Predigtmeditation zum
"Apostolischen Glaubensbekenntnis"
von Pfarrer z.A. (zur Anstellung) Ernst Cran gehalten am 22.02.1998 in
Nürnberg-Worzeldorf
Christus spricht: "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird
euch freimachen". Amen.
Liebe Schwestern und Brüder,
seine Verwandtschaft kann man sich bekanntlich nicht aussuchen. Wir werden
hineingeboren in eine Familie - Geschwister sind entweder schon da oder kommen
- die Onkels und Tanten, die Nichten und Neffen, alles ist vorgegeben, keinerlei
Einfluss möglich. Grade mal eben, dass wir uns vielleicht die
Schwiegermutter aussuchen können. Unsere Eltern sind da, deren Eltern,
deren Eltern, die Vorfahren. Alles ist ohne uns geschehen und gewachsen,
wir sind das letzte Glied in einer langen Kette. Da gibt es dann große
Unterschiede und nicht jeder verträgt sich mit jedem. Und überhaupt
ist das ja mit den Vorfahren so eine Sache. Lernen sollen wir von ihnen,
so sagen die Alten, von ihrer Lebenserfahrung und Weisheit. Lernen: ja -
aber das muss nicht unbedingt heißen, alles nachzumachen. Wie würden
unsere Konfirmandinnen aussehen, wenn sie z.B. alle die Frisuren ihrer
Großmütter tragen würden? Also: Unterschiede müssen
sein in einer Familie und über Generationen hinweg. Das kann sogar soweit
gehen, dass irgendwann geradezu das Gegenteil von dem richtig ist, was vorher
immer gegolten hat.
Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte Sie heute einladen, zusammen
mit mir einen guten alten Verwandten des Glaubens zu besuchen. Vertraut ist
er uns und doch zuweilen sehr fremd. Dieser Verwandte ist schon sehr, sehr
alt. Manches an ihm ist uns schon so in Fleisch und Blut übergegangen,
dass wir seine Eigenart gar nicht mehr bemerken. Und deswegen möchte
ich heute mit Ihnen einmal etwas genauer hinschauen auf diesen alten Verwandten
des Glaubens - unser sogenanntes "Apostolisches Glaubensbekenntnis". Ich
sage bewusst "sogenanntes" - denn es ist weder apostolisch - es stammt also
nicht von den Aposteln, noch ist es überhaupt in Palästina entstanden.
Es stammt aus Rom, und zwar aus dem 2.Jahrhundert. Jesus und seine Jünger
also haben daran nicht als Verfasser mitgewirkt. Ich möchte mit Ihnen
an diesem Text entlanggehen - Sie dürfen ihn dazu ruhig im Gesangbuch
aufschlagen, er steht auf S.1150. Bei diesem Entlanggehen werden viele Fragen
zu stellen sein, sicher auch verunsichernde und irritierende. Ich bitte Sie,
diese Fragen zusammen mit mir auszuhalten. Aber: Das möchte ich schon
vorwegnehmen: Ich werde auch nach einer Antwort mit Ihnen suchen. Das ist
schwerer, als zu fragen. Aber ich denke, ein Angelhaken dafür lässt
sich heute finden. Alles Weitere braucht Zeit und Gespräche. Nähern
wir uns also diesem guten alten Verwandten, prüfen wir ihn an fast zwei
Jahrtausenden seiner Wirkungsgeschichte, messen wir ihn am Bewusstsein
aufgeklärter spiritueller Religiosität an der Schwelle zum
3.Jahrtausend - Punkt für Punkt, Aussage um Aussage:
"Ich glaube an Gott, den Vater" - ja, der Grundsatz aller Menschen,
die sich als religiöses Wesen verstehen und empfinden. Aber: Darf ich
auch "Mutter" sagen? Darf ich mir diesen Gott auch weiblich vorstellen? Zu
viele Demütigungen hat das Weibliche in der Geschichte unserer Religion
erdulden müssen. Darf das so bleiben, dass die Männer "Gott" einfach
als einen der ihren für sich beanspruchen, um ihre eigenen
Männlichkeitsneurosen über die Frauen zu ergießen? Das ist
das Fatale, wenn ich "Gott" in menschliche Kleider stecke: Ich bin gezwungen,
ihn Männlein oder Weiblein sein zu lassen. Der Preis dafür ist
hoch. Womöglich sind uns da andere Religionen überlegen, die "das
Göttliche" sein lassen, was es ist: Nämlich die alles bestimmende
Kraft des Universums.
