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"Rituale sind nur wirksam, wenn die Inhalte verständlich sind"Mit dem Begriff "Ritual" wird meist ein religiöser Brauch beziehungsweise eine religiöse Zeremonie bezeichnet. Doch immer häufiger gestalten Menschen Feierlichkeiten zu wichtigen Anlässen in ihrem Leben ohne kirchliche Inhalte. Dominik Fichmann fragte für BISS Klaus Behner, freischaffender Theologe katholischer Herkunft, warum das so ist
Klaus Behner: Grundlage von Ritualen ist, dass man tiefe Erlebnisse gemeinsam besser bewältigt. Bei einschneidenden Erfahrungen wie Geburt, Hochzeit und Tod gibt es bei vielen Menschen den Wunsch, das, was sie erlebt haben, einer Gemeinschaft mitzuteilen, und auch den Wunsch, dabei Unterstützung zu erfahren. Gemeinschaften, die ähnliche Glaubensvorstellungen haben, entwickeln dann Formen der Unterstützung, die wiederholbar sind und sich im Lauf der Jahre bewähren. Und so kommt es zum Ritual. Rituale geben also Halt und Sicherheit. Behner: Ja, das kann man auch bei Alltagsritualen beobachten. Wenn man jeden Morgen zu einer bestimmten Zeit die Zeitung liest, dann gibt das dem Tag eine Struktur. Rituale wie zum Beispiel das asiatische Teeritual, also ganz bewusst ausgeführte Zeremonien, haben auch einen meditativen, einen Selbstfindungsaspekt. Auch bei gelungenen Hochzeits- oder Geburtsritualen kommen oft persönliche unartikulierte Dinge in einer sehr verdichteten Weise zur Sprache. Auch das trägt zur Selbsterkenntnis bei. Gelungene Rituale bündeln Vergangenes und wirken so klärend in die Zukunft.
Andererseits gibt es viele sinnentleerte Rituale, bei denen man Behner: Rituale können nur dann wirksam sein, wenn die Inhalte für die Menschen auch verständlich sind. Wenn das nicht mehr so ist, verlieren sie ihre Bedeutung und Wirksamkeit. Das gilt auch für kirchliche Rituale, die zum Teil so weit von der Alltagswirklichkeit entfernt sind, dass viele Menschen nichts mehr damit anfangen können. Die Lebensverhältnisse der Menschen verändern sich. Wenn die Sprache der Rituale dem nicht angepasst wird, verlieren die Rituale ihren Sinn. Wenn der Abstand zwischen Lebenswelt und Sprache des Rituals zu groß wird, wird das Ritual leer. In den Kirchen gibt es Schwierigkeiten, das zu bemerken. Dort sind viele weiterhin davon überzeugt: Das hat früher gewirkt und wirkt heute noch genauso. Trotzdem bleiben die Menschen natürlich irgendwann weg. Das heißt aber nicht, dass das Bedürfnis nach Ritualen verloren geht. Solche Alternativen gibt es? Behner: Die Kirche hat ihre flächendeckende Wirksamkeit schon vor Jahrzehnten verloren. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts ist auch bei nicht kirchlich gebundenen Menschen das Bedürfnis entstanden, anlässlich eines Todesfalls eine Feier zu veranstalten. Denn da merken die Menschen, es fehlt etwas. Es gibt ein diffuses Gefühl, dass man so ein Ereignis nicht einfach abhaken kann. Und so kommt der Wunsch nach einer Feier. So haben sich in Norddeutschland bereits zu jener Zeit die Trauerredner etabliert. Diese Tradition habe ich mit meinem Angebot auf andere besondere Lebenszeiten ausgeweitet. Gibt es auch bei jungen Menschen ein Bedürfnis nach Ritualen? Behner: Dieses Bedürfnis existiert sehr wohl. Es gibt in allen Kulturen an der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsenenalter so genannte Initiationsriten, die das Erwachsenwerden erleichtern sollen. Wir haben Firmung und Konfirmation und hauptsächlich in den neuen Bundesländern die Relikte der Jugendweihe. Das Problem ist nur, dass der persönliche Bezug bei diesen Ritualen für die Jugendlichen fehlt. Mit 14 Jahren treten die Jugendlichen heute ja noch nicht ins Erwachsenenalter ein. Insofern gehen alle drei Rituale an der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen vorbei. Ich habe daher schon einige Feiern für Jugendliche begleitet. Zum Beispiel wenn sie mit 16 Jahren für ein Jahr ins Ausland gehen. Da entsteht das Bedürfnis, innezuhalten und zu diesem selbstgespürten Zeitpunkt den Abschied von der Kindheit in einer Feier zu artikulieren.
