Was ist Kunst?Eine Betrachtung mit Zitaten
von Rudolf Kuhr Obwohl Kunst eigentlich etwas ganz Selbstverständliches ist, was uns im Leben begleitet, so entsteht im konkreten Fall doch immer wieder mal ein Zweifel, ob nun etwas Kunst sei oder nicht. Das gilt nicht nur für moderne Kunst, sondern beispielsweise auch für manche sogenannte sakrale, bei der meist ein anerzogenes religiöses Tabu daran hindert, gegebenenfalls auch von Kitsch zu sprechen. Derselbe Engel auf einer Jahrmarkts-Orgel wird zum Beispiel von vielen ganz anders empfunden werden als in einer Kirche. Deutlich wird die Schwierigkeit einer bewußten Beurteilung von Kunst angesichts der großen Spannweite, wie sie zwischen den Begriffen 'künstlerisch' und 'künstlich' besteht. In Wörterbüchern ist zu lesen: Kunst ist ein zur Meisterschaft entwickeltes Können. Oder: Kunst ist die schöpferische Tätigkeit der Natur im Menschen. Sie entspringt einem Grundtrieb des Menschen und ist seit Urzeiten eines seiner wichtigsten Ausdrucksmittel. Der erste Satz dürfte angesichts dessen, was heute mitunter als Kunst gilt, kaum noch zutreffen, es sei denn, man bewertete auch die Werke von Kleinkindern als solche meisterlichen Könnens. - Im weitesten Sinne ist Kunst wohl alles, was vom Menschen geschaffen wurde und keinem bestimmten praktischen Zweck dient, im Gegensatz beispielsweise zu Dingen wie Kunststoff, Kunstharz, Kunsthonig und ähnlichem, wo sich der Begriff auf die künstliche Erzeugung von Nutzungsgütern bezieht und nicht auf künstlerische Schöpfungen. Zwischen diesen beiden grundsätzlich verschiedenen Seiten von Kunst gibt es noch viele Begriffe für Misch- und Sonderformen einer Kunst wie Kunsthandwerk, Kunstgewerbe, Kunsthandel, Kriegskunst, Kunstfehler und dergleichen mehr. Es gibt auch eine langjährige Fernsehsendung 'Kunst & Krempel', in der alte Gegenstände von Kunstsachverständigen verschiedener Gebiete, mit Hilfe ihres Fachwissen und auch von entsprechenden Katalogen auf Herkunft, Alter und Erhaltungszustand untersucht und auf ihren Kunst- und Handelswert eingeschätzt werden. Wonach ist Kunst zu bewerten? Kunst im ideellen Sinne dient an erster Stelle dem Künstler selber. Er folgt in seinem Schaffen einem - von Freud und auch Leid beeinflußten - inneren Trieb, (der auch süchtig machen und ihn an seiner menschlichen und sozialen Entwicklung hindern kann). Der Künstler erhält allein schon durch sein künstlerisches Tun mehr oder weniger Befriedigung. Weitere Befriedigung erhält er durch Anerkennung seiner Leistung durch andere Menschen mittels deren Beachtung, Bewunderung und Bezahlung. Letzteres war für viele großer Künstler der Vergangenheit lebensnotwendig. Deshalb ist auch nicht sicher, ob manche als große Kunst geltende Meisterwerke inhaltlich auch der inneren Überzeugung des Künstlers oder eher dem Geschmack bzw. dem Verwendungszweck des Auftraggebers entsprechen. Kunst dient an zweiter Stelle der Gesellschaft, indem sie etwas verdeutlichen kann; sie kann bilden aber auch - beispielsweise im Dienste religiöser oder politischer Machtentfaltung - ver-bilden; sie kann von Wichtigem und Wesentlichem ablenken, zu Einseitigkeit verführen, zur Spekulation benutzt und auch - besonders für Sammler - zum Suchtobjekt werden. Eine gesellschaftlich bedeutende Erscheinung ist hier auch noch erwähnenswert: Ein Künstler, der erst einmal - von wem und warum auch immer - in der Öffentlichkeit genügend bekannt gemacht wurde, der kann tun und schaffen was er will, es wird von vielen bewundert werden. Picasso soll am 2.Mai 1952 in Madrid eine Rede gehalten haben, in der er sagte: "Seit die Kunst nicht mehr die Nahrung der Besten ist, kann der Künstler seine Talente für alle Wandlungen und Launen seiner Phantasie verwenden. Alle Wege stehen einem intellektuellen Scharlatanismus offen. Das Volk findet in der Kunst weder Trost noch Erhebung. Aber die Raffinierten, die Reichen, die Nichtstuer und die Effekthascher suchen in ihr Neuheit, Seltsamkeit, Originalität, Verstiegenheit und Anstößigkeit. Seit dem Kubismus, ja schon früher, habe ich selbst alle diese Kritiker mit zahllosen Scherzen zufriedengestellt, die mir einfielen und die sie um so mehr bewunderten, je weniger sie ihnen verständlich waren. Durch diese Spielereien, diese Rätsel und Arabesken habe ich mich schnell berühmt gemacht. Und der Ruhm bedeutet für den Künstler: Verkauf, Vermögen, Reichtum. Ich bin heute nicht nur berühmt, sondern auch reich. Wenn ich aber allein mit mir bin, kann ich mich nicht als Künstler