende Namen wie brand eins sollten in Anführungszeichen ('brand eins') gesetzt und erklärt werden. Wenn es hier nicht um Feuerwehr oder Weinbrand geht, warum dann nicht 'brand one'?

Mit freundlichen Grüßen

Rudolf Kuhr

Kurz-Info zur GLS-Bank 


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Freiheit wofür? 


Guten Tag Herr Müller, (Name geändert)

wie ich einer Mitteilung des BfG (Bund für Geistesfreiheit) München entnehme, suchen Sie Gleichgesinnte für die Gründung eines Bezirksverbandes des BfG im Rhein-Neckar Raum.

Meine Frage hierzu ist: Warum heutzutage 'für Geistesfreiheit', und nicht 'für verantwortliche Menschlichkeit'? Ein freier Geist ist in jedem Menschen von Natur aus angelegt. "Denken ist allen erlaubt, doch vielen bleibt es erspart", sagte Curt Goetz. Um nun möglichst wenig jenen ausgeliefert zu sein, denen das Denken erspart blieb, erscheint es mir sinnvoll, für eine Orientierung einzutreten, die nicht nur freies Denken zum Ziel hat, sondern gleichzeitig allgemeingültige ethische Maßstäbe für eine menschenwürdige Lebensgestaltung anbietet.

Was unserer Gesellschaft und in der Welt fehlt, das sind deutliche Alternativen zu den mystisch-religiösen und gewinnmaximierenden Orientierungen sowie zur ethischen Orientierungslosigkeit.

Befreiung, Aufklärung und Kritik sind immer wichtig. Mindestens ebenso wichtig ist es besonders heute, konkrete Maßstäbe aufzuzeigen, wofür wir unsere vorhandene Freiheit sinnvoll einsetzen können und müssen, wenn wir ganzheitlich, politisch und verantwortlich sein wollen.

Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit freundlich zu einem Besuch meiner Internet-Seite einladen und auf das Buch 'Wachstum an Menschlichkeit' aufmerksam machen (siehe Anhang).

Mit besten Grüßen
Rudolf Kuhr

30.09.04


Antwort

Sehr geehrter Herr Kuhr,

Ihrer Zielsetzung "verantwortliche Menschlichkeit" kann ich, wie auch Ihrer Abgrenzung gegen mystisch-religiöse und gewinnmaximierende Orientierungen, durchaus zustimmen. Daß ich mich entschlossen habe, einen Regionalverband des BfG zu gründen hängt einerseits damit zusammen, daß ich manche Profilierungsgefechte nicht nochmals austragen mag, so z.B. die Bedingung, keiner Konfession anzugehören. Die Tradition des BfG ist mir andererseits sympathisch, unter anderem auch wegen des entscheidenden Grundsatzes, daß Toleranz ihrerseits auf Grenzen trifft, wo Menschenrechte verletzt oder Prinzipien der Intoleranz vertreten werden. Dies ist in dieser Zeit eine bitter notwendige Einschränkung. damit nicht das Totschlagargument der Ausländerfeindlichkeit bemüht werden kann, wenn es um Religionskritik geht. Ich habe sie weder beim Ibka noch woanders gefunden.

Geistesfreiheit ist heute hart an der Kippe, wieder bedroht zu werden. Das Christentum wurde von seinen Gegnern daran gehindert, weiterhin sein Verbrechen am Geist und an Millionen von Leben auszuüben. Doch wer hindert den Islam? Wer würde es sich trauen, eine Oper über die "Satanischen Verse" zu schreiben, wo schon an die zehn Übersetzer bestialisch ermordet wurden? Die Geistesfreiheit als bedrohtes Gut zu sehen besteht aller Anlaß, von verantwortlicher Menschlichkeit erst gar nicht zu reden.
Insofern: Eins nach dem anderen, Ihnen und Ihrer Arbeit alles Gute und

die besten Grüße
Michael Müller

02.10.04


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Zentralrat der Konfessionslosen? 


Lieber Herr G.,

vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme zu meinem Leserbrief, den ich Ihnen übrigens nur deshalb als Kopie zusandte, weil ich Ihnen von meinen Gedanken Kenntnis geben wollte, bevor sie von der Redaktion gekürzt werden. Gleichzeitig wollte ich der Redaktion dies zu verstehen geben. Keineswegs erwarte ich von Ihnen, daß Sie die Unabhängigkeit der Zeitschrift gefährden. Falls ich einmal Ihre Hilfe in Anspruch nehmen wollte, würde ich Sie ausdrücklich darum ersuchen.

Zu Ihren (mit dem Winkel ">" gekennzeichneten) Gedanken möchte ich nachfolgend meine Anmerkungen im Sinne von 'These - Antithese - Synthese' hinzufügen.

