Öffentlich-rechtlich
- und gemeinnützig?
In der Zeit von Dezember 1999 bis Juli 2000 verwendete ein Fernseh-Zuschauer (Gebührenzahler und damit Teilnehmer am öffentlich-rechtlichen Systems) vier Beiträge eines politischen Magazins für die Homepage einer gemeinnützigen Initiative für verantwortliche Menschlichkeit, um gesellschaftlich relevante Informationen in der Öffentlichkeit weiterzugeben. Es handelte sich um folgende Beiträge: Pappsärge - noch verweigern Bestatter die billige Beisetzung (13.12.99); Waldorf-Schulen - enttäuschte Eltern berichten (28.02.00); Lehrer für Allah - Streit um Islamunterricht.(19.06.00); König Kohl - Altkanzler beherrscht noch immer die CDU (10.07.00). Alle Beiträge wurden unverändert mit Angabe der Autoren, Namen des Magazins und des Senders sowie des Sende-Datums veröffentlicht. Am 20.07.00 erfolgte Die Abmahnung
SWR SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts
76522 Baden-Baden
Herrn Adresse Plagiator Sehr geehrter Herr Kuhr, wie wir feststellen mussten, haben Sie in das Texte-Verzeichnis Ihrer Homepage "Humanistische Aktion" unter anderem vier Sendungsmanuskripte von Report-Beiträgen eingestellt. Dies erfolgte ohne unsere Zustimmung. Sie verletzen mit der Veröffentlichung unsere Urheberrechte. Zur Vermeidung rechtlicher Weiterungen fordere ich Sie hiermit auf, diese Texte umgehend, spätestens jedoch bis 31.07.2000 von Ihrer Homepage zu entfernen. Sollten Sie dem nicht nachkommen, werden wir ohne weitere Vorankündigungen rechtliche Schritte einleiten. Mit freundlichen Grüßen Dr. Uwe J. Hochrathner
Der Südwestrundfunk ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft
der öffentlich-rechtlichen Rudolf Kuhr
80636 München
An den SWR Adresse Plagiator Sehr geehrter Herr Dr. Hochrathner, aufgrund Ihres Schreibens vom 20.07.00 teile ich Ihnen mit, daß ich die von Ihnen beanstandeten vier Texte von REPORT-Beiträgen zur Vermeidung rechtlicher Weiterungen spätestens bis 31.07.2000 von meiner Homepage entferne. Gern würde ich wissen, ob grundsätzlich oder in Einzelfällen die Möglichkeit besteht, bei vorheriger Anfrage die Zustimmung zur Veröffentlichung eines Textes zu erhalten, und wer gegebenenfalls in Ihrem Hause dafür zuständig ist. Mit freundlichen Grüßen Rudolf Kuhr
Der Brief an die Verantwortlichen Rudolf Kuhr
80636 München
An den SWR Betr.: Brief vom 20.07.00 - Dr.Ho/pr - Justitiariat - Adresse Plagiator
Sehr geehrter Herr Intendant, Ihr Justitiar, Herr Dr. Uwe J. Hochrathner schrieb mir folgendes: "wie wir feststellen mussten, haben Sie in das Texte-Verzeichnis Ihrer Homepage "Humanistische Aktion" unter anderem vier Sendungsmanuskripte von Report-Beiträgen eingestellt. Dies erfolgte ohne unsere Zustimmung. Sie verletzen mit der Veröffentlichung unsere Urheberrechte. Zur Vermeidung rechtlicher Weiterungen fordere ich Sie hiermit auf, diese Texte umgehend, spätestens jedoch bis 31.07.2000 von Ihrer Homepage zu entfernen. Sollten Sie dem nicht nachkommen, werden wir ohne weitere Vorankündigungen rechtliche Schritte einleiten." Hierzu möchte ich folgendes bemerken: Es ist richtig, daß ich vier Texte von Report-Beiträgen verwendet habe, unverändert, mit Angabe von Autoren und Quelle. Falsch ist, daß das Justitiariat des SWR den Vorgang unter 'Plagiator' behandelt. Dieser Begriff bedeutet Übernahme fremder Leistungen und ihr Ausgeben als eigene. Die 'Humanistische AKTION' ist eine gemeinnützige Initiative, mit der ich mich unter anderem auch für den Erhalt