auch auf dieser Seite: 'Kant im Kindergarten' - ein Modellversuch - 'Kinder philosophieren im Wald' Literatur- und Adressen-Angaben zum Thema sowie der Aufsatz 'Kind und Gott'  

Philosophieren mit Kindern

Überforderung oder Sucht-Prävention?

Entwicklungs-Chance der Gesellschaft

Nie zuvor verfügte die Menschheit in den entwickelten Ländern über derartige Möglichkeiten zu einer sinnvollen Lebensgestaltung wie heute. Die technische Entwicklung schreitet noch immer unaufhaltsam fort. Ideologien und Heilslehren religiöser und weltlicher Art werden seit Jahrzehnten, Jahrhunderten und Jahrtausenden vermittelt, verinnerlicht und auch angewandt. Und trotzdem nimmt die Gewalt gegenüber Mensch und Natur immer noch zu. Fast alle gewaltsamen Konflikte sind religiös-konfessionell motiviert. Hinzu kommt die weltliche Ideologie des Ungerechtigkeit schaffenden und vergrößernden Geldsystems. Noch heute werden von Ölkonzernen christliche Missionare unterstützt, um Bohrrechte zu erschleichen. Hier werden mit Hilfe diesseitig und jenseitig orientierter Ideologien zugleich Menschen und Natur zerstört, von religiös-konfessionellen und technisch-wirtschaftlich, jedoch nicht menschlich gebildeten Menschen.

Vergleichsweise verhält sich die Menschheit wie ein Bakterienstamm, der sich solange vermehrt, bis seine Lebensgrundlagen zerstört sind. Ist das der Sinn einer Schöpfung? Ja, es wäre denkbar, und der Natur entsprechend, also natürlich, denn der Mensch ist und bleibt ein Teil der Natur. Es fragt sich nur, ob wir es als unserer Art würdig erachten, mit dem Verantwortungsbewußtsein  eines Bakterienstammes zu leben. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, die Bildung des Menschen mehr auf den Menschen selbst auszurichten, anstatt auf außerhalb seiner Person liegende Ziele. Das ist zwar unbequem, aber es wäre sinnvoll und not-wendig.

'Krise der Demokratie?' lautete der Themenvorschlag einer Zeitschrift an ihre Autoren. - Wie weit haben wir überhaupt eine Demokratie? Ist sie nicht noch immer mehr Theorie als Praxis? Demokratie heißt Volksherrschaft. Wie sieht es damit aus? Herrscht wirklich das Volk oder läßt es sich in Wirklichkeit nicht von wenigen führen, beherrschen und ausbeuten? Wenn ein Teil des Volkes alle vier Jahre einigen Menschen die Vollmacht gibt, für sie zu handeln, ist das schon Demokratie? Im Grunde unterscheidet sich unsere Gesellschaft mehr von der Form als vom Inhalt her vom Feudalsystem. Wie frei und selbstbestimmt kann heute die Masse der Erwerbstätigen leben?

Die Zunahme der Forderung nach Volksabstimmungen ist ein Zeichen für das Erwachen eines verstärkten demokratischen Bewußtseins. Die Ergebnisse solcher Abstimmungen sind mitunter bereits von der Teilnahme her enttäuschend. - Was nützen die schönsten Rechte, wenn sie nicht ausreichend wahrgenommen werden? Gesetze und Freiheiten bedeuten wenig, wenn es an den nötigen Fähigkeiten fehlt, sie zu nutzen. Eine Krise der Demokratie ist also eher eine Krise der Demokratie-Fähigkeit oder der Mündigkeit ihrer Bürger. Diese Krise kann man beschreiben, bestätigen, beklagen oder auch beseitigen helfen.

Eine von vielen Möglichkeiten ist das Philosophieren mit Kindern.

Es gibt eine Phase in der Entwicklung des Menschen, in der die Wahrnehmung der eigenen Unfähigkeiten noch nicht als bedrohlich empfunden wird, und das ist die Kindheit. Hier besteht noch die Chance einer heilen Entwicklung, wenn darauf verzichtet würde, aus Bequemlichkeit geistige Heilmittel in Form von religiösen und anderen seelischen Drogen zu verabreichen und stattdessen die Bildung von körpereigenen Sicherheiten und Abwehrkräften zu fördern. Ein solcher Weg zur Entfaltung innerer Stabilität und inneren Friedens als Voraussetzung äußeren Friedens wäre das Philosophieren mit Kindern. Hier bestünde die Möglichkeit, Kindern die nach internationalem Menschenrecht zustehende freie Entfaltung der Persönlichkeit zu ermöglichen, anstatt sie frühzeitig nach den - immer doch in erster Linie egoistischen - Wünschen der bequemen und meist einseitig festgelegten Erwachsenen zu konditionieren.

Seit etlichen Jahren schon betreiben Fachleute aus den Bereichen der Pädagogik im In- und Ausland das Philosophieren mit Kindern bereits ab dem Grundschulalter. Inzwischen gibt es hierzu umfangreiche Literatur sowie entsprechende Seminare und Kurse für Pädagogen und Eltern. Dies ist jedoch in der Öffentlichkeit bisher kaum bekannt. - Aber: Kann und soll schon mit Kindern Philosophie betrieben werden? Überfordert man sie damit nicht? Ist Philosophie nicht eher etwas für Erwachsene oder zumindest für Jugendliche? Selbst der Weltbestseller 'Sofies Welt', der in vergnüglicher Weise die Geschichte der Philosophie erzählt, wendet sich nach Angaben des Autors Jostein Gaarder an Erwachsene ab 14 Jahren.

Es kommt wohl sehr darauf an, was unter Philosophie verstanden und wie sie angewendet wird. Vom Begriff her heißt Philosophie (griech. philosophia) so viel wie Liebe zur Weisheit oder Freund der Einsicht (von griech. philia, Liebe - oder philos, Freund -, und sophia, Tüchtigkeit, Einsicht, Weisheit). Eine allgemein anerkannte Definition des Wortes Philosophie gibt es nicht. Philosophie läßt sich einerseits als Lehre oder Theorie, andererseits als die besondere Lebensweise oder Tätigkeit des Philosophierenden auffassen.