>Persönlich möchte ich anmerken, dass Ihr "überkonfessioneller Rat zur wesentlichen Menschenbildung" wohl noch etwas schwieriger zu bewerkstelligen sein wird wie dieser Zentralrat, den es faktisch schon gibt in dieser Sichtungskommission, der aber, sobald er sich so nennen und sich eine Satzung gegen wollte, auseinanderfliegen würde an den von Ihnen ja auch gezeichneten Widersprüchen.

>Das mit dem Sich-Bekennen ist das eigentliche Problem, denn dies wollen unsere Säkularen nicht.

Das sehe ich auch so. Dennoch und gerade deshalb halte ich es für wichtig, unseren lieben Freunden hin und wieder ein paar Denkanstöße zuzumuten, man kann ja nie wissen... Und man sollte sich ja auch nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig machen.

>In Differenz (wie ich zu erkennen meine) zu ihnen meine ich nach wie vor Humanismus doppelt definieren zu müssen. Das allgemein vorherrschende Verständnis von Humanismus sieht diesen als Folge der Renaissance, als von Italien ausgehende demokratische und aufklärerische Kulturbewegung, deren Grundsätze sich in den Menschenrechten spiegeln, die in den Verfassungen Europas, Amerikas und schließlich den Vereinten Nationen ihren Niederschlag finden.

Ich kann Ihre Ansicht verstehen. Das allgemein vorherrschende Verständnis von Humanismus wird sich konkretisieren, je mehr wir uns mit unserer umfassenden und den Erfordernissen der Gesellschaft entsprechenden Auffassung verständlich machen. Das braucht eine unvoreingenommene Vorgehensweise, Selbstsicherheit und Ausdauer. Unser Verständnis von Humanismus als ethischer Orientierung wird stets aus den entsprechend verwendeten Kontexten deutlich und muß sich nicht unbedingt von anderen abgrenzen, wenn inhaltliche Übereinstimmungen bestehen. Ich denke, daß es besonders Aufgabe von bekennenden Humanisten sein sollte, stets das gesamtgesellschaftliche Interesse voranzustellen und einen Wandel durch Annäherung zu suchen.

>Eine engere Auffassung von Humanismus ist der soeben genannten inhärent. Sie spitzt den weltanschaulichen Kern von Humanismus zu, in dem sie fragt, ob sich Menschen selbst moralische Verfassungen geben, als Individuen, als Gesellschaften bzw. als Staaten oder ob Menschen diese Verfassungen von einem Gott oder einem höheren Prinzip ableiten bzw. darauf zurückführen.

Ich denke, daß ein konsequenter Humanismus im Zweifel nur einen agnostischen Standpunkt vertreten und im übrigen Natur, Psychologie und Soziologie zu Rate ziehen kann.

>Dieser Aspekt markiert übrigens die Quintessenz, warum einige freigeistige Verbände (wie der Humanistische Verband) sich "humanistisch" nennen und andere meinen, das sei ihnen zu weit gegriffen bzw. gar eine Anmaßung.

Eine Anmaßung wäre dann gegeben, wenn Humanisten sich als vollkommene und wertmäßig bessere Menschen sehen würden, wohingegen bekennende Humanisten lediglich konsequenter sich selbst in die Arbeit am Menschen mit einbeziehen (sollten!).

>Diese Differenz wurde Anfang der 1990er Jahre mit Gründung des Humanistischen Verbandes offenbar, weil dessen Anhänger und Mitglieder im Humanismus auch eigene individuelle Lebensanschauung und eine gemeinschaftlich geteilte Kultursicht auf Welt, Menschen, Natur und Gesellschaft sehen. Sie meinen, diese Weltanschauung der Autonomie auch organisatorisch ausdrücken und politisch vorzeigen zu müssen. Sie nehmen Humanismus auch als Bekenntnis, wenn man so will sogar als moderne "Konfession".

Das ist nicht nur zutreffend, sondern sogar sehr wichtig. Widersinnig dagegen wäre es, Konfessionslose oder -freie zusammen mit den Nichtchristen allein aufgrund ihrer Zahl als 3. Konfession zu bezeichnen.

>Aber der Humanismus kann nicht so tun, als käme jede Einsicht in seine Ansichten von selbst.

Das ist richtig, der Humanismus wird erst durch das "verkündete" Wort und das Bekenntnis erkennbar aber auch erst durch entsprechende Haltung und Handlung wirklich zum Sieg.

