Projekt Identitätsbildende Maßnahmen

Im Rahmen der Menschenbildung der Humanistischen AKTION

 
Werkstatt Europa   -   Fragen-Katalog zur Identität

Versöhnung lernen

 Die drei Ich's des Menschen

Glaube und Identität

Alternative zum Dekalog

Briefwechsel zum Thema Identität

Identität - finden und verwirklichen

 

Werkstatt Europa

anstatt Krisenherd Balkan

 
Die letzten Ereignisse auf dem Balkan geben Anlaß zur Erforschung der Ursachen von Konflikten in Dauer- Krisengebieten. Wem die Menschenwürde wirklich wichtig ist, dem müßte es unter seiner Würde sein, vom 'Haus Europa' zu sprechen und in einem Teil dieses Hauses Brandstifter immer wieder zündeln zu lassen, ohne etwas dagegen zu tun. Es wird deshalb nötig sein, mehr als bisher die tieferen, die im einzelnen Menschen liegenden Ursachen zu erforschen, um hier in Europa - und möglichst auch anderswo - frühzeitiger als bisher helfen und vor allem Hilfe zur Selbsthilfe anbieten zu können. Um zu dieser Forschungsarbeit und für deren Anwendung die erforderlichen Kenntnisse zu erlangen ist die Einbeziehung der eigenen Person von großer Wichtigkeit. Erst wenn wir über Wissen von der Struktur unserer eigenen Identität verfügen, werden wir den eigentlichen Ursachen von Konflikten wie denen auf dem Balkan auf die Spur kommen und so nachhaltigere Hilfe leisten können. Eine reale Vision wäre, das humanitäre Dauer-Krisengebiet Balkan als 'Werkstatt Europa' zu sehen und zu deklarieren, in der auch Menschen aus den friedlicheren Gebieten etwas lernen könnten, nämlich Verantwortungsbewußtsein für die krisenanfälligeren Mitbewohner des 'Hauses Europa' sowie Einfühlung in deren Verhältnisse, um nicht erst wieder mit Gewalt eingreifen zu müssen. Bomben als Mittel gegen humanitäre Verbrechen sind grundsätzlich unter der Würde einer Kulturnation, nicht nur im Goethe-Jahr.

Kriegsgeschrei          

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen,
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, im Kosovo,
Die Völker aufeinanderschlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried' und Friedenszeiten.

Johann Wolfgang von Goethe
(Faust, Der Tragödie erster Teil, Vor dem Tor)

Was hat sich seit Goethe verändert? - Nun, wir sehen Bilder vom Kriegsgeschehen auch im Fernsehen. Gut - und wir raten zu Verhandlungen, spenden viel Geld, vielleicht sogar Waffen (als landwirtschaftliche Maschinen deklariert?). Einige helfen auch direkt. Aber sonst? - Nach den Ursachen fragt auch heute noch kaum einer. Und so wird wohl der nächste Konflikt auf dem Balkan zu erwarten sein. - Als ob wir seit Goethe nichts dazugelernt hätten. Dabei hat sich auf den Gebieten Soziologie und Psychologie sehr viel getan. Warum wird davon kein Gebrauch gemacht, um Konflikten rechtzeitig vorzubeugen?

Bereits der Zeitgenosse Goethes Georg Christoph Lichtenberg bemerkte: Ich habe Leute gekannt von schwerer Gelehrsamkeit, in deren Kopf die wichtigsten Sätze zu Tausenden selbst in guter Ordnung beysammen lagen, aber ich weiß nicht, wie es zuging, ob die Begriffe lauter Männchen oder lauter Weibchen waren, es kam nichts heraus. In einem Winkel ihres Kopfes lag Schwefel, im anderen Kohlenstaub, im dritten Salpeter genug, aber das Pulver hatten sie nicht erfunden.