Was Philosophie für Philosophen selbst bedeutet, wird von diesen in verschiedenster Weise bestimmt. Nach Heraklit ist sie das Forschen nach der Natur der Dinge, nach Platon die Erkenntnis des Seienden oder des Ewigen und Unvergänglichen, nach Aristoteles die Untersuchung der Ursache und Prinzipien der Dinge. Die Stoiker beschreiben die Philosophie als das Streben nach theoretischer und praktischer Tüchtigkeit, die Epikureer als das Vermögen, durch Vernunft glücklich zu werden. Für den Philosophen Christian Wolff ist sie die Wissenschaft aller möglichen Dinge, wie und warum sie möglich sind. Im Mittelalter wird die Philosophie - als Alternative zur Theologie - zur Weltweisheit, deren Organ das natürliche Licht der Vernunft ist, während jene ihre höheren Wahrheiten durch Offenbarung erlangt. Das wahre Buch der Philosophie ist nach Galileo Galilei das Buch der Natur, das stets aufgeschlagen vor uns liegt.

Da die Philosophie - wie auch andere Gebiete, z.B. Religion und Kunst - viel zu oft von Fachleuten und von Laien zum Selbstzweck gemacht wird, das heißt zum Broterwerb, zur Unterhaltung oder auch zur Droge, anstatt sie auszuüben (Der Philosoph ist ein Mensch, der nicht glauben will, was er sieht, weil er zu sehr damit beschäftigt ist, darüber nachzudenken, was er nicht sieht.  Bernard Fontenelle), sei hier noch einmal an den eigentlichen Zweck derselben erinnert, nämlich an die Liebe zur Weisheit: Nicht im abstrakten Wissen, sondern in der richtigen und tiefen anschaulichen Auffassung der Welt liegt die Quelle wahrer Weisheit. ... Weisheit ist die vollendete, richtige Erkenntnis der Dinge, im ganzen und allgemeinen, die den Menschen so völlig durchdrungen hat, daß sie nun auch in seinem Handeln hervortritt, indem sie sein Tun überall leitet, so Arthur Schopenhauer. Weisheit, theoretisch betrachtet, ist die Erkenntnis des höchsten Gutes und praktisch die Angemessenheit des Willens zum höchsten Gut (Kant). Im Gegensatz zur Klugheit läßt sich die Weisheit in ihren Zwecken von hohen weiten Ideen bestimmen, nicht durch die äußeren Umstände und die Forderungen des Augenblicks; im Gegensatz zur Torheit wählt sie zur Erreichung ihrer Zwecke die geeigneten Mittel.

Der Weg zur Weisheit, wenn er gesichert und nicht ungangbar oder irreleitend sein soll, muß bei uns Menschen unvermeidlich durch die Wissenschaft gehen, so Immanuel Kant, wobei er wohl nicht unbedingt die professionelle Wissenschaft meinte, denn er sagte sehr pragmatisch: Man kann keine Philosophie, wohl aber philosophieren lernen.  Diese Aussage kennzeichnet Wesentliches und eröffnet das Verständnis für das Philosophieren mit Kindern. - Heute kommt es in Anbetracht zunehmender Information mehr denn je darauf an, selbständig zu denken und zu hinterfragen, anstatt bereits Gedachtes auswendig zu lernen, denn es fällt uns immer schwerer, das inzwischen erreichte, in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß vorhandene kollektive Wissens und Können sinnvoll und verantwortlich anzuwenden.

Albert Schweitzer sagte einmal: Wahrhaftigkeit ist das Fundament des geistigen Lebens. Durch seine Geringschätzung des Denkens hat unser Geschlecht den Sinn für Wahrhaftigkeit und mit ihm auch den für Wahrheit verloren. Darum ist ihm nur dadurch zu helfen, daß man es wieder auf den Weg des Denkens bringt. Es wird unbegreiflich bleiben, daß unser durch Errungenschaften des Wissens und Könnens so groß gewordenes Geschlecht so herunterkommen konnte, auf das Denken zu verzichten.

Die Philosophie gab den Zusammenhang mit dem im Menschen natürlich vorhandenen Suchen nach Weltanschauung preis und wurde zu einer Wissenschaft von der Geschichte der Philosophie. Das geistige und materielle Elend, dem sich unsere Menschheit durch den Verzicht auf das Denken und die aus dem Denken kommenden Ideale ausliefert, stelle ich mir in seiner ganzen Größe vor. Als unverlierbaren Kinderglauben habe ich mir den an die Wahrheit bewahrt.

Ich bin der Zuversicht, daß der aus Wahrheit kommende Geist stärker ist als die Macht der Verhältnisse. Finde ich Menschen, die sich gegen den Geist der Gedankenlosigkeit auflehnen und als Persönlichkeiten lauter und tief genug sind, daß die Ideale ethischen Fortschritts als Kraft von ihnen ausgehen können, so hebt ein Wirken des Geistes an, das vermögend ist, eine neue Gesittung in der Menschheit hervorzubringen.

Weil ich an die Kraft des Geistes und der Wahrheit vertraue, glaube ich an die Zukunft der Menschheit.

In unserer Zeit zunehmender Krisen durch menschliches Versagen, einer allgemeinen Desorientierung und Orientierungslosigkeit und einem immer deutlicher werdenden Verlust an Menschlichkeit erscheint es sinnvoll und not-wendig, mehr als bisher eine innere Stabilisierung des Menschen zu fördern und neben dem obligaten Wirtschaftswachstum auch ein Wachstum an Menschlichkeit anzustreben. Hierzu könnte das Philosophieren mit Kindern ganz sicher grundlegend beitragen. Es könnte dazu beitragen, den durch die Medien unterstützten gesellschaftlichen Einfluß zur Ablenkung vom Wesentlichen, zur Entfremdung von sich selbst und von der Natur durch immer mehr Konsum, Mobilität, Action und Unterhaltung zu verringern.