betrachten im großen Sinne des Wortes. Große Maler waren Giotto, Tizian, Rembrandt und Goya. Ich bin nur ein Spaßmacher, der seine Zeit verstanden hat und alles, was er konnte, herausgeholt hat aus der Dummheit, der Lüsternheit und Eitelkeit seiner Zeitgenossen." Ob er es tatsächlich gesagt oder nicht, das ist im Grunde unerheblich. Der Inhalt dieser Aussage könnte auch vielen anderen Künstlern zugeschrieben werden, er schmälert weder das Ansehen des Künstlers, noch den Wert der Werke für Liebhaber oder Händler. Dem Unsicheren aber kann er Denkanstöße geben und so oder so zu seiner eigenen Meinungsbildung beitragen und darum geht es vor allem. Kunst ist - aus humanistischer Sicht - für den Menschen da, nicht umgekehrt. Um etwas mehr Klarheit auf diesem, sehr von subjektiven und fachlich klassifizierenden Maßstäben abhängenden Gebiet zu gewinnen, könnte zunächst einmal vereinfachend gesagt werden: Kunst, ob abbildende, ob Musik, Dichtung oder Theater, ist für weniger intellektuell ausgebildete Menschen schön, wenn sie hauptsächlich das Gefühl anspricht, mit abstrakter Kunst werden sie sich kaum anfreunden. Modernisten werden diese gefühlsbetonte Kunst eher als Kitsch empfinden, ihnen gefällt Kunst, die überwiegend den Verstand anspricht, sie brauchen keine konkreten Formen und im Extremfall sogar nur noch die Partitur der Musik. Es gibt also keine objektiven Maßstäbe für den Wert der Kunst. Für Menschen, deren Gefühl und Verstand gleichermaßen ausgebildet sind, wird eine Kunst als schön empfunden werden, die Gefühl und Verstand in gleicher Weise anspricht. Kunst ist, was man sich nicht erklären kann, sagen Spötter. Kunst kommt von können, sagen manche. Kunst kommt von künden, sagen andere. Können hängt zusammen mit Leistung, diese wieder mit Talent und/oder Übung. Künden tut die Kunst von dem Talent, der Bildung und inneren Verfassung des Künstlers und/oder von seiner Absicht. Weil Kunst so beliebig interpretierbar ist, finden sich - wie auch in der Religion - immer wieder Menschen, die ihren Nutzen aus dieser geheimnisvollen Vieldeutigkeit ziehen, indem sie ihre persönlichen Interpretationen den - größtenteils in ihrer eigenen Beurteilung unsicheren - Menschen anbieten. "Wohl nichts auf der Welt muß mehr unsinnige Bemerkungen über sich ergehen lassen, wie ein Gemälde in einer Galerie", sagte Edmond de Goncourt. Sowohl in der Kunst, als auch in der Religion erinnert das Verhalten vieler Menschen oft an das Märchen 'Des Kaisers neue Kleider'. Insofern bleibt letztlich hier wie dort das eigene Urteil des Einzelnen für ihn selbst entscheidend. Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, sagte Kant. In Bezug auf die Kunst wäre dem hinzuzufügen: Stehe zu deinem Gefühl, auch wenn es nicht mit dem der Allgemeinheit übereinstimmt. Kunst ist ein frei gestaltbares, bewertbares und vielseitig verwendbares Medium, zur individuellen und gesellschaftlichen Unterhaltung und Selbstdarstellung sowie zur ideellen und materiellen Bereicherung. Je nach dem Zweck einer Einschätzung und Bewertung kann ein ganzheitliches Einbeziehen dieser gegensätzlichen Merkmale zu einer annähernd gerechten und sinnvollen Beurteilung von Kunst verhelfen. Dies erscheint heute besonders wichtig, da oft und gern ein emsiger Kunstbetrieb im Namen von Kultur gefeiert und meist mit Steuergeldern gefördert wird. Genau so wenig aber wie das hingebungsvolle Zelebrieren religiöser Rituale schon zu echter Religion führt, bringt die vielfältige Beschäftigung mit Kunst bereits Kultur. Kunst ist und bleibt ein frei verfügbares Medium für Menschen verschiedenster Art. Einige Zitate zum Thema Johann Wolfgang von Goethe:
Hermann Hesse:
Leander Haußmann, angesprochen auf den gesellschaftlichen Stellenwert seiner Arbeit:
Theodor W. Adorno:
Ephraim Kishon, Schriftsteller, gegenüber dem ORF:
Hans-Horst Skupy:
Paul Klee:
Johann Nestroy:
Karl Valentin:
Pablo Picasso:
Friedrich von Schiller:
Joseph Beuys:
unbekannt:
Kunst aus ökologischer Sicht:
Jean-Jacques Rousseau:
Seneca:
Bruno H. Bürgel: Die Kunst des Lebens besteht darin, die kleinen Freuden überhaupt zu sehen, zu finden und zu empfinden.
Bei der Kunst des Lebens ist der Mensch sowohl
der Künstler als auch der Gegenstand * Novalis: Mensch werden ist eine Kunst. * hierzu ergänzend: Sehen und Gestalten
Humanistische AKTION 7/1996,10
Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt
Dialog sowie unveränderter Nachdruck bei Quellenangabe
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Aktualisiert am 02.11.09