und die Förderung öffentlich-rechtlicher Medien einsetze, die in einer demokratischen Gesellschaft unerläßlich sind. Ich zahle regelmäßig die - trotz unehmender Werbung ständig steigenden - Rundfunkgebühren und empfinde mich noch immer als Teilnehmer an einem öffentlich-rechtlichen System, auch wenn die institutionelle Entwicklung der Einrichtungen und die Qualität des Angebotenen immer kritikwürdiger werden. Ich habe bisher bei der Verwendung von Texten öffentlicher Medien bei genauer Quellen- und Autorenangabe kein Unrechtsbewußtsein, da ich mit der Nennung der Medien für diese werbe, die von den Autoren beabsichtigte Informationswirkung verstärke und kein Geld damit verdiene. Andererseits belastet es mein Rechtsempfinden erheblich, wenn die öffentlich-rechtlichen Medien trotz zwangsweiser Eintreibung von Gebühren immer kommerzieller und selbstorientierter werden und die Chancen für eine Mitgestaltung oder gar Mitbestimmung der Teilnehmer und Gebührenzahler eher ab- als zunehmen. Dies entspricht leider nicht einer wünschenswerten Entwicklung zur Zivilgesellschaft. Es ist bemerkenswert, daß gleichzeitig mit Ihrem Brief eine Mahnung zur Beantwortung einer Umfrage von der GEZ [1] eintraf, in der mit einer Geldbuße von 2.000,- Mark gedroht wurde, obwohl die Gebühren seit Jahren regelmäßig von meinem Konto abgebucht werden. Ebenso interessant war eine Nachricht am selben Tag, nach der IBM das lizenzfreie Computersystem von LINUX anstelle Microsoft einführen will. Hier treffen zwei Welten aufeinander. Wenn Ihre Zuschauer (gebührenzahlende Teilnehmer am öffentlich-rechtlichen System!) durch Strafandrohung dazu veranlaßt werden, gemeinnützige Informationen Ihrer Redaktionen vor einer Weitergabe so weit zu verfremden, daß die Vermittler, die öffentlich-rechtlichen Medien (z.B. Report, SWR, ARD) nicht mehr erkennbar sind, - ob dies wirklich in Ihrem Interesse und vor allem in dem eines öffentlich-rechtlichen Systems sein kann? Welcher Schaden ensteht dem Sender? Geht hier nicht Recht vor Gemeinwohl und letztlich gegen Menschlichkeit? Ich könnte mir vorstellen, daß es im Ermessen der Anstalts-Leitung liegt, inwieweit Texte von Sendungen zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden dürfen. Ich bin auch gern bereit, den Zusatz "Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und des Senders" hinzuzufügen, wie dies bei Verlagen möglich ist, und darüber hinaus einen Link zur Internet-Seite des Magazins zu schalten. Ich bitte um entsprechende Überlegungen und um eine großzügige, dem Sinn öffentlich-rechtlicher Medien gerechte Entscheidung. Mit freundlichen Grüßen Rudolf Kuhr
Anlage
Das Ergebnis
From: <Report.Redaktion (ät) swr-online.de> Sehr geehrter Herr Kuhr, mir liegt Ihre e-mail vom 31.7.2000 an den Intendanten des Südwestrundfunks, Prof. Voß, vor. Der selbe Wortlaut erreichte im Übrigen auch mich. Sie reagieren auf ein Schreiben unseres Justitiars, der Sie auffordert, Sendungsmanuskripte von REPORT Mainz von Ihrer Homepage zu entfernen. Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Sie mit dieser Forderung nicht einverstanden sind und bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich davon aus, dass Ihre Angaben hinsichtlich selbstgesetzter Aufgabenstellung der "Humanistischen Aktion" der Wahrheit entsprechen. Ich muss aber umgekehrt um Verständnis dafür bitten, dass es nicht sein kann, dass jeder Mann oder jede Organisation mit der Arbeit, in diesem Fall Recherchen - sehr oft