>Die Anhänger des Humanismus als einer Weltanschauung halten die Auffassung von Humanismus als Demokratie und Menschenrechte für einen historischen Sieg ihrer Sache, aber auch um einen nach wie vor umstrittenen Wertekonsens und einen politischen, also veränderbaren Kompromiss innerhalb säkularer Verfassungen. Sie meinen, dass es nötig ist, in der Tradition der Aufklärung, der freien Religiosität und der Freidenkerei weiter ein dezidiert weltliches Menschenbild zu vertreten, um Menschen eine positive Lebensperspektive zu geben, eine selbstbestimmte Wahl in den "letzten Antworten", also in existenziellen Situationen des Lebens und Sterbens, der Bildung und Erziehung, der Fragen von Krieg und Frieden usw.

Das ist richtig, wobei das klar und immer wieder aus den Inhalten des humanistischen Leitgedankens hervorgeht. Als Anlage sende ich Ihnen hierzu einen kurzen Text.

>Gerade die Religionswiederkehrdebatten um den Papsttod zeigen uns in der Hinterhand.

Die wir mehr als bisher mit den gleichen Karten ausspielen sollten.

>Als einen Irrtum sehe ich es an, einen Glaubensbegriff zu bemühen, der Religion unter "Rückbesinnung auf die ursprüngliche Bedeutung und eine konsequente, menschenorientierte Auslegung und Anwendung" fasst. Hubert Cancik, der die Entstehung des Religionsbegriff untersucht hat, meint, es sei eine freireligiöse Erfindung, Religion anders zu definieren als "sorgfältige Beachtung" der Regeln des Kultes.

Mag sein, daß letzteres die Absicht war, diesen Begriff zu verwenden. Vom Wort her bedeutet er m.E. Rückbindung, so daß ein Humanist seine geistige und gefühlsmäßige Rückbindung an das Weltganze sowie an das Ideal vom Menschentum bzw. an humanistische Werte durchaus als seine Religion bezeichnen kann und auch sollte.

Angesichts der religiösen Ereignisse der letzten Tage und den daraus offensichtlichen Bedürfnissen wäre es sicher nicht verkehrt, wenn wir Humanisten von unserer Seite entsprechende Kulte entwickelten, die zur sorgfältigen Beachtung von Regeln führten. Daß diese dann nicht wieder zur Droge, zum Selbstzweck, zum Mißbrauch und zum Ersatz für verantwortliche Menschlichkeit werden, dafür würde eine konsequente Anwendung der humanistischen Leitgedanken sorgen (siehe Anhang).

>Wie dem auch sei, wir werden uns bekennen müssen. Meine bisherigen Erfahrungen zum Thema "Was glaubt, wer nicht glaubt" sind sehr differenziert. Viele meinen, das führe zu einer neuen Kirche.

Wenn es denn eine konsequent humanistische Kirche würde, wäre selbst dies nicht das schlechteste.

Das Bekenntnis (Konfession) zu einer Rückbindung (Religion) an die Lehrmeinung (Dogma) von der naturgegebenen Bildungsfähigkeit des Menschen zu einem selbst- und mitverantwortlichen Gemeinschaftswesen, das ist ein vernünftiger, menschenwürdiger und orientierender Glaube (Credo), der als Menschentum (Humanismus) die wesentlichen ethischen Werte aller religiösen Glaubensrichtungen ohne entmündigendes Beiwerk zur eigenständigen Anwendung enthält.

Beste Grüße
Ihr
Rudolf Kuhr

Anlage:
Immunsytem


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Sehnsucht nach Geborgenheit - Rückkehr der Religion? 


Dies war das Thema der Zeitschrift 'Das Gespräch aus der Ferne - Vierteljahreshefte zu wesentlichen Lebensfragen unserer Zeit' II/05. Hierzu entstand der nachstehende Leserbrief für das darauf folgenden Heft:

Religion bedeutet Rückbindung, Rückbindung als existentielles Grundbedürfnis zur Überwindung des Gefühls individuellen Getrenntseins vom Weltganzen. Welche Rückbindung ist gemeint? Was nach unserem Empfinden zurückkehrt, das sind meist altbekannte Angebote an - weniger heilenden als lindernden aber auch süchtig machenden - geistigen Heilmitteln oder Drogen in Form von Religions-Systemen, die eine zunehmende Wahrnehmung des Verlustes an Geborgenheit verdrängen sollen, ohne die eigenen Selbstheilungskräfte bemühen zu müssen.

Die Fragwürdigkeit der alten Heilmittel bleibt hinter der unkonkreten Bezeichnung Religion verborgen. Es reicht meist, wenn sich jemand als religiös oder einen anderen als tief religiös bezeichnet. Als ob damit auch nur angedeutet würde woran sich jemand rückbinden oder gar tief rückbinden würde. Auch die Bezeichnung Religions-Kriege würde in der Übersetzung in Rückbindungs-Kriege deren inhaltliche Ungenauigkeit deutlich machen.