"den Allmächtigen". "Allmächt", möchte ich fast sagen.
Wer Gott für allmächtig hält, der muss viele Ausreden erfinden:
Für das viele Leid in der Welt und unter uns, für die vielen
Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten unter den Menschen. Und sogar für
die vielen Millionen, die bis heute im Namen dieses Gottes ihres Lebens beraubt
wurden. Ausreden gibt es viele, die uns Gottes Allmacht mit dieser
erbärmlichen Welt zusammenbringen: Er straft uns, er züchtigt uns,
er lässt uns die Freiheit des Handelns - doch ohne freien Willen - ja,
sogar eine diabolische Ausrede gibt es: Der Teufel, Satan, wurde eigens dazu
erfunden, um den allmächtigen heiligen Gott von allen Schweinereien
dieser Welt fernzuhalten. Also: Wenn Gott allmächtig ist, dann muss
er das alles auf seine Kappe nehmen - welch ein zynischer Götze wäre
das! Oder wir akzeptieren endlich, dass wir die Machtfrage von der Gottesfrage
zu trennen haben, damit Gott nicht noch öfters von den Mächtigen
dieser Erde missbraucht werden kann.
"den Schöpfer des Himmels und der Erde". Ja, womöglich sogar
"der Himmel und der Erden." Wer weiß denn, wieviele seiner
Schöpfungen um uns herum im Universum noch existieren, ohne dass wir
sie bemerken. Wer mit außerirdischem Leben rechnet, ist deswegen noch
lange kein Ketzer! - Und diese, unsere Schöpfung? Wer den Schöpfer
so preist, darf der dann mit seiner Schöpfung so umgehen? Keine andere
Religion hat wie die unsere im Namen des Schöpfers die Schöpfung
dermaßen malträtiert, dass es fast unaussprechlich ist. Kein Funken
Ahnung mehr davon, dass wir in der Schöpfung den Schöpfer quälen,
dass jedes Tier, jede Narbe dieser Erde und jedes verhungernde Kind ein
Verbrechen an dem Schöpfer all dessen ist, den dieselben Täter
im selben Atemzug über alles loben. Wer Schöpfer und Schöpfung
trennt, holt sich den Freibrief für die größten
Unverschämtheiten. - Nein: Wenn schon Schöpfer, dann in jedem
Molekül seiner Schöpfung.
"Und an Jesus Christus" - genauer: Und wie Jesus, den sie den Christus
nannten. Jesus hat nie beansprucht, der Christus zu sein. Im Gegenteil, er
hat allzu aufdringliche Verehrer an Gott verwiesen: "Keiner ist gut außer
Gott allein!" - Und: Er wollte nie wie ein Gott verehrt werden. Nicht er
ist das Objekt der Anbetung, sondern der, mit dem er so eng verbunden war.
Nun, Jesus hat das Schicksal Buddhas geteilt: Auch der wurde mit der Zeit
immer höher gehoben, bis er im Himmel entschwand und mit Gott identisch
war. - Nicht an Jesus glauben, sondern wie Jesus glauben, in diesem unbedingten
Vertrauen, in dieser grenzenlosen Hingabe und Offenheit für die alles
durchdringende Gegenwart Gottes.
"seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn". Hineingeboren - ja, in ein
ganz normales menschliches Leben mit all seinen Herausforderungen und
Möglichkeiten. "Einziggeboren"? - Nein! Wenn Gott nur einen Sohn hat,
was sind dann wir? Entweder sind alle Kinder Gottes, oder keiner! Und deswegen:
Nicht "Herr", sondern "Bruder". Vielleicht "großer Bruder", weil Jesus
zweifellos ein paar Schritte weiter war als viele Menschen sich das heute
für sich selber träumen lassen. Trotzdem: Bruder war er, der "Erstling"
vielleicht, aber keiner von einem anderen Stern!
"Empfangen durch den Heiligen Geist" - Ich weiß: Sie kennen
die Geschichte vom Engel, der zu Maria kam ... Ganz ehrlich: Wenn eine
16jährige schwanger wird, dann kann das auch heute viele Ursachen haben.
Und so war das auch damals. Die Gesetze der Biologie sind zeitunabhängig.
Und wenn Jesus keinen irdischen Vater gehabt haben sollte, dann würde
ihn diese Tatsache eher unheimlich und fremdartig als menschlich machen.