Friedrich von Schiller sagte sinngemäß: Es ist nicht draußen, da sucht es der Tor. Es ist in dir, du bringst es ewig hervor. - Es kann gar nicht früh genug damit begonnen werden, diese Erkenntnis von der Bedeutung innerer Werte und Fähigkeiten in den Kindern entstehen zu lassen, doch leider wird dies bisher weitgehend versäumt. Kinder werden in den verschiedensten Bereichen immer wieder angehalten, sich vorwiegend nach außen zu orientieren und an das Bestehende anzupassen, statt ihre Eigenständigkeit und Kreativität zu fördern. Zu diesem Problem hat Albert Einstein gesagt: Was uns der Erfindergeist der Menschen in den letzten hundert Jahren geschenkt hat, vermöchte das Leben sorglos und glücklich zu gestalten, wenn die organisatorische Entwicklung mit der technischen hätte Schritt halten können. So aber nimmt sich das mühsam Errungene in der Hand unserer Generation aus wie ein Rasiermesser in der Hand eines dreijährigen Kindes. Der Besitz von wunderbaren Produktionsmitteln brachte nicht Freiheit, sondern Sorge und Hunger. ... Der Widerstand gegen den unbedingt notwendigen Fortschritt liegt in unglücklichen Traditionen der Völker, die durch den Erziehungsapparat wie eine Erbkrankheit von Generation zu Generation fortgeschleppt werden. - Karl Jaspers meinte: Es ist, als ob wir mit den Jahren in das Gefängnis von Konventionen und Meinungen, der Verdeckungen und Unbefragtheiten eintreten, wobei wir die Unbefangenheit des Kindes verlieren.

Der Naturwissenschaftler H.J. Campbell äußerte: ... einer der Wege, die zum w a h r e n Menschsein führen, besteht in dem Bemühen, aus der Anerkennung der Wahrheit Lust zu schöpfen anstatt aus dem Glauben an schöne, aber falsche Vorstellungen. Man muß sich von Vorurteilen, seien sie nun idealistischer oder religiöser Art, zu seinem eigenen Wohle, zum Wohle unserer Kinder und zum Wohle unserer Mitmenschen befreien. ... Religiöse Richtlinien des Handelns, Anweisungen, wie die besondere Form menschlichen Verhaltens aussehen muß, sind alle als Gewißheiten formuliert und den verschiedensten Offenbarungen entnommen - heiligen Schriften, Visionen und Wundern. Die Frage nach der Richtigkeit erhebt sich, im Gegensatz zur Wissenschaft, nicht, und es wird keine Bestätigung durch Beobachtung und Tatsachenvergleich verlangt. ... Es ist ja wohl tatsächlich so, daß die überwiegende Mehrzahl der Christen Kinder von Christen sind, und dasselbe gilt für die Anhänger anderer Religionen, für Juden, Moslems, Hindus, Buddhisten und sogar für die "Unterabteilungen" der Religionen, für Katholiken, Protestanten, Anglikaner, Mormonen, die Zeugen Jehovas, Baptisten und alle anderen. Es ist der unumstößliche Beweis dafür, daß fast alle Gläubigen die religiösen Ansichten übernommen haben, die ihnen ihre Eltern und die von ihren Eltern ausgewählten Priester beibrachten. Bei so vielen zur Auswahl stehenden Religionssystemen würde genau der entgegengesetzte Effekt zu erwarten sein, wenn sich jeder einzelne mit Hilfe seiner eigenen Vernunft für eine der Religionen entschiede. Die unaufhörlichen Wiederholungen der verkündeten "Wahrheiten", die ständigen Behauptungen, der Glaube sei ein gerechtfertigter Ersatz für Wissen, die wiederholten Aufforderungen zur Buße und die Drohungen mit schrecklicher Vergeltung auf Erden oder nach dem Tode, die fortwährende Betonung der Feindseligkeit gegenüber anderen Glaubenssystemen: Das alles kennzeichnet den langsamen Prozeß der Einpflanzung von Glaubensmeinungen, der gewöhnlich als Gehirnwäsche bezeichnet wird.

Indem wir Kinder frühzeitig dazu anhalten, selbständig zu denken, Sachverhalte zu beurteilen und Entscheidungen zu treffen, können wir durchaus einen wichtigen Beitrag zur Prävention bezüglich materieller und auch geistiger Drogen sowie physischer und psychischer Gewalt leisten. Mit einem für Kinder erarbeiteten Zugang zum Philosophieren ergibt sich die große Chance, von der Basis her mehr Echtheit, Identität und innere Stabilität in den heranwachsenden Menschen entstehen zu lassen, um dadurch mehr Gerechtigkeit, Frieden und Menschlichkeit in unserer Gesellschaft und Verbundenheit zur Natur zu entwickeln.

Das Zurückbleiben der traditionellen Konfessionen hinter der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung und das daraus resultierende Defizit an innerer Stabilisierung der Menschen ist ein wesentlicher Grund für den verstärkten Erfolg von Sekten, esoterischen und okkulten Gruppierungen. Es wäre zu wünschen, daß sich nach einer allgemeinen Einführung des Philosophierens mit Kindern bald auch andere wichtige Einzelwissenschaften wie Psychologie und Soziologie für Kinder öffnen würden. Das würde nicht nur für die hier behandelte neue Zielgruppe nützlich sein, sondern könnte auch den Wissenschaftlern selbst dabei helfen, sich nicht zu sehr auf die Symptombehandlung (Krankheiten, Konflikte) zu konzentrieren und in ihrem Elfenbeinturm zu verlieren. Jeder, der sich für seine Mitwelt mitverantwortlich fühlt, kann auf seine Weise dazu beitragen, durch entsprechendes Bekanntmachen, Anregen und Unterstützen des Philosophierens mit Kindern ein Wachstum an Menschlichkeit in unserer Gesellschaft zu fördern.

Rudolf Kuhr

 

Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und keiner
ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?

 
Kurt Marti

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in dem Handbuch 'Wachstum an Menschlichkeit - Humanismus als Grundlage' siehe Info.

Weitere Themen Kinder / Erziehung 


 
Humanistische AKTION
10/1995,2

Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt Dialog sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe
und Belegexemplar erwünscht. Kürzungen und Änderungen nach Absprache möglich.
 


Kant im Kindergarten

Ein Modellversuch für philosophische Werteerziehung
Von Christiane Mayer

Das Projekt "Kinder philosophieren", das derzeit an 15 bayrischen Schulen und Kindergärten erprobt wird, will das eigenständige Nachdenken von Kindern fördern. Auf spielerische Weise soll ein grundlegendes Verständnis für Werte vermittelt werden.