Heute haben wir auf der einen Seite lauter Spezial-Wissenschaftler und auf der anderen lauter Politiker, aber Möglichkeiten zur rechtzeitigen Vorbeugung von Konflikten haben sie nicht gefunden. Selbst die reichlich vorhandenen Friedens-Organisationen werden erst dann aktiv, wenn sie gegen etwas kämpfen können, gegen eine Macht oder gegen einen bereits ausgebrochenen Konflikt. Und unsere wichtigsten (indirekten) Erzieher unserer Gesellschaft, die Medien? Sie beschränken sich auf die Unterhaltung mit Berichten über die Symptome der Versäumnisse und beschränken sich in ihrer Einfallslosigkeit auf Spendenaufrufe, anstatt ihren Konsumenten Beispiele zu zeigen, wie diese selbständig mit den vorhandenen modernen Kommunikationsmitteln wie Internet und Fax zu den Angehörigen der betroffenen Länder im In- und Ausland Kontakt aufnehmen können, um einerseits Unterstützung zu geben und andererseits bei Regierungen, Botschaften und Konsulaten rechtzeitig zu protestieren. Von den Kirchen ist schon gar nichts mehr zu erwarten, diese sind mit ihrer Selbsterhaltung beschäftigt und verkünden im Fernsehen als letzte Möglichkeit gegen Gewalt lediglich das Beten.

Woran fehlt es? Es fehlt wohl an ganzheitlichem Bewußtsein und an Verantwortungsbereitschaft oder -fähigkeit. Das eine ist vom anderen abhängig. Es wird zwar vermehrt von Globalisierung gesprochen, aber es fehlt an der Erkenntnis der bereits bestehenden Globalität. Es fehlt an dem Bewußtsein und dem Gefühl, als Individuum ein Teil des Ganzen zu sein, für sich selbst voll- und für die übrige Mit-Welt mit-verantwortlich zu sein. Wie zu Goethes Zeiten gibt es heute noch immer keine Bildung, die zu einer globalen Identität führt. Noch immer werden Kinder zu religiösem und ethnischem Separatismus erzogen anstatt zur globalen, verantwortlichen Menschlichkeit. Die humanitären Katastrophen auf dem Balkan, in Nordirland, in Israel/Palästina und anderswo sind Folgen einer solchen Erziehung.
 

Wir werden von den Eltern in eine religiöse Zwangsjacke gesteckt, werden getauft oder beschnitten und sollen im Glauben unserer Erzeuger großgezogen werden (...). Werden die Kinder groß und wollen nichts mehr mit Kirchen und religiösen Dingen zu tun haben - das im Geburtsregister eingetragene Stigma werden sie nicht mehr los!
Magnus Hirschfeld

Es fehlt an Erkenntnis von Zusammenhängen zwischen Separatismus, Selbsttäuschung bezüglich scheinbarer Sicherheit aber tatsächlichen Konfliktpotentials auf der einen Seite, und auf der anderen Seite an Erkenntnis von Zusammenhängen zwischen materiellem Wohlstand und menschlicher Verpflichtung gegenüber Konfliktgebieten. Globalisierung darf sich nicht nur auf Wirtschaft und Technik beschränken, wenn der Frieden erhalten bzw. wiederhergestellt werden soll. Heute braucht es eine Globalisierung ethischer Standards, um Menschenrechte friedlich zu verwirklichen und nicht mit Gewalt durchsetzten zu müssen. Ein grundlegend wichtiger Standard hierzu ist die menschliche Identität. Diese Identität als Grundlage von individueller und gesellschaftlicher Stabilität gilt es zu erkennen, zu bilden und zu sichern. Dazu bedarf es entsprechender geistiger Orientierungen, der Bereitschaft zur Arbeit an der eigenen Persönlichkeit und Fähigkeiten zur Kommunikation. Die höchste Bildung in unserem Lande darf nicht länger die Vermögensbildung sein. Menschenbildung ist angesagt.

Das Problem des Menschen ist der Mensch - und seine Lösung.