Also: Wenn der "Heilige Geist" bei Jesu Zeugung im Spiele war, dann doch
nur so wie bei jeder Zeugung: Dass nämlich jedes Leben gewollt ist und
den Funken des Göttlichen in sich trägt: Jedes Leben! Alles andere
sind frühchristliche theologische Deutungen zur Begründung
ideologischer Grundsätze, aber keine Berichte wahren Geschehens.
"geboren von der Jungfrau Maria". "Geheimnis des Glaubens" sagen die,
die unbedingt daran festhalten wollen - und verdächtigen die anderen
des Unglaubens. Ich sage es trotzdem: Wer seinen Verstand opfern will, um
seinen Glauben zu retten, möge dies tun. Er möge es aber
nicht von den anderen auch verlangen. Die Jungfrau kam zum Kind, weil der
Prophet Jesaja Recht behalten musste und Jesus der prophezeite Messias sein
sollte. Und so nebenbei wurde aus einer "jungen Frau" im Alten Testament
eine "Jungfrau" im Neuen. Diese kleine Veränderung hat nicht nur Jesus
die durch die so böse Sexualität weitergegebene Erbsünde erspart,
sondern dazu ein über Jahrhunderte verheerend wirkendes Frauenideal
geschaffen: Maria, die keusche, die willenlose, die zu allem bereite Magd
des "Herrn". Viele Herren haben sich in der Geschichte des Christentums
solcherart erzogener Mägde bedient und tun es noch heute.
"gelitten unter Pontius Pilatus" - ja, sicher: gelitten. Nicht nur
unter diesem Römer, sondern unter vielen Menschen: Unter den ignoranten,
unter den lieblosen, unter den geldversessenen, unter den frommen Heuchlern,
unter den übermächtigen aufgeblasenen Wichtigtuern, die eben nichts
taten als das, was immer schon getan wurde. Nur keinen Schritt weitergehen.
- Da fällt mir ein: Fehlt da nicht was? Geboren und gelitten. War da
nichts dazwischen? Es ist so: Unser Bekenntnis schweigt sich über das
ganze Leben Jesu beharrlich aus. Als wäre da nichts passiert. Nur geboren,
um dann zu sterben? Dieser Eindruck wird vermittelt. Ein falscher Eindruck,
eine Schieflage des Empfindens wird hier provoziert! Geboren werden und leiden.
Nichts Positives, nichts Schönes, nichts Erfreuliches. Offenbar besteht
an all dem kein Interesse. Nur auf das Eine kommt es an, auf das folgende:
"gekreuzigt, gestorben und begraben". Gekreuzigt: Ja. Historisch ziemlich
sicher verbürgt. Aber: Wussten Sie, dass man Kreuzigungen auch
überleben konnte? Auch historisch verbürgt. Und: Sehr lange hat
Jesus nicht am Kreuz gehangen. Es wurden Gekreuzigte noch nach 2 Tagen lebendig
vom Kreuz genommen - auch wenn sie dem Augenschein nach tot gewesen waren.
Menschen, die den "normalen" Christen als Ketzer gelten, sagen, Jesus sei
nach drei Tagen nicht "auferstanden", sondern "aufgestanden", nachdem er
von seinen Getreuen gesund gepflegt worden war. Er wäre dann nach einiger
Zeit aus Palästina weggegangen und hätte seinen Weg nach Kaschmir
genommen, um in diesem Hochtal mit den Nachkommen der von den Babyloniern
deportierten jüdischen Bevölkerung zu leben. Eine irritierende
Fragerichtung. - Einfach links liegen lassen? Oder doch ein paar Gedanken
wert? Ein Grab Jesu gibt es auch in der Hauptstadt Kaschmirs, in Srinagar.
Richtig begraben in Jerusalem wurde er ja gar nicht. Er wurde nur eilig -
vor Sonnenuntergang - abgelegt. Und nach dem Sabbat war er schon nicht mehr
da.
"hinabgestiegen in das Reich des Todes". Natürlich: Auch die
vorher Verstorbenen sollten von der Heilstat am Kreuz profitieren. Erlösung
rückwirkend. Parallelen zu den Ablassverkäufen des Mittelalters
drängen sich auf: Das wurde nämlich daraus: Ein Opfer für
das Jenseits, um die kirchlich verordneten Höllenstrafen zu
ermäßigen. Die Hölle an sich aber bleibt tabu! Das darf es
dann doch nicht geben: Erlösung für alle! Wo kämen wir da
hin, wenn es keine Unterschiede gäbe zwischen den Rechtgläubigen
und den anderen ...