"Kant hat gesagt: Jedes Kind sollte selbst denken und
nicht einfach das machen, was die anderen machen."
Angelika Brummer, Kindergärtnerin

In der Mitte des Raumes stehen verschiedene Blumen. "Warum haben Blumen Namen?", fragt die Kindergärtnerin in die Runde. "Um sie auseinander halten zu können", sagt ein Mädchen und ein Junge ergänzt: "Wir haben ja auch Namen". Zunächst mag diese Gesprächsrunde im Kindergarten Hörlkofen in Wörth, einem der Modellstandorte des Projekts "Kinder philosophieren", ganz alltäglich wirken. Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich: Hier besprechen die Kinder gerade eine grundlegende philosophische Frage: "Warum haben Dinge einen Namen?".

Philosophie als Kulturtechnik

Das im Jahr 2003 ins Leben gerufenene Projekt "Kinder philosophieren" hat sich nicht zur Aufgabe gemacht, Kindern die akademische Philosophie oder irgendwelche abstrakte Begriffe zu lehren. Philosophieren wird vielmehr als eine Kulturtechnik oder auch als ein Erziehungsprinzip verstanden, das an die spontanen Erkenntnisinteressen von Kindern anknüpft. Das Philosophieren in diesem Sinne kann ihre Neugierde stärken und Kinder zu eigenständigem Nachdenken anleiten.

Konkret bedeutet das: Spielerisch unterstützen Lehrer und Erzieher die Kinder, ihre Fragen und Probleme zu formulieren. In der Gruppe diskutieren sie dann die Argumente und versuchen gemeinsam, eine plausible Antwort zu finden. Auf diese Weise können die Kinder lernen, Standpunkte zu analysieren und selbstbewusst eine Meinung zu vertreten.

Grundwerte neu beleben

Initiatoren des Projekts "Kinder philosophieren" sind Karlfriedrich Herb, Philosophieprofessor in Regensburg, und Roswitha Wiesheu, Diplom-Volkswirtin und Erwachsenenpädagogin. Ein Projekt-Team unter der wissenschaftlichen Leitung von Professor Herb erarbeitet Methoden und Anregungen für das Philosophieren mit Kindern. Zugleich werden Fortbildungsseminare und Kongresse veranstaltet und die praktische Umsetzung an den Modellstandorten begleitet. Derzeit läuft das Projekt "Kinder philosophieren" an insgesamt 15 bayrischen Kindergärten, Schulen und Horten.

Ein zentrales Anliegen des Projekts ist es Roswitha Wiesheu zufolge, "die Einsicht in die Notwendigkeit der Grundwerte einer Gesellschaft wie Solidarität, Toleranz oder gegenseitigen Respekt neu zu beleben". Dabei geht es weniger darum, einen Wertekanon zu vermitteln, als ein Verständnis dafür beim Spiel in der Gruppe selbst zu entwickeln. "Werte sollen in der philosophischen Auseinandersetzung erst wieder gefunden und im kontinuierlichen Einüben verinnerlicht werden."

Die Person hinter dem Namen

Wie Erkenntnisinteresse und Werteerziehung zusammenhängen, verdeutlicht die Gesprächsrunde im Kindergarten Hörlkofen. Denn in der Frage nach den Namen steckt ja zugleich die Frage nach dem Individuum und der Unaustauschbarkeit der Person. Personalität wiederum ist ein Schüsselbegriff für moralische Werte wie Verantwortung und Menschenwürde.

Auf diesem Wege lernen die Kinder, warum ein Wert ein Wert ist. Moralisches und verantwortliches Verhalten wird somit nicht nur eingeübt. Die Kinder haben vielmehr die Möglichkeit, Werte eigenständig zu erschließen und kognitiv nachzuvollziehen.

© ZDF 2006 Sendung 'Sonntags' 22.01.2006 - www.zdf.de/ZDFde/inhalt/14/0,1872,3722318,00.html

Adresse: Akademie Kinder philosophieren, 85354 Freising - www.kinder-philosophieren.de

 

Die Neugierde der Kinder ist der Wissensdurst nach Erkenntnis,
darum sollte man diese in ihnen fördern und ermutigen.

 
John Locke

 


Kinder philosophieren im Wald

Im Rahmen der Woche des Waldes 2007
 
Von Günter Dobler

Die Bayer. Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft betreut den Forstlichen Versuchsgarten Grafrath und nutzt ihn seit zwei Jahren verstärkt auch für die Forstliche Bildungsarbeit. Dabei setzt sie auf Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Günstige Umstände, die es u. a. erlauben, pädagogische Konzepte auszuprobieren, die das klassische Waldpädagogikangebot um Komponenten im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung ergänzen könnten. "Kinder philosophieren" ist solch ein Konzept. Seine Stärken liegen in der Förderung der Kommunikationsfähigkeit und des selbständigen Nachdenkens über Werte, Einstellungen und Lebensstile.

Im Rahmen der Woche des Waldes 2007 entstand eine Kooperation mit der "Akademie Kinder philosophieren" in Freising (www.kinder-philosophieren.de). In jeweils ca. zweistündigen Veranstaltungen wurde Waldpädagogik mit "Kinder philosophieren" kombiniert. Am Sonntag, dem 18.06.2007, konnten interessierte Kinder zwischen acht und zwölf Jahren entweder bei Aktivitäten zum Thema "Sinn und Sinne" oder "Was ist wertvoll?" mitmachen. Es fanden sich jeweils sieben bis acht Kinder für jede Themenstellung. Die Gruppen waren also relativ klein, die Kinder aber unterschiedlichen Alters. Am Tag darauf waren 22 Vorschulkinder des Grafrather Waldorf-Kindergartens zu Gast. Sie philosophierten gemeinsam zum Thema "Sinn und Sinne". Die Veranstaltung konnte dadurch zusätzlich an einer recht jungen und großen, aber altershomogenen Gruppe getestet werden. Die Waldpädagogik-Aktivitäten (Adlerhorstbau, Mitgebsel) wurden vom Forstpersonal, die philosophische Gesprächsrunde durch Personal der Akademie angeleitet. Bei allen Aktivitäten wurden die Gespräche mit einem Diktiergerät aufgezeichnet.

