Gesellschaft und Bekenntnis

Antworten auf grundlegende Fragen des Lebens aus drei verschiedenen Sichtweisen:

christlich -  humanistisch - konfessionslos 

Philosophen der Antike fragten: Was können wir wissen? Was dürfen wir glauben? Was können wir hoffen? Wie sollen wir leben? Kant fragte: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?

Heute wissen wir sicher mehr, aber noch immer nicht alles, und wir werden niemals alles wissen können. Aber wir können heute frei und ohne Furcht über alles sprechen, und wir sind heute angesichts zunehmender Probleme durch den Menschen gezwungen, verantwortlicher als bisher zu handeln, wenn wir unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft ermöglichen wollen. Nachfolgende Gegenüberstellungen verschiedener Sichtweisen können dazu beitragen, Antworten zu finden, die eine verantwortliche und sinnvolle Lebensgestaltung ermöglichen.  

 
Was können wir wissen?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
daß Gott uns liebt und einige Theologen ganz genau wissen, was Gott will daß wir nie alles wissen können, daß wir aber für uns voll- und für unsere Mitwelt mitverantwortlich sind dieses Bekenntnis läßt beliebige Antworten zu

 
Woran können wir glauben?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
an Gott, an Jesus Christus und an den Heiligen Geist an die Fähigkeit des Menschen, sich zu einem mündigen Gemeinschaftswesen zu entwickeln beliebig, viele Konfessionslose glauben an gar nichts

 
Was können wir hoffen?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
daß Gott uns hilft daß es uns immer mehr gelingt, Menschlichkeit
zu entwickeln und zu erhalten
beliebige Antwort möglich


Was ist der Mensch?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
die Krone der Schöpfung, Gott schuf ihn nach seinem Bilde; Adam und Eva (Bibel) ein Teil der Natur, der sich aus dem Tier zu einem denkenden und damit verantwortlichen Lebewesen entwickelt hat beliebig

 
Was kommt nach dem Tod?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
Auferstehung und ewiges Leben im Himmel nichts, wie vor der Geburt beliebig, oft völlig entgegeggesetzte Auffassungen

 
Was bedeutet Religion?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
Gottesverehrung, Glaube an Wirklichkeiten jenseits der erkenn-
und erfahrbaren Welt
geistige und emotionale Rückbindung des Menschen an das reale Welt-Ganze wird oft pauschal abgelehnt

 
Was ist höchste Autorität?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
Gott Prinzip verantwortlicher Menschlichkeit beliebig, oft eine eigene Ideologie

 
Was bedeutet Gott?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
allmächtige, transzendente Person (Schöpfer, Herrgott, Gottvater...) vereinzelt auch unpersönliche Kraft von jenseits orientierten Menschen mystifizierte Autorität, Chiffre - der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde; wenn überhaupt Gott, dann Prinzip verantwortlicher Menschlichkeit beliebig, wird meist abgelehnt

 
Was bedeutet Taufe?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
Aufnahme in die Kirche, meist schon von Säuglingen bei Kindern einseitige Indoktrination, die eine eigenständige Entfaltung der Persönlichkeit behindert meist bedeutungslos

 
Was bedeutet Erlösung?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
Vergebung der Sünden Erkenntnis der Wirklichkeit und der Lebenszusammenhänge beliebig

 
Was ist der Sinn des Lebens?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
Christus nachfolgen, zu Gott finden ein absoluter Sinn ist nicht erkennbar, aus der Natur abgeleitet: Entfaltung der Persönlichkeit im Einklang mit der Natur für nicht wenige gibt es pauschal keinen Sinn oder beliebig den, den man ihm gibt

 
Was bedeutet das Bekenntnis?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
Führertum (Christus, der Gesalbte, der Auserwählte, Herr, Heiland, Retter, Erlöser ...) hierarchisch (Klerus und Laien), Abgrenzung von anderen Konfessionen (Salz der Erde), keine Orientierung an universeller Menschlichkeit Menschentum, selbst- und mitverantwortliche Menschlichkeit, demokratisch,
keine Trennung von anderen,
sondern verbindend mit allen
Menschen der einen Menschheit
Bekenntnislosigkeit - ohne Bekenntnis, unverbindlich - keine bestimmte ethische Orientierung

 
Wie sollen wir leben?
 
christlich: humanistisch: konfessionslos:
gottgefällig menschenwürdig beliebig

Der Vergleich zeigt sowohl große Unterschiede, als auch Gemeinsamkeiten. Deutlich werden die Schwerpunkte jenseitiger, menschlicher und beliebiger Orientierung. Daraus ergibt sich eine leichtere Entscheidung zu einerseits mehr individuellem, separierendem oder andererseits zu ganzheitlichem, verbindendem Handeln.