Wenn Krisen-Regionen langfristig stabilisiert werden sollen, dann brauchen diese nach den Experten zum Aufbau von Wirtschaft, Verwaltung, Medien und Infrastruktur letztlich auch Experten zur Stabilisierung der menschlichen Strukturen, zum Aufbau und Ausbau einer konfliktfähigen Identität. Hierzu wird es nötig sein, ergänzend zu den bisherigen tradierten - religiösen und ethnischen - Orientierungspunkten die bereits naturgemäß gegebenen übergeordneten globalen ethischen Orientierungen wiederholt ins Bewußtsein zu bringen. Den Menschen kann eine Wahlmöglichkeit aufgezeigt werden. Sie haben die Möglichkeit, ihre Kinder wie bisher beispielsweise zu Serben und Albanern sowie zu orthodoxen Christen und Moslems einerseits, oder andererseits vorzugsweise zu Europäern und Humanisten zu erziehen. Die Aussicht auf die Möglichkeit, daß die nachfolgenden Generationen sich nicht wieder gegenseitig vertreiben, ausplündern, foltern, vergewaltigen und morden, dürfte es als sinnvoll erscheinen lassen, den Versuch einer geistigen Neu-Orientierung zu wagen. Der Verzicht oder das Zurückstellen liebgewordener oder auch nur anerzogener, separierender Traditionen zugunsten friedensversprechender Orientierungen erscheint mir dringend not-wendig zu sein. Ich hoffe, daß sich Menschen finden, die sich mit diesen Gedanken befassen und entsprechende Konzepte entwickeln. Ich stehe mit meinen Möglichkeiten zu einer Zusammenarbeit zur Verfügung.

Rudolf Kuhr


Humanistische AKTION

6/1999,3 


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Projekt Identitäts-bildende Maßnahmen 

 
Anlaß für dieses Projekt ist die Erkenntnis, daß Krisen ihre Ursachen im Menschen haben und die Behandlung der Symptome von Krisen keine nachhaltige Vorbeugung ist. In Berichten über Konflikte wie in Palästina, Nordirland und kürzlich erst wieder auf dem Balkan wird von Politikern, von den Medien und auch von den Friedensforschern kaum jemals nach den Ursachen gefragt. Ganz selten fällt mal der Begriff Identität. Dann aber auch meist mehr als entschuldigende Begründung für das gewalttätige Verhalten von Menschengruppen. Um es verkürzt zu verdeutlichen: Wenn z.B. in Palästina fromme Juden die Ölbäume ihrer arabischen Landsleute verbrennen und sie von ihren Feldern vertreiben, dann wird ersteren gern die Religion als Teil ihrer Identität zugebilligt. Wenn in Nordirland Anhänger des Oranierordens den historischen Sieg ihrer Vorfahren mit jährlichen Märschen durch Gebiete der Besiegten provozierend feiern, dann ist dies ein Teil ihrer Identität. Wenn Serben die Niederlage ihrer Vorfahren auf dem Amselfeld nicht anerkennen können, dann wird der Besitzanspruch auf dieses Gebiet als Teil ihrer Identität angesehen. Die Ursachen von Konflikten scheinen also in bestimmten Punkten der Identität zu liegen.