Ablauf

An ruhigen Plätzen, etwas abseits der Wege, bauten die Kinder zunächst einen Adlerhorst, der dann als Philosophierplatz diente. Nach einer Vorstellungsrunde, legten die Kinder selbst die Gesprächsregeln fest. Bei der Themenstellung "Was ist wertvoll?" unternahmen die Kindern zunächst eine angeleitete Fantasiereise, durch die sie versuchen konnten, sich in das Dasein eines Baumes einzufühlen. Danach schwärmten die Kinder erneut aus, um Naturobjekte zu suchen, die ihnen besonders wertvoll erschienen, um sie dann im Adlerhorst den anderen vorzustellen. Im Anschluss entspann sich eine Diskussion, warum etwas wertvoll sein könnte. In der "Sinn und Sinne"-Variante schlossen die Kinder die Augen und erhielten von der Leiterin verschiedene Naturobjekte in die Hände gelegt, die sie mit ihren Sinnen erforschten. Danach wurden die Objekte mehrmals reihum weiter gegeben, um an einem weiteren Gegenstand Erfahrungen zu machen. Über Fragen gab die Leiterin Impulse zur intensiveren Wahrnehmung. Nach einem Austausch über die dabei gemachten Erfahrungen, entwickelte sich ein Gespräch, das bald grundsätzlichere Fragestellungen berührte. Am Ende der Veranstaltung durften die Kinder zur Erinnerung ihre gefundenen "Schätze" bzw. besonderen "Wahrnehmungsobjekte" in einem Säckchen mit nach Hause nehmen.

Erfahrungen

Der Aufbau eines "Adlerhorstes" zum Einstieg hat sich bewährt. Die Kinder müssen zusammenarbeiten und lernen sich kennen. Am Ende steht das positive Erlebnis eines gemeinsamen Werkes und ein geschützter Raum für das Philosophieren.

Wenn Kinder philosophieren ist es wichtig, konkrete Elemente einzubinden, da rein abstraktes Denken noch schwer fällt. Was sonst üblicherweise z. B. durch das Malen von Bildern oder Erzählen von Geschichten erreicht wird, wurde hier über die Naturobjekte geleistet.

Die Kinder kommen nicht nur beim Nestbau mit Naturmaterialien in Berührung, sondern diese liefern auch den "Aufhänger" für die anschließende Gesprächsrunde, entweder als Sinnesobjekt oder als gefundener Schatz. Die Fantasiereise zum Baum-Erleben, die Interpretation von Naturobjekten als Schätze und die Waldumgebung haben einen starken Einfluss auf das philosophische Gespräch, da entsprechende Assoziation geweckt werden und die Kinder vor allem Beispiele aus der Natur heranziehen.

Das Gespräch wird von der Leiterin unterstützt, keinesfalls dominiert. Wichtigstes Ziel ist es die Kinder zum selbständigen Denken anzuregen. Das bedeutet auch, dass die Leiterin keine Bewertung hinsichtlich falsch oder richtig vornimmt. Sie unterstützt, indem sie nachfragt, zusammenfasst, Ansichten gegenüberstellt, den Gesprächsfaden wieder aufnimmt oder auf Widersprüche hinweist. Die Kinder merken sehr bald, dass ihre Ansichten ernst genommen werden und sind konzentriert bei der Sache, auch die sehr lästigen Mücken konnten sie nicht wirklich ablenken.

Kleine und altershomogene Gruppen sind günstiger, um alle Kinder am Gespräch beteiligen zu können. Sind die Kinder unterschiedlichen Alters, besteht die Gefahr, dass die älteren den Gesprächsverlauf dominieren. Bei den Vorschulkindern am Montag gelang es aufgrund der Gruppengröße nicht, alle 22 Kinder in die Diskussion einzubinden.

"Kinder philosophieren" lässt sich auch auf andere Weise mit Waldpädagogik verbinden. Im Rahmen einer Waldführung könnten spontan grundlegende Fragen auftauchen, die dann gemeinsam erörtert werden. Wichtig ist, solch eine günstige Gelegenheit zu erkennen und zu nutzen. Ansatzpunkt könnte auch ein dargestelltes Dilemma sein, für das eine Lösung gefunden werden muss, z. B.: Soll hier ein Abenteuerspielplatz entstehen oder soll der Wald mit seinen Tieren stehen bleiben?

Als Fazit lässt sich festhalten, dass es in den Veranstaltungen gelang, positive Naturerfahrung mit dem Nachdenken über grundlegende Fragestellungen und Zusammenhänge zu kombinieren und damit die Stärken von Waldpädagogik und "Kinder philosophieren" zu verbinden. Durch das "Kinder philosophieren" erhält der Waldpädagoge ein Instrument, mit dem er Kompetenzen gezielt fördern kann, die von einer Bildung für nachhaltige Entwicklung gefordert werden, aber in üblichen Waldführungen bisher oft noch zu kurz kommen.

_______________________________________________ 
Günter Dobler, LWF, SG 4.1 Wissenstransfer und Waldpädagogik,
siehe auch: Dobler, G., 2007: Sophies Wald oder: Selber denken macht schlau! Kinderphilosophie kann Waldpädagogik ergänzen.
LWFaktuell Nr. 56, S. 50 - 52, Download unter http://www.lwf.bayern.de/veroeffentlichungen/lwf-aktuell/56-19.php


 
Hüte dich vor dem Menschen,
dessen Gott im Himmel ist!

George Bernard Shaw  

KIND UND GOTT

Unser siebenjähriger Enkel überraschte meine Frau und mich eines Tages mit dem Satz: "Jesus war ein ganz besonderer Mensch - er konnte übers Wasser gehen, konnte Teufel austreiben, mit 12 Broten 5000 Menschen satt machen und sogar Tote wieder zum Leben erwecken." Nach kurzer Pause fügte er hinzu: "Und wer das nicht glaubt, der ist kein normaler Mensch."

Überrascht waren wir aus mehreren Gründen. Wir hatten den Jungen bisher als einen handfesten kleinen Realisten kennengelernt, der zugleich freilich auch seine Märchenphase mit recht eigenwilligen Gestalten seiner Fantasie ausgefüllt hatte. Zudem paßte der Nachsatz gar nicht in die Familie unseres Sohnes, in der weitherzige Duldsamkeit gepflegt wird. Als Quelle dieses Ausspruches konnte den Umständen nach nur die Schule in Betracht kommen. Wir ließen die Sache erst einmal auf sich beruhen - und das um so mehr, als wir den Eindruck hatten, daß der Junge sich wohl eher von einer belastenden Erzählung befreien wollte, als einer eigenen Meinung Ausdruck geben. Wie recht wir daran taten, zeigte sich wenig später, als er die Frage stellte: "Du, Papa, wer ist eigentlich stärker - der starke Klas oder der liebe Gott?" Unser Sohn entgegnete darauf "Das weiß ich nicht - ich kenne sie beide nicht."