In Anbetracht der zunehmenden Globalisierung von Technik und Wirtschaft und der zunehmenden Konflikte zwischen ethnischen und religiösen Gruppen erscheint es dringend not-wendig, die religiösen und ethnischen Grenzen in den Köpfen zu überwinden. Dies darf nicht wie bisher nur durch Appelle an die Konfliktparteien zur gegenseitigen Toleranz geschehen, sondern muß in einer Vorbildfunktion durch Verzicht auf trennende ethnische und religiöse Besitzstände bei den - bisher noch - konfliktfreien Gruppen erfolgen. Hier in Deutschland können wir uns z.B. bewußt machen, daß wir die (äußere) Spaltung unseres Landes überwunden haben, daß wir in kürze statt einer deutschen eine europäische Währung haben werden, und daß wir nicht nur Deutsche, sondern auch Europäer sind. Nächster Schritt wird eine Orientierung am Weltbürgertum sein.

Auf dem Gebiet der Religion und Weltanschauung können wir uns bewußt machen, daß hier nicht nur Spaltungen zwischen verschiedenen Bekenntnissen aufgehoben werden können, sondern auch die innerhalb der Konfessionen bestehenden zwischen liebgewordenen aber überholten und unglaubwürdigen Traditionen einerseits und den nach wie vor gültigen humanistischen Inhalten andererseits. Die Spaltung zwischen bestehender Verantwortung und kindgemäßen Glaubensvorstellungen - selbst bei hoch intelligenten Menschen - und die daraus resultierende innere Unsicherheit und Unwahrhaftigkeit bedeuten eine ernste Gefahr für die Ethik der Gesellschaft. Die Verantwortlichen und die Mitglieder müssen sich bewußt machen, daß ein Festhalten an überholten Traditionen eine Weiterentwicklung und Stabilisierung der Gesellschaft verhindert, und daß ihnen die Glaubwürdigkeit immer mehr verloren geht. Für die Kirche würde das bedeuten, die trennende Bezeichnung christlich durch die vereinende Bezeichnung humanistisch zu ersetzen, ohne dadurch etwas von dem für das Leben wesentlichen Inhalt zu verlieren.
 

Der Mensch echt religiöser Kulturen könnte vielleicht mit einem Kind von acht Jahren verglichen werden, das einen Vater als Retter braucht, das jedoch angefangen hat, die Lehren und Prinzipien des Vaters in sein Leben zu übernehmen. Der zeitgenössische Mensch ähnelt jedoch einem Kind von drei Jahren, das nach dem Vater ruft, wenn es ihn braucht, und sonst zufrieden ist, wenn es spielen kann. (Erich Fromm, Psychoanalytiker 1900-1980)

 
Die Konfessionslosen, die unter verschiedenen Namen wie Frei-Religiöse, Freidenker und -geistige, Atheisten, Esoteriker, Kosmonomen, Pantheisten, Unitarier und ähnlichem auftreten und teilweise auch mit entsprechenden Organisationen firmieren, haben bisher in unserer Gesellschaft kaum mehr Bedeutung als die christlichen Sekten, sie sind sogar noch weniger bekannt oder im Gespräch als diese. Ebenso wie diese haben sie aber in der Praxis meist - trotz formeller, demokratischer Satzungen - auch eine hierarchische Struktur mit Führerpersönlichkeiten und einer gläubigen Gefolgschaft. Wer Einblick hat in solche Organisationen, der kann feststellen, auch diese konfessionslosen Menschen und Vereinigungen sind nicht in der Lage, der Gesellschaft zu einem Mehr an Menschlichkeit zu verhelfen, mitunter ist sogar das Gegenteil der Fall. Sie könnten und müßten sich bewußt machen, daß ein Bekenntnis zu dem eigentlichen Ziel einer universellen Menschlichkeit nicht nur sinnvoll wäre, sondern heute im wahrsten Sinne des Wortes not-wendig ist und für ein verantwortungsbewußtes Menschsein den ersten Schritt zur Verbesserung der Verhältnisse bedeutet.

 

"Nie seit Hegels und Marx` Zeiten hat Philosophie so das Tagesgeschehen geprägt. Leider fehlte genau das, was allein zu "nachhaltigen" Veränderungen geführt hätte und worum es heute geht: die Substanz des Konstruktiven.