Warum wird die Beschaffenheit der Identität nicht näher untersucht? Vermutlich weil wir selbst so wenig über die Bestandteile unserer eigenen Identität wissen. Forscherdrang oder Neugier des Menschen sind im allgemeinen nach außen gerichtet, im Extremfall bis hin zur Erforschung des Entstehens von Galaxien, 100 Millionen Lichtjahre entfernt, unter Aufwendung immenser Mittel wie beispielsweise für ein Weltraum-Teleskop für 2 Milliarden Dollar. Die eigene Person wird tragischerweise um so weniger in die Erforschung mit einbezogen, je weniger diese in sich selbst gefestigt ist. So besteht eine allgemein verbreitete innere Spaltung der Individuen zwischen dem überaus reichhaltigen Wissen über die Mitwelt und dem äußerst dürftigen Wissen von sich selbst, die mit zunehmender Intellektualität eher noch größer wird. Selbst jene, die mehr ganzheitliches Denken und Handeln fordern, meinen nur in äußerst seltenen Fällen damit auch sich selbst. So beschränkt sich die sogenannte 'Innere Sicherheit' auf die innerstaatliche und läßt die eigentlichen Ursachen von Konflikten - die persönliche innere Unsicherheit der Bürger - weitgehend unbeachtet. Mangels Wissens über die eigene Identität sind die Motive des eigenen Handelns und des Handelns von Politikern und der von ihnen geführten Bürger undurchschaubar und krisenanfällig. Wer nicht länger zuschauen und lediglich Symptome behandeln und behandelt wissen will, der ist aufgerufen, das Thema Identität in die öffentliche Diskussion zu bringen und sich selbst mit einzubeziehen, um aus eigener Erfahrung mitfühlen und mitreden zu können.

Hauptbestandteil des Projektes ist die Erstellung von Arbeitsmaterialien für mögliche identitätsbildende Maßnahmen in Krisengebieten. Dazu wird zunächst ein Fragen-Katalog mit Identitäts-Kriterien entworfen und von den am Projekt Beteiligten und Interessierten getestet. Die Befragung bedeutet für die Testpersonen einen Selbstversuch zur Überprüfung ihres Selbstverständnisses und ihrer Authentizität und ist gleichzeitig eine Möglichkeit zur Stabilisierung der eigenen Identität und ihrer persönlichen inneren Sicherheit als wesentliche Grundlage der gesellschaftlichen und ökologischen Stabilität. Die Arbeit an diesem Projekt schafft einen Einblick in die Vielfalt der Bestandteile einer Identität und ermöglicht eine Bestimmung von friedensgefährdenden und von unabdingbaren Kriterien für internationale Standards zu einer globalen Ethik.

Jedermensch ist eingeladen, an dem 'Projekt Identitäts-bildende Maßnahmen' mitzuwirken durch Beantworten der nachfolgenden Fragen, durch Anregungen zur inhaltlichen und förmlichen Verbesserung und zur Erweiterung des Fragebogens, durch Information anderer über das Projekt, durch Herstellen von Verbindungen zu kooperationsbereiten Einrichtungen.

 Fragen-Katalog zu Identitäts - Kriterien

Grundlage zur Erforschung und Stabilisierung der Identität ist ein ausführlicher Fragebogen, der alle nur möglichen Kriterien enthält. Um Selbsttäuschungen zu vermeiden ist es sinnvoll, alle Fragen schriftlich und eindeutig zu beantworten. Um eine möglichst wahrhaftige Selbsteinschätzung zu erreichen, ist es sinnvoll, die Fragen spontan zu beantworten und schwierige Fragen zunächst zu übergehen. So können Schwerpunkte für eine Nacharbeit und eine mögliche Um- und Neuorientierung im Zusammenhang mit der Beantwortung besser erkannt werden. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Stabilität einer Identität um so größer ist, je weniger Fragen unbeantwortet bleiben, und je mehr die Bereitschaft vorhanden ist, die Antworten offenzulegen.

Nachfolgend einige Beispiele von Kriterien, die zur Identitätsbildung beitragen und sich beliebig ergänzen und erweitern lassen: Familienname - Geburtsname - Vorname(n) - Titel - Alter - Geschlecht - Geburtsort - -Land - Nationalität - erlernte Haupt-Beruf(e) bzw. -Wünsche - derzeitige Erwerbs-Tätigkeit - Neben-Beruf(e) - Weltanschauung/Weltbild/Konfession - Konfessionswechsel - Gottesvorstellung - Glaube an vorgeburtliches Leben, an ein Leben nach dem Tod, an Astrologie, sonstiger Glaube - politische Orientierung - öffentliche, parteipolitische, gemeinnützige Ämter - eigene Veröffentlichungen - künstlerische, sportliche Tätigkeiten - Ideale - Objekt eines Stolzes - Identifikationen mit Dialekt, Nation, Sportverein, Besitz, Arbeitsstelle - Wertvorstellungen - Ziele - Vorbilder - Lebenssinn - Motive ...

Es wäre nun herauszufinden: Welche Antworten auf Fragen sind - nachhaltig gesehen - für eine Identität stabilisierend, welche destabilisierend und warum? Wie und für wen kann eine praktische Anwendung des Fragen-Katalogs erfolgen? Es wäre denkbar und wünschenswert, ja not-wendig, daß sich Soziologen und Psychologen mit Werbe- und Medienfachleuten sowie Politikern zusammenfinden, um Anwendungsformen und Einsatzgebiete für Projekte identitätsbildender Maßnahmen zu erarbeiten. Vorausgesetzt, daß wirklich ein echtes Interesse an Krisen-Prävention besteht und nicht nur an der Instrumentalisierung einer Krise zu persönlichem Nutzen.

Ein erster Versuch hat bereits gezeigt, daß es nicht leicht ist, Menschen zu einer Beantwortung der Fragen zu finden. Selbst um Wissenschaftlichkeit bemühte Menschen scheuen sich davor, weil ihnen die Fragen zu intim sind. Nachfragen bei verschiedenen Institutionen der Friedens- und Konflikt-Forschung haben ergeben, daß hier weder bestehende Arbeiten auf dem Gebiet der Identität als Konflikt-Ursache vorzuweisen sind, noch ein Interesse daran besteht. Das zeigt, wie groß die persönliche innere Unsicherheit ist, und wie wichtig deshalb eine Beschäftigung mit dem Thema Identität wäre.

Rudolf Kuhr


Humanistische AKTION

6/1999,4 


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Ich habe gelernt, zu akzeptieren

Erfahrungsbericht aus der FriedensWerkstatt Solothurn, Schweiz
 

Nach dem Krieg in Kosova gibt es für die Bevölkerung eine Menge Dinge zu tun. Wir sehen, dass die internationale Gemeinschaft bereit ist, beim Wiederaufbau des Landes in jeder Hinsicht zu helfen. Aber am schwierigsten wird es sein, die Menschen zu heilen, die schwer traumatisiert sind von den Szenen und Bildern des Krieges und seinen Schrecken: Den Schmerz zu heilen, der ihnen zugefügt wurde, den Hass und die Rache, die sie fühlen, zu lösen. In diesem Punkt werden die Menschen aus Kosova Hilfe brauchen. Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, wie wir auf die andere Seite reagieren sollen, wie wir ein neues Leben beginnen können, zusammen mit ihnen? Ich fand, Schritt für Schritt, die Antwort - in dem Kurs "Zukunftsplanung" der "FriedensWerkstatt".

Zunächst traf ich eine Gruppe von Menschen in Solothurn. Sie wollten Flüchtlingen helfen, die aus Kriegsregionen kamen. Ihr Konzept war klar: Die FriedensWerkstatt wollte den Flüchtlingen helfen, sich selbst zu finden, eine neue Richtung in ihrem Leben zu finden. Ich mochte diese Idee und so machte ich den Kurs mit, zusammen mit anderen jungen Erwachsenen aus meinem Land. Aber am ersten Tag erschienen zwei junge Frauen aus Serbien... Meine erste Reaktion und mein erster Kontakt mit ihnen waren nicht so gut. Ich wurde nervös und konnte ihnen nicht in die Augen sehen. Ich fühlte mich schrecklich und wusste nicht, was ich tun sollte.