Angemerkt sei kurz, daß der "starke Klas" eine bekannte norddeutsche Sagengestalt ist; sie ist den Kindern vertraut und imponiert ihnen in den mannigfaltigen Abwandlungen ihres Auftretens. Den "starken Klas" in einem Atemzuge mit dem "lieben Gott" zu nennen, offenbart die ganze unbeschwerte Naivität, mit der unverbildete Kinder sich allen Fragen gegenüber verhalten - mögen diese nun von außen an sie herangetragen oder durch eigenes Sinnieren in ihnen wach werden.

Von Bedeutung scheint mir, daß der Vater durch seine Antwort dem Jungen in mehrfacher Weise geholfen hat. Dadurch, daß er sein Nicht-Wissen in bestimmten Fragen offen ausgesprochen hat, hat er in seinem Sohn eine Ahnung dafür geweckt, daß nicht auf jede Frage immer und überall sofort auch eine Antwort möglich ist. Dann auch wird dem Jungen für später der Weg nicht verschlossen, von Zeit zu Zeit die Welt, die menschliche Gesellschaft und sich selbst zu hinterfragen und sich darum zu bemühen, sein Denken und Tun mit den natürlichen Lebenswirklichkeiten in Einklang zu bringen. Des weiteren hat die Antwort unseres Sohnes einen grundsätzlichen Denkanstoß gegeben und unserem Enkel damit den Weg eines Verhaltens gewiesen, das den Menschen zur Persönlichkeit werden läßt. Schließlich und endlich hat sie dem Jungen die Last des Satzes genommen "Wer das nicht glaubt, ist kein normaler Mensch".

Wie belastend glaubensmäßige Frühprägungen wirken können, das wird aus einer Begebenheit deutlich, deren Kenntnis ich einem Lehrer-Kollegen verdanke: Uli ist im zweiten Schuljahr - also ebenfalls ein Siebenjähriger. Zu Hause blättert er in seinem neuen "Gottesbüchlein für den Religionsunterricht". Auf der ersten Seite findet er das Brustbild eines alten Mannes mit weißem Haar und Bart. "Wer ist das?" fragt Uli seine Mutter. Sie antwortet: "Das ist Gott der Herr." Uli darauf: "Du meinst Herr Gott." Er spricht dies so aus, wie man von Herrn Müller, Frau Schulze und anderen Menschen spricht. Über die unterschiedliche Wortsetzung kommt es zwischen Mutter und Sohn zu einem lebhaften Disput, bei dem es dem Jungen immer wieder darum geht, Näheres über den Herrn Gott zu erfahren. So prasseln denn auf die einfache Frau Fragen ein wie diese: "Hat der Herr Gott auch eine Frau?" - "Wann hat der Herr Gott Geburtstag?" - "Wo wohnt der Herr Gott eigentlich?" - "Muß er sich auch die Haare schneiden lassen?". Die Mutter, bestürzt über soviel Realismus, gebietet dem Uli schließlich, seine "dumme Fragerei" zu unterlassen und das Büchlein wegzulegen. Der Junge läßt aber nicht locker. Er will auch noch wissen, ob der Maler den Herrn Gott denn gesehen habe. Verzweifelt und unwirsch antwortet die Mutter schließlich: "Gott ist unsichtbar - kein Mensch kann ihn sehen. Der Maler hat sich das nur so ausgedacht."

Diese Antwort stürzt Uli in größte Zweifel. Er sitzt und brütet über dem Bild. Plötzlich springt er auf, holt seinen Malkasten und übermalt das Bild so, daß nur noch schwarze Farbe zu sehen ist. Das wieder bringt am Abend den Vater in hellen Zorn. Und da Uli dem erbosten Vater gegenüber nicht gleich zu einer Erklärung fähig ist, setzt es Schläge. Als der Junge dann schließlich doch dazu kommt, unter Tränen sein Tun zu begründen mit dem Ausruf: "Unsichtbar hab ich den Herrn Gott machen wollen - unsichtbar!", da faßt der Vater, der die Vorgeschichte nicht kennt, dies als eine Verhöhnung auf und sperrt den kleinen Fragegeist kurzerhand in den Keller.

Beide Beispiele haben - bei aller Verschiedenheit der Situation - eines gemeinsam: beide beruhen auf der kindlichen Bereitschaft, den Erwachsenen Vertrauen entgegenzubringen; in beiden Fällen möchten die gleichaltrigen Jungen wissen, wie die Wirklichkeit beschaffen ist. Uli vertraut der mütterlichen Aussage über die Unsichtbarkeit eines Gottes und löst den Widerspruch zum Religionsbuch dadurch, daß er das Bild des Herrn Gott unkenntlich macht. Dies wiederum beschwört den Zorn des Vaters herauf, und Ulis Streben, in seiner geistigen Welt Ordnung zu schaffen, bringt ihm Strafe ein. Wird künftig sein Erkenntnisdrang nun stärker sein als seine Vertrauensbereitschaft? Und wie soll er es verkraften, daß er für beides gestraft wurde?

Unser Enkel wurde durch die väterliche Antwort von einer dogmatisch verhärteten Vorstellung befreit, und es wurde ihm zugleich der Weg für weiteres Fragen geöffnet. Beide Jungen erfuhren eine Frühprägung. Den Uli stürzt sie in eine Wirrnis widerstrebender Empfindungen selbst geprägt von unkritisch übernommenen Lehren, reagieren seine Eltern mit Hilflosigkeit und Zorn. Und wer wollte sich wundern, wenn Uli später den tieferen Lebensfragen gegenüber gleichgültig wird oder aber die Welt der Erwachsenen so, wie sie sich ihm gezeigt hat, ablehnt und ihr wohl gar aggressiv gegenübertritt? Der andere dagegen macht die Erfahrung, daß Fragen-Dürfen selbst dann noch weiter-bringt, wenn Antworten nicht ohne weiteres möglich sind. So bleibt er offen und gewinnt allmählich die Kraft, seine Fragen immer gründlicher zu stellen und selbst auch nach möglichen Antworten zu suchen.