"Frei wovon? Was schiert das Zarathustra? Hell aber soll mir dein Auge künden: frei wozu?"

(F. Nietzsche, Zarathustra, Vom Wege des Schaffenden)

Konstruktiv-kritische Vernunft heißt heute: Antwort geben auf die Frage, wie kann es, wie sollte es weiter gehen? Noch wird konstruktive Kritik als die beißendste, weil wirklich ändernde, gefürchtet und vor allem: geächtet. Es wird der Zeitpunkt kommen, da man händeringend nach ihr Ausschau halten wird."

Johannes Heinrichs: Demokratiemanifest für die schweigende Mehrheit - Die "Revolution der Demokratie" in Kürze; STENO Verlag, Varna - Sofia - München - Moskau - Warschau -Chelmsford, Essex (UK) - Delaware (USA), Erste Auflage 2005, ISBN 954-449-201-1 http://www.viergliederung.de/revolution_demokratie.html

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Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.

(Mahatma Gandhi, 1869-1948)

 
Jeder Mensch fängt als Mensch ganz bei Null an und bekommt meist sehr früh neben seinem Namen ein religiöses und ethnisches Etikett angeheftet, das ihn von anderen trennt. So kann sich das universelle, mit allen anderen verbindende, bewußte Menschsein nicht ausreichend entwickeln. Hier liegt eine der tieferen Ursachen für Separatismus und für Konflikte. Hier, im bewußten Bekenntnis zum Menschsein liegt aber gleichzeitig auch ein Ansatzpunkt zur Überwindung der Spaltungen und der Konflikte.

Goethe fragte: Ist denn so groß das Geheimnis, was Gott und der Mensch und die Welt sei? Nein! Doch niemand hört's gerne; da bleibt es geheim. Die Tabuisierung und Instrumentalisierung dieses Geheimnisses von wenigen mag für viele bequem sein, verantwortbar ist es nicht. - Was ist nun das Geheimnis von Gott, Mensch und Welt, das niemand gerne hört?

  • Gott ist die personifizierte, transzendierte und mystifizierte Vorstellung der Wünsche und Ideale der Menschlichkeit.

  • Der Mensch ist ein vergänglicher Teil der Natur, von der er abhängig ist, die ihn jedoch nicht braucht.

  • Die Welt ist für den Menschen ein unendlicher Raum, dessen Sinn er nie ganz erkennen kann.

Diese Erkenntnis mag für manche ernüchternd sein, sie allein ist jedoch eines erwachsenen, gesunden Menschen würdig. Es geht bei allen Bemühungen um eine ethische Orientierung letztlich nicht um Gott oder Jesus Christus, nicht um Christlichkeit, Freiheit oder Sozialismus - letztlich geht es um Menschlichkeit. In der von Natur aus im Menschen vorhandenen Anlage zur Menschlichkeit sind alle Möglichkeiten zu ihrer Entfaltung angelegt. Eine zeitgemäße Definition des Gottesbegriffs - so man nicht besser auf eine solche mißbrauchbare Chiffre überhaupt verzichtet - könnte lauten: Gott ist das Prinzip verantwortlicher Menschlichkeit. Eine nachhaltige Humanisierung der Gesellschaft braucht folgerichtig ein bewußtes und direktes Bekenntnis zum Humanismus und dessen Verinnerlichung bei möglichst vielen Bürgern.

Rudolf Kuhr

Ich mahne zu mehr Verantwortung! Ich rufe auf zu mehr Flexibilität!
Alle, wirklich alle Besitzstände müssen auf den Prüfstand.
Alle müssen sich bewegen. Durch Deutschland muß ein Ruck gehen.
Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen.
Glauben wir wieder an uns selber.

(Roman Herzog, ehem. Bundespräsident, der es leider selbst nicht geschafft hat, z.B. auf den Besitzstand von militärischen Ehren bei Staatsempfängen zu verzichten - wer's kann tut's, wer's nicht kann lehrt's.)

In einer Zeit, in der die Errungenschaften der Aufklärung von denjenigen in Fage gestellt,
verhöhnt, missverstanden und verleumdet werden, die den Fortschritt der Menschheit
am liebsten umgekehren wollen, ist es wichtig, sich als Humanist zu bekennen.

Stephen Fry, brit. Schriftsteller und Schauspieler

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ergänzende Texte:

Bekenntnis zum Menschsein -   Christlich-abendländisch?   -   Humanismus   -   Konfessionslos? 


 
Humanistische AKTION
9/1999,3
 
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www.humanistische-aktion.de/bekenntn.htm

Aktualisiert am 05.12.11