Das unter den Lebewesen allein den Menschen betreffende, mehr oder weniger bewußt werdende existentielle Getrenntsein erträglich zu gestalten kann als naturgegebene Aufgabe gesehen und angenommen werden. Je nach individueller und gesellschaftlicher Entwicklung enthält diese Aufgabe vielfältige Bereiche und Formen unter dem Sammelbegriff Menschenbildung mit dem Ziel des inneren Erwachsenwerdens und der Verinnerlichung einer ganzheitlichen Verbundenheit zur Mitwelt. Die frühkindliche Geborgenheit in einem gefühlten Urvertrauen muß mit zunehmender Bewußtheit durch eine realistische Wahrnehmung der Mitwelt und die daraus erworbene Erkenntnis eines Lebenssinns in ein Grundvertrauen umgewandelt werden, wenn eine annähernde, eigenständige Geborgenheit erreicht werden soll.

Habe ich Hinweise auf Erich Fromm im Heft übersehen? Er sagte u. a.: " Der Mensch echt religiöser Kulturen könnte vielleicht mit einem Kind von acht Jahren verglichen werden, das einen Vater als Retter braucht, das jedoch angefangen hat, die Lehren und Prinzipien des Vaters in sein Leben zu übernehmen. Der zeitgenössische Mensch ähnelt jedoch einem Kind von drei Jahren, das nach dem Vater ruft, wenn es ihn braucht, und sonst zufrieden ist, wenn es spielen kann." ('Die Kunst des Liebens') Insofern wäre als menschenwürdiges rückbindendes Heilmittel bestmöglich ein Bekenntnis zum Menschsein geeignet, weil es - bei konsequentem Bemühen um Anwendung - einerseits alle Möglichkeiten des wünschenswerten Wachstums an Menschlichkeit, und andererseits das Erfordernis zu größtmöglichem Schutz der Umwelt enthält.

Wenn der Begriff "Humanismus" schon besetzt ist, wie Dieter Dieterich schreibt, dann ist es für eine Neubesetzung höchste Zeit, weil er bisher keine umfassende, zur konkreten Anwendung führende Besetzung erfahren hat. Eine Rückbindung an den Humanismus als global verwendbare ethische Orientierung würde die wirtschaftliche Globalisierung gut ergänzen und damit vielleicht wieder zu etwas mehr Geborgenheit beitragen. Ich möchte hier an das Buch "Erich Fromm: Humanismus als reale Utopie - der Glaube an den Menschen" erinnern. (Info: www.humanistische-aktion.de/utopie.htm)

Hier noch einige Zitate zum Thema:

Zum Schillerjahr: "Welche Religion ich bekenne? Keine von allen, Die du mir nennst. - Und warum keine? - Aus Religion! (...) Wozu zwingt man die Menschen in bestimmte Religionssysteme, wenn sie nachher Jahrzehnte brauchen, um wieder davon loszukommen? (...) Man sollte sich zur heiligsten Pflicht machen, dem Kinde nicht zu früh einen Begriff von Gott beibringen zu wollen. Die Forderung muß von innen heraus geschehen, und jede Frage, die man beantwortet, ehe sie aufgeworfen ist, ist verwerflich. Das Kind hat vielleicht seine ganze Lebenszeit daran zu wenden, um jene irrigen Vorstellungen wieder zu verlieren." (Friedrich Schiller)

Wenn die Welt erst ehrlich genug sein wird, um Kindern vor dem 15. Jahre keinen Religionsunterricht zu erteilen, dann wird etwas von ihr zu hoffen sein. (Arthur Schopenhauer)

Ist denn so groß das Geheimnis, was Gott und die Welt und der Mensch sei? Nein, doch niemand hört's gerne - da bleibt es geheim. (Goethe)

Wir werden von den Eltern in eine religiöse Zwangsjacke gesteckt, werden getauft oder beschnitten und sollen im Glauben unserer Erzeuger großgezogen werden (...). Werden die Kinder groß und wollen nichts mehr mit Kirchen und religiösen Dingen zu tun haben - das im Geburtsregister eingetragene Stigma werden sie nicht mehr los! (Magnus Hirschfeld)

Besteht nun die heutige Religion in der Geldwerdung Gottes oder in der Gottwerdung des Geldes? (Heinrich Heine)

Nicht der hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern welcher keiner bedarf und wohl selbst eine machen könnte.

Friedrich Ernst Daniel Schleiermacher, Theologe (1768-1834)

Weitere einschlägige Zitate befinden sich unter: www.humanistische-aktion.de/zitate1.htm

Rudolf Kuhr

12.07.05


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Aktualisiert am 25.10.11