Bei allen Frühprägungen in Elternhaus, Kindergarten und Schule - ganz gleich, ob es sich dabei um geschlechtliche, um geistige oder um religiöse Fragen handelt - immer sollte leiblicher und seelischer Zwang ausgeschaltet sein. Positiv heißt dies, dem kindlich-jungen Menschen nicht nur liebevolle Zuwendung, Hilfe und Anerkennung zuteil werden zu lassen, sondern ihm auch soviel Eigenverantwortung zu übertragen, wie nur irgend möglich. So allein kann sich geistiges, überhaupt existentielles Selbstvertrauen in ihm entfalten, mit dem er später sein Leben zu erfüllen vermag.

Fritz Hermann

Wehe dem, der ein Kind in Furcht erzieht,
und wenn es die Furcht Gottes wäre!
Denn er schändet unabsehbare Menschengeschlechter.

Walther Rathenau

aus 'Homo Humanus - Beiträge zum Bild des Menschen und der Welt' 6/1979, S.22 


 
Ausgewählte Literatur zum Thema "Philosophieren mit Kindern"

Bencivenga, Ermanno: Spiele mit der Philosophie - Ein philosophisches Praktikum. Freese, Berlin 1993, 272 S., DM 38,--

Brüning, Barbara: Philosophieren mit sechs- bis achtjährigen Kindern in der außerschulischen Erziehung. Diss. Hbg. 1985

Brüning, Barbara: Mit dem Kompaß durch das Labyrinth der Welt - Wie Kinder wichtigen Lebensfragen auf die Spur kommen. Leibniz-Bücherwarte, Bad Münder 1990, Fr. 25.--

Brüning, Barbara/Heiland, Imke: Fredericks Traum mit Elternhandbüchlein, Hamburg 1989, für ca. 4-l0jährige): Fr. 16.80

Brüning, Barbara: Nicki sucht das Ende des Himmels (auch in Französisch), Hamburg 1993 (ab ca. 10 Jahren): Fr. 13.80

Camhy, D. (Hg.): Wenn Kinder philosophieren. Graz 1990

Daurer, Doris: Staunen Zweifeln Betroffensein; Mit Kindern philosophieren; Beltz, Weinheim 1999, DM 20,--

Fay, M: Brauchen Kinder Religion? - Wie Eltern die Fragen nach dem Sinn des Lebens beantworten. Kabel 1994

Freese, Hans-Ludwig: Kinder sind Philosophen - Darstellung der Kinderphilosophie; Beltz, Weinheim 1989, 176 S., DM 29,80

Freese, Hans-Ludwig (Hg.): Gedankenreisen - Philosophische Texte für Jugendliche und Neugierige, Rowohlt Hamburg 1990. Thematisch geordnete Auswahl, Z. T. schon in der Mittelstufe einsetzbar, Fr. 15.90

Freese, H.-L: Abenteuer im Kopf - Philosophische Gedankenexperimente. Beltz, Weinheim 1995, 316 S., DM 36,--

Friedländer, S: Kant für Kinder - Fragelehrbuch zum sittlichen Unterricht. Hannover 1924

Glatzel, M. und Martens, E. (Hg.): Philosophieren im Unterricht 5 - 10. München 1982

Hoesle, Vittorio/K., Nora: Das Café der toten Philosophen - Ein philosophischer Briefwechsel für Kinder und Erwachsene; C.H.Beck, Mchn 1996, 256 S., DM 34,--

Horster D: Philosophieren mit Kindern. Opladen 1992

Horster, D. u.a.: Philosophieren mit Kindern. In: Ethik und Sozialwissenschaften (EuS), 1993, H.3

Kähler, J.u.Nordhofen, S: Geschichten zum Philosophieren. 1994, Reclam 15033

Klosinski, G. (Hg.): Religion als Chance und Risiko - Entwicklungsfördernde und -hemmende Aspekte religiöser Erziehung. Bern 1994

Köhler, B. u. Schreier, H: Philosophie in der Grundschule, in: Z. f. Didaktik der Philosophie. H.3., 1982

Lipman, Matthew: Harry Stottlemeiers Entdeckung der Logik. Wien 1990 (ab 11 J.): Fr. 22.40

ausführliches Lehrerhandbuch mit Anleitungen dazu. (Übers. von D. Camhy) Hölder-Pichler-Tempsky Wien 1990, Fr. 44.60

Lipman, Matthew: Pixie. (gleiche Ubersetzerin) Wien 1986, Fr. 17.00

- für Mittelstufe und aufgeweckte Kleinere (oder neugierige Erwachsene,) ebenfalls mit ausführlichem Handbuch: Fr. 26.00

Martens, Ekkehard: Sich im Denken Orientieren - Philosophische Anfangsschritte mit Kindern. Schroedel, Hannover 1990, Fr. 19.90

Martens, Ekkehard: Philosophieren mit Kindern - Eine Einführung in die Philosophie. Reclam Verlag 2004, broschiert - 220 Seiten, 5,40 Euro

Martens, Ekkehard u. Schreier, Helmut (Hg.): Philosophieren mit Schulkindern - Philosophie und Ethik in Grundschule und Sekundarstufe I. Dieck, Heinsberg 1994, 256 S., DM 48,--

Matthews, Gareth B.: Denkproben - Philosophische Ideen jüngerer Kinder. Freese Berlin 1991, 144 S. DM 25.--

Matthews, Gareth B.: Philosophische Gespräche mit Kindern. Freese-Verlag Berlin 1989, 158 S., DM 25,--

Matthews, Gareth B.: Die Philosophie der Kindheit. Beltz, Weinheim 1996, 200 S. DM 32,--

Murris, K.: Teaching Philosophy with Picture Books. London 1992

Oberthür, R: Kinderfragen - Kindergedanken - Gedichte, Geschichten und Bilder zum Nachdenken und Staunen. Aachen 1991

Plickat, B: Kleine Schule des philos. Fragens. Reclam 15028

Reed, Ronald: Kinder möchten mit uns sprechen, Verlag für Kinder und Eltern Hamburg 1990, Fr. 15.80

Reed, Ronald/ Heiland, Imke: Rebeccas Gedanken mit Elternhandbüchlein; Hamburg 1986, (für ca. 5-l2jährige) Fr. 18.80