"am dritten Tage auferstanden von den Toten". Ich habe es schon
angedeutet: Wer für seinen Glauben einen wiederbelebten Leichnam braucht,
der von demselben Gott aufgeweckt wird, in dessen Auftrag er zuvor hingemeuchelt
worden war, der mag mit diesem Bild leben. Er möge dies aber nicht zur
Bedingung für das ewige Seelenheil der gesamten Menschheit machen. -
Auch wenn der Heidenmissionar Paulus da anders denkt: Es musste nicht jemand
sterben, damit ich heute Gott nahe sein kann!
"aufgefahren in den Himmel". Schon wieder: Ein Vergewaltigungsversuch
unseres Verstandes? Muss denn jeder verehrungswürdige Mensch so hoch
gehoben werden, dass er schier unerreichbar wird und Vermittlungsinstanzen
geradezu nach sich zieht? Reicht es uns Heutigen nicht, zu sehen, wie innig
verbunden Jesus mit seinem Gott war, ohne dass wir gezwungen werden, uns
einen Senkrechtstarter in die Wolken vorzustellen. Es gibt wahrlich lohnendere
Gründe, einen Glauben der Lächerlichkeit preiszugeben als die
Vorstellung einer Raumfahrt ohne Raumschiff, deren Unmöglichkeit uns
jeder Astronaut belegen kann.
"er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird
er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten". Ist das das Ziel des
Ganzen? Gericht halten, aburteilen, verdammen und belohnen? Angst hat jeder,
der an ein solches Gericht denkt. Angst macht Beine, sagt man. Mit Angst
kann man gut Geschäfte machen, sagt man auch. Angst machen können
bedeutet Macht haben. Ist das die Allmacht, von der hier die Rede ist? Es
steigert sich: Wann soll dieses Gericht sein? Morgen? Jetzt gleich? Zeitliche
Ungewissheit hält die Angst am Kochen. Ob Jesus so gedacht hat? Sicher:
Er hat geglaubt, das Reich Gottes breche noch in seiner Generation über
die Welt herein. Paulus hat auch so gedacht. Sie haben sich getäuscht.
Das Reich Gottes sollte kommen, so sagte einmal ein Theologe, aber gekommen
ist: Die Kirche. Kirche - die Angstmacherin im Namen Gottes? Wie kann einer
guten Gewissens dereinst im Himmel frohlocken, wenn er seine Geschwister
in ewiger unentrinnbarer Höllenqual weiß? Kann ein Gott das mit
ansehen, dass ein Teil seiner Geschöpfe für immer verstoßen
ist?
"Ich glaube an den Heiligen Geist". Ja, aber nicht nur glauben kann
und will ich ihn, sondern spüren, erleben, von ihm durchdrungen und
gepackt sein. Der Heilige Geist steht nicht nur auf dem Papier der Dogmatik,
sondern durchdringt jede Sekunde und jeden Ort dieser Erde. Es ist der Geist
des Lebens, der Veränderung und des Wachsens. Es ist der Geist, der
seine Verbundenheit mit Gott, dem Ursprung aller Realität, entdeckt
und erkennt. Es ist der Geist der Wahrheit.
"die heilige christliche Kirche". Nein! Ich glaube nicht an die Kirche,
sondern in der Kirche. Eine Kirche, die Glauben an sich selbst verlangen
würde, würde ihre Bestimmung verraten. Kirche ist nicht Selbstzweck,
sondern Mittel zum Zweck. Nicht Abhängigkeit soll sie bewirken, sondern
Freiheit. Müsste es nicht oberstes Ziel jeder Kirche sein, sich eines
Tages überflüssig zu machen - Menschen in die Freiheit und
souveräne Selbstbestimmtheit ihrer Gottesbeziehung hinein zu geleiten
und sie dann gehen zu lassen?
"Gemeinschaft der Heiligen". Ja, solange nicht die einen Heiligen
die anderen Heiligen für Unheilige halten. Wenn "heilig" bedeutet: "zu
Gott gehörig", dann sind wir alle Heilige, ob wir das wissen und ernstnehmen
oder nicht.