Weshalb ist es schwierig, eine solche Feier selbst zu gestalten, Behner: Es ist deshalb schwierig, weil es seit Jahrhunderten Institutionen gibt, die für solche Rituale zuständig sind. Wenn man sich aber in diesen Institutionen nicht mehr heimisch fühlt, ist man auf sich selbst verwiesen. Und in Situationen wie Geburt, Heirat und Tod ist man immer auch mit spirituellen Fragen konfrontiert. Was war davor? Was kommt danach? Und die allein zu beantworten fällt doch vielen schwer. Der Einzelne ist es nicht gewohnt, sich selbstständig damit zu beschäftigen. Denn bislang gab es dafür immer Fachleute, nämlich je nach Kultur Priester, Schamanen oder Medizinmänner. Andererseits gibt es das Bedürfnis, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, auch wenn man keine Antworten hat. Wie gehen Sie konkret vor, wenn Sie Hochzeits-, Geburts-, oder Trauerfeiern spirituell begleiten? Behner: Ich komme nicht mit fertigen Botschaften. Ich bin aus der Kirche ausgetreten, weil ich nicht eine fertige Botschaft an die Menschen herantragen möchte. Ich möchte Räume öffnen, in denen die Botschaften derer, die ihre besondere Lebenszeit feiern wollen, zum Tragen kommen. Wenn ich mit einem Hochzeitspaar eine Zeremonie vorbereite, dann gehört ein ausführliches Kennenlernen dazu. Das kann dann schon etwa vier Stunden dauern. Ich beschäftige mich mit der Biographie der beiden Partner, damit, wie sie sich kennen gelernt haben. Und ich spreche auch mit ihnen über ihre Lebenseinstellung und Glaubensfragen. Viele Paare stellen dann fest: Darüber haben wir noch nie geredet. Um so wichtiger ist dieser Prozess dann bei der Vorbereitung einer Feier. Wie sieht dann eine solche Hochzeitsfeier aus? Behner: Ich mache dem Paar einen Vorschlag über den Ablauf einer Zeremonie, die von den formalen Elementen her der kirchlichen nicht unähnlich ist. Im Mittelpunkt der Zeremonie steht das Eheversprechen. Alles andere drum herum dient der Bekräftigung dieses Entschlusses. Dazu erinnert sich das Paar an die Vergangenheit, an Menschen, die ihnen wichtig waren, und beide Partner wenden sich in der Zeremonie an sie. Dann beziehe ich mich in meiner Ansprache auf Dichter und Denker, die sich zum Thema Liebe und Heirat geäußert haben. Da können auch Bibeltexte vorkommen. Wo findet die Feier statt? Behner: Meist nicht in Kirchen, weil die Pfarrer häufig etwas dagegen haben. Manchmal findet die Feier in einem gemieteten Saal statt, manchmal auch in der Natur. Ich hatte schon eine Feier in einem Football-Stadion, am Hamburger Hafen oder auf einer Bühne. Das hängt meist damit zusammen, dass sich die Paare an diesen Orten kennen gelernt hatten.
Wie ist die Reaktion der Angehörigen? Gerade die ältere
Generation Behner: Meine Erfahrung ist, dass diese Feiern allen sehr nahe gehen. Auch Menschen, die in der Kirche sind, sagen am Ende oft: Könnte das in der Kirche doch auch so sein! Durch die intensive Vorbereitung entstehen sehr persönliche und dichte Situationen, die alle bewegen. Bei älteren Menschen ist manchmal eine gewisse Skepsis da, doch hinterher sind meistens alle sehr angetan. Ich hatte neulich bei einer Feier eine über 80-jährige Diakonisse zu Gast, die anfangs Zweifel hatte. Und hinterher fand sie die Feier gar nicht so anders als in der Kirche, nur eben persönlicher und weniger stereotyp. Was verlangen Sie für Ihren Service? Behner: Da sich das im Freundes- und Bekanntenkreis entwickelt hat, habe ich anfangs gar nichts verlangt. Erst als ich ein Paar mit therapeutischer Erfahrung hatte, wurde ich darauf hingewiesen, dass meine Arbeit gar nicht so weit entfernt ist von der eines Therapeuten, weil bei der Vorbereitung einer Feier oft Konflikte zum Beispiel mit den Eltern gut gelöst werden können. Deshalb habe ich mich bei der Gebühr an den Honoraren von Therapeuten orientiert. Ich gehe also bei Hochzeiten von einem Satz von einhundert Mark pro Vorbereitungsstunde aus. Je nach Aufwand der Zeremonie kommen so rund tausend Mark zusammen. Der Preis hängt aber auch von den finanziellen Möglichkeiten des Paares ab.
BISS 6/2000
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Aktualisiert am 11.08.02
Humanistische Hochzeitsfeier
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Aktualisiert am 13.11.11