Zwei Wochen gingen vorbei - wir haben jeden Freitag Kurs - und ich wusste noch immer nicht, ob ich am richtigen Ort war. Aber ich machte weiter, und jetzt bin ich glücklich, dass ich das getan habe. Wir begannen unseren Kurs jeweils mit Kaffee und Gespräch im Kreis. Danach trafen wir uns im Schulungsraum. Dort sangen wir zusammen, erhielten Lektionen, z.B. über die Geschichte der Globalen Initiative und der FriedensWerkstatt oder über Friedensphilosophie, und diskutierten darüber. Danach kam jeweils der Kurs "Zukunftsplanung", der mit künstlerischer Arbeit mit Ton verbunden war; nach dem Mittagessen folgte ein Computerkurs.

Das Ganze war ein sehr besonderer, spezieller Kurs. Was mir am besten gefiel: Niemand sagte uns, wie wir fühlen sollten, dass wir miteinander tolerant sein sollten, niemand sagte, dass wir die Vergangenheit vergessen müssten, um in die Zukunft zu schauen. Ich sah, dass alle, die dabei waren, sich im Kurs sehr wohl fühlten.

Die Frage ist: Was wurde in diesem Kurs erreicht? Ich würde sagen, etwas sehr Grosses ist erreicht worden. Ich erinnere mich an die Zeit vor sieben Monaten, als ich noch nichts vom Schicksal meiner Familie wusste. Damals war ich imstande, den Serben vielleicht Schreckliches anzutun. Aber heute - ohne zu vergessen, was geschehen ist, ohne zu vergeben - schaffe ich es, mit ihnen zu sprechen! Das ist ein sehr grosser Schritt. Es wurde mir bewusst, dass wir sie nicht wegschicken können, so wie sie uns nicht wegschicken konnten. Wir müssen uns einfach gegenseitig akzeptieren. Wir kehren dorthin zurück, und wenn sie sich entscheiden, dort zu leben, dann können sie auch dort bleiben.

Wir haben unser ganzes Leben mit Gewalt gelebt - aber jetzt ist es Zeit, dass wir daran denken, ob wir mit der Gewalt aufhören wollen. Ich hoffe, dass sich mein Volk dessen bewusst ist. Deshalb denke ich, dass Themen wie Konfliktlösung und persönliche Entwicklung die wichtigsten sind für Menschen, die aus Konfliktgebieten kommen. Diese Themen sollten im grossen Stil behandelt werden und alle Konfliktparteien mit einbeziehen. Albaner sollten ihre Rachegefühle, die Serben sollten ihren Hass und ihren extremen Nationalismus loslassen können.

Ich denke, dass ein Kurs wie die "Zukunftsplanung" der FriedensWerkstatt ein Beispiel dafür ist, wie in diesem Sinn unterstützt werden kann. Für mich war es eine grosse Hilfe.

Fatmire Terdevci, Journalistin aus Kosova

aus: 'HOLON-Journal' 8/Dez./99; (www.holon.ch)   -  'FriedensWerkstatt': http://come.to/globalinitiative

siehe auch Hilfsprojekt für Kosova 


 Mit freundlichen Empfehlungen
 
Humanistische AKTION
 
12/1999 


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Die drei ICHs in der Transaktionsanalyse

Das "Eltern-Ich"

- wird seit der Geburt. bis etwa zum Schulbeginn erlebt

- Enthält Normen, Ge- und Verbote Moral, Gewissen.
   Vorurteile innere geistige Haltungen

- Spiegelt elterliche Liebe, Fürsorgeverhalten,

- Pflegen- und Helfenwollen wider

- Zeigt sich oft im Belehrenwollen

- Äußert sich meistens in "man"-Aussagen

- Wird mit dem Freud'schen Über-Ich verglichen

 
Das "Erwachsenen-Ich"

- Entsteht etwa ab dem 10. Lebensmonat

- Enthält das Analysieren und Denken, das Interpretieren
   und Speichern von Wissen

- Wägt Möglichkeiten ab und zieht Schlüsse

- Sollte das "Entscheidungsfindungs-Ich" sein

- Wird mit dem Freud'schen Ich verglichen
 

Das "Kinder-Ich"

- Wird seit der Zeugung bis etwa zum Schulbeginn gefühlt

- Beinhaltet Spontanität, Neugierde und Kreativität

- Ist verantwortlich für Gefühle und deren Ausdruck
   (Trotzen, Lachen, Schmollen...)

- Erweckt Neid und Mißgunst (Ich will das auch!)

- Zeigt sich oft in "Ich mag nicht..." Aussagen

- Neigt zu Manipulation und Opportunismus

- Wird mit dem Freud'schen Es verglichen
 

Der aktuelle Ich-Zustand kann durch Erregung entsprechender Speicher hervorgerufen
werden. Streß führt meistens zum Kinder-Ich, der Verstand "schaltet ab". In schlimmen
Fällen kommen Leute nicht mehr aus eigener Hilfe aus diesem Zustand heraus.

Quellen: Harris, Thomas A.: Ich bin o.k. - Du bist o.k., rororo Nr 6916,
Rogoll, Rüdiger: Nimm dich, wie du bist, Herder Nr 593


 Mit freundlichen Empfehlungen
 
Humanistische AKTION
 
6/1999 


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Glaubensbekenntnis

ein bestimmender Bestandteil der Identität

 
christlich humanistisch
Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und an Jesus Christus seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.
Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes aufgefahren in den Himmel.
Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.
Amen

Erläuterung eines Christen: Predigtmeditation

Ich glaube an die Bildungsfähigkeit des Menschen zu einem sozial und ökologisch handelnden, mündigen Gemeinschaftswesen und daran, daß die Natur den Menschen nicht braucht, wohl aber der Mensch die Natur.

Ich glaube, daß der Sinn unseres Lebens in der größtmöglichen Entfaltung und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie und Verbundenheit zu unserer Mitwelt liegt.



Erläuterung eines Humanisten: Lebenssinn und Humanismus

 
Probleme lassen sich nicht mit den Denkweisen lösen, die zu ihnen geführt haben. 
Albert Einstein

*
 
lesen Sie hierzu auch den Text 'Gesellschaft und Bekenntnis' und die Antworten auf die Umfrage 'Bekenntnis zum Menschsein'

weitere Texte zum Thema Glauben 


 Humanistische AKTION
 
6/1999 


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Gebote oder Selbst-Verpflichtungen?

Kennzeichen fremd- und selbstbestimmter Identität

 

christlich humanistisch
  1. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.

  2. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht mißbrauchen.

  3. Du sollst den Sabbattag heilig halten.

  4. Du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß es dir wohlergehe, und du lange lebest auf Erden.

  5. Du sollst nicht töten.

  6. Du sollst nicht ehebrechen.

  7. Du sollst nicht stehlen.

  8. Du sollst nicht falsch Zeugnis geben wider deinen Nächsten.

  9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.

  10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.

  1. Ich will mich als Teil meiner Mitwelt
    erkennen und fühlen.
  2. Ich will meine Mitwelt achten und fördern wie mich selbst.

  3. Ich will wahrhaftig sein.

  4. Ich will ganzheitlich leben.

  5. Ich will verantwortlich sein.

  6. Ich will Großmut üben.

  7. Ich will um Ausgleich bemüht sein.

  8. Ich will mir Zeit lassen.

  9. Ich will nach Einfachheit streben.

  10. Ich will freundlich sein.

 
Wir müssen unseren Teil der Verantwortung für das, was geschieht, und für das,
was unterbleibt, aus der öffentlichen Hand in die eigenen Hände zurücknehmen.

Erich Kästner, Schriftsteller (1899-1974)

Das gilt auch für die Hand Gottes!

*

Für einen wahrhaftigen Menschen kann Gott kein personales, ansprechbares
Wesen sein, sondern das Prinzip einer natürlichen Ordnung.