Schultze, F.O.: Philosophie in der Volksschule, Z. f. päd. Ps. u. exp. Pädagogik, 25. Jg. 1924, S. 388-394 u. 418-424

Schreier, Helmut: Himmel, Erde und ich - Geschichten zum Nachdenken über den Sinn des Lebens, den Wert der Dinge und die Erkenntnis der Welt. (ab ca. 10 J.), Dieck, Heinsberg 1993, 159 S., DM 28,--

Schreier, Helmut: Über das Philosophieren mit Geschichten für Kinder und Jugendliche. Begleitbuch.zu "Himmel, Erde und ich", Dieck, Heinsberg 1993, 66 S., DM 18,--

Staatsinst. f. Schulpädagogik...: Erfahren, Staunen, Begreifen - Handr. f. eine tiefere Sicht d. Wirklichk. i. Unt. d. GS. München 1990

Wilson, J.: Begriffsanalyse. Reclam 9580

Zoller, Eva: Die kleinen Philosophen - Vom Umgang mit "schwierigen" Kinderfragen. pro juventute 1994, 2. Aufl. Eine praktische Hilfe für Eltern und LehrerInnen: FR. 24.80

Zoller, Eva: Philosophieren lernen und lehren in der Volksschule, (Lizentiatsarbeit) Basel 1987. Umfassende Darstellung der Kinderphilosophie und Anhang mit Lehrmittel-Auszügen und weiteren Literaturangaben. Fr. 43.00

Zoller, Eva: Sälber dänke macht schlau! Lebenskundliche Unterrichtsvorschläge für die Oberstufe. Pestalozzianum, Zürich 1989. Auch für Primarlehrerlnnen zur eigenen Vorbereitung oder für andere neugierige Erwachsene Fr. 15.--Dazu sind Texte nötig aus den folgenden Reclamheftchen: E. Martens: Das Wahrheitsgebot - Muss man immer die Wahrheit sagen? Arbeitstexte für Oberstufen-Unterricht, Reclam Nr.9579, Stuttgart 1983: Fr. 3.50

Thematische Textsammlungen für die Sekundarstufe II mit Arbeitsanleitungen, z.B.:

Philosophieren anfangen - Was ist der Mensch? - Was sollen wir tun? - Wohin mit der Religion? - Richtig oder falsch? - Was heisst Glück? usw. Schroedel, Hannover, div. Preise, ca. Fr. 25.--

Weitere Arbeitsmaterialien:

Jostein Gaarder: Sofies Welt, Hanser München 1993. Äusserst unterhaltsamer Roman über die Geschichte der Philosophie, "für Erwachsene ab 14 Jahren": Fr. 41.--

Fernando Savater: Tu, was du willst - Ethik für die Erwachsenen von morgen, Campus Frankfurt a.M. 1993. Über die Kunst des Lebens und den Umgang mit Freiheit, von einem Vater für seinen jugendlichen Sohn erzählt: Fr. 27.--

Schülerduden: Die Philosophie, Dudenverlag 1985: Fr. 23.80

Für Erwachsene zum Einsteigen ins Philosophieren eignen sich z.B.:

Weischedel, Wilhelm: Die philosophische Hintertreppe - 34 große Philosophen in Alltag und Denken, DTV 1119: Fr. 13.90

Luciano DeCrescenzo: Geschichte der griechischen Philosophie - (DTB 21912) Die Vorsokratiker - (DTB 21913) Von Sokrates bis Plotin, Diogenes-Verlag Zürich 1990, je Fr. 15.90

Jaspers, Karl: Einführung in die Philosophie 12 Radiovorträge, Serie Piper Nr. 13 (TB) Fr. 13.80

Atlas zur Philosophie - Tafeln und Texte; dtv, Fr. 19.80

Zeitschriften:

1. Zeitschrift für Didaktik der Philosophie, (Sonderhefte zum Thema Kinderphilosophie, 1984 und 1991)

2. Thinking - The Journal of Philosophy for Children

3. Analytic Teaching

4. "Info Kinderphilosophie" der Österr. Gesellschaft für Kinderphilosophie


Philosophieren mit Kindern

Fachleute - Einrichtungen - Angebote

Bretschneider, Dr.Dr. Jan, Brändströmstr. 80, 07749 Jena, Friedrich-Schiller-Universität Jena, AG Didaktik der Biologie zum Philosophieren mit Kindern u. Jugendlichen: Fortbildung für LehrerInnen; Gesprächsleitung

Brüning, Dr. Barbara, Langenjären 20, A 22339 Hamburg

Camhy, Dr. Daniela, Schmiedgasse 12, A-8010 Graz, Öst.Ges.f.KinderPhilosophie: Info- u.Dokustelle, Seminare, Zeitschrift

Freese, Prof. Dr. Hans-Ludwig, Arnimallee 10, 14195 Berlin, Freie Universität Berlin: Philosophische Gesprächsrunden m.Kindern; Lehrveranstaltungen zum Thema im Rahmen der Lehrerbildung; Information und Beratung

Horster, Prof. Dr. Detlef, Harnischstr. 9, 30163 Hannover

Martens, Prof. Dr. Ekkehard, Von-Melle-Park 8, 20146 Hamburg, Universität Hamburg

Schreier, Prof. Dr. Helmut, Von-Melle-Park 8, 20146 Hamburg, Universität Hamburg: Seminare für Lehrer

Zoller, Eva, Kirchrain 295, CH-8479 Altikon, s'Käuzli: Info- u.Dokustelle, Seminare

Stand: 8/1997

neu: Akademie Kinder philosophieren, 85354 Freising - www.kinder-philosophieren.de (viele aktuelle Links!)

Umfangreiche Philosophie-Links mit Schwerpunkt: Philosophieren mit Jugendlichen, außerakademisches Philosophieren, Philosophie-Portale, Textsammlungen: www.philopage.de

 

Die Philosophie zur Sache der Menschheit zu machen, das war mein erstes Bestreben. Aber wer einmal diesen Weg einschlägt, kommt notwendig zuletzt dahin, den Menschen zur Sache der Philosophie zu machen und die Philosophie selbst aufzuheben; denn sie wird nur dadurch Sache der Menschheit, daß sie eben aufhört, Philosophie zu sein.
 
Ludwig Feuerbach, Philosoph (1804-1872)

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www.humanistische-aktion.de/kindphil.htm 

Aktualisiert am 24.01.10