"Vergebung der Sünden". Wie wichtig, dass wir miteinander ins
Reine kommen. Zwischen uns muss das geschehen, liebe Geschwister. Zwischen
uns muss das wahr werden: Feindbilder wegwerfen, Urteile weglassen, hinschauen
und fragen: Wer bist du, der du so anders bist als ich? Was können wir
voneinander lernen, damit es in unserer Welt mehr Glück und Freude gibt?
Wir brauchen keinen Heilsapparat, der uns Vergebung von oben verkauft. Wir
brauchen den Willen, mit dem einen Menschen da klarzukommen; ihn so sein
zu lassen, wie er ist und selbst so zu sein, wie ich bin. Vergebung schafft
Wahrheit. Und Wahrheit schafft Freiheit.
"Auferstehung der Toten und das ewige Leben". Eine Vision, die das
auf den Punkt bringt, was Jesus gelebt hat: Leben soll leben dürfen,
im Namen Gottes. Alles, was Leben behindert, soll weiterentwickelt und
weitergedacht werden - ohne falsche Scham und ideologische Barrieren. Nichts
ist ein Gut für sich, alles kann ein Gut für das Leben werden.
Ewiges Leben beginnt jetzt, in dieser Sekunde. Es ist kein Zeitbegriff, sondern
ein Qualitätsbegriff! Keine Vertröstung, sondern das, was jederzeit
in mir steckt. Wenn ich diese Qualität entdecke und ernstnehme, werde
ich tatsächlich meine Wunder erleben.
Das letzte Wort: "Amen". So sei es! Soll es so sein? Hat unser guter
alter Verwandter des Glaubens sich das verdient, so bleiben und sein zu sollen,
liebe Schwestern und Brüder? - Was bleibt - außer vielen Fragen?
- Ich erinnere Sie zum Schluss an die Lesung, die wir vorhin gehört
haben: "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe
ist die größte unter ihnen". Die Liebe bleibt. Ohne die Liebe
ist alles andere nichts. Die schönsten Gottesdienste, die tiefsten
theologischen Erkenntnisse, die schmerzhaftesten Opfer. Die Liebe macht es.
Sie macht aus Glaube Interesse, sie macht aus Hoffnung Perspektive, sie macht
aus Aktion Hingabe. - Wie also kann ein liebevoller Umgang mit unserem guten
alten Verwandten, dem Glaubensbekenntnis, aussehen? Lassen Sie es mich mit
einem Bild sagen. Mit einem Bild im Hinblick auf diesen Mann am Kreuz, der
sich selbst totgeliebt hat: Dieser Mann ist immer noch festgenagelt. Jedes
Dogma, jeder Lehrsatz, jede Glaubensgewohnheit kann zum Nagel in seinem Fleisch
werden. Es wird Zeit, diese Nägel endlich herauszuziehen. Es wird Zeit,
diesen Mann endlich zu beerdigen, damit er wirklich auferstehen kann. Die
Nägel aus dem Fleisch, damit er mit seinen Armen wieder umarmen kann.
Die Nägel aus dem Fleisch, damit seine Füße ihn wieder unter
uns bringen - zu lange schon hängt er über uns. Die Nägel
aus dem Fleisch, damit er uns wieder nahe kommen kann - und mit ihm die
befreiende Kraft seiner Gottesgewissheit. -
Gute alte Verwandte des Glaubens sind und waren nicht umsonst. Sie haben
in ihrer Zeit ihren Beitrag zur Glaubensgeschichte geleistet. Aber wer sie
mit der Wahrheit verwechselt und ihnen das Mäntelchen ewiger
Gültigkeit umhängen will, der kreuzigt diesen Mann aus Nazareth
aufs Neue. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Jesus, dem Christus. Amen.
Am 27.3.98 teilte der Münchner Landeskirchenrat via Pressesprecher mit,
daß der bayerische Pfarrer z.A. (zur Anstellung) Ernst Cran in seiner
Landeskirche keine Pfarrstelle bekommen wird.
1997 trat Cran im Talar in einem Musikvideo der Rockgruppe "Die Groben Popen"
auf. Dies wird ihm ebenso vorgeworfen wie die historisch-kritische Predigt,
die er im Februar 1998 in Nürnberg-Worzeldorf gehalten hat. Auszüge
der Predigt über das Apostolische Glaubensbekenntnis waren vorab in
der Nürnberger Abendzeitung (AZ) erschienen und hatten Schlagzeilen
gemacht.
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