Humanistische These

*

Die grundsätzlichen ethischen Aussagen, die in den großen sogenannten Welt-Religionen (richtiger: Konfessionen) Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus und Judentum enthalten sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Handele selbst so, wie du es von anderen dir gegenüber erwartest.

  • Halte deinen Zorn zurück und verzeihe den Menschen.

  • Sei keinem Wesen gegenüber böse gesinnt, sei gleichermaßen
    freundlich und mitfühlend gegenüber Freund und Feind.

  • Niemals hört in der Welt Haß durch Haß auf, sondern durch Liebe.

  • Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Es würde auch genügen, sich an folgende Empfehlung zu halten:

 

Achte deine Mitwelt und dich selbst.

 
lesen Sie auch den Text 'Die 10 Gebote als ethische Grundlage?' 


 Humanistische AKTION
 
6/1999 


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www.humanistische-aktion.de/ident.htm#dek

 

RUDOLF KUHR
80636 München
Artillerstraße 10
 
An
I. Q.
Straße Nr.
PLZ Ort

09.08.99

Betr.: Identität

Lieber I. Q.,

seit einigen Monaten beschäftigt mich das Thema Indentität als Ursache von Friedens- und Konfliktbereitschaft. Und ich war gerade am Zusammenstellen von Kriterien zur Identität und habe auch schon versuchsweise einigen Bekannten einen entsprechenden Fragebogen zugesandt, da erhielt ich kürzlich eine Info des Psychosozial-Verlages mit einem Hinweis auf Ihr diesbezügliches Buch, das ich mir sofort kommen ließ.

Meine Frage an Sie ist nun, ob Sie Interesse haben an einem Projekt 'Identitätsbildende Maßnahmen' zur Prävention von Konflikten, das Sie gern auch übernehmen und unter einem von Ihnen gewählten Namen entwickeln können. Ich gehe davon aus, daß Konflikte wie auf dem Balkan, in Palästina, in Nord-Irland langfristig und nachhaltig nur dann gelöst werden können, wenn die in der Identität liegenden Ursachen herausgefunden, benannt und geändert werden. Ich denke, daß im Zuge der wirtschaftlichen und technischen Globalisierung auch eine weltanschauliche folgen muß, um die trennenden zugunsten verbindender Identifizierungen aufzuheben, wenn mehr Friedlichkeit erreicht werden soll.

Falls Sie Zugang zum Internet haben möchte ich Sie auf einen entsprechenden Textentwurf von mir aufmerksam machen, den Sie auf der Seite .../ident.htm finden. Wenn nicht, sende ich Ihnen diesen gern per Post zu.

Gern höre ich wieder von Ihnen.

Mit freundlichem Gruß

Rudolf Kuhr


 
Absage

I. Q.
Straße Nr.
PLZ Ort

Herrn
Rudolf Kuhr
Artilleriestr. 10
80636 München

22.10.99

Lieber Herr Kuhr,

nun ist mit meiner Nachricht an Sie leider doch später geworden - und zu meinem Bedauern muß ich Ihnen heute auch eine negative Entscheidung übermitteln (von der ich allerdings annehme, daß Sie dafür Verständnis haben werden).

Überraschenderweise hat sich aufgrund meines Buches "Identitäts-Ideen" die Möglichkeit ergeben, an einer bundesdeutschen Universität mit dieser Arbeit zu promovieren. Das wird nun meine Kräfte bis auf weiteres binden, so daß es unfair wäre, auch Ihnen gegenüber, in der nächsten Zeit andere Verpflichtungen einzugehen und entsprechende Zusagen zu machen,

Dennoch würde Ich mich freuen, wenn Sie mich in Ihrem Verteiler behielten und über den Fortgang Ihres Projektes auf dem Laufenden halten würden (so Sie das möchten, selbstverständlich),

Mit besten Wünschen für Ihr Projekt und guten Grüßen

I. Q.


 schade, hoffentlich landet das Thema nicht im Elfenbeinturm


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Aktualisiert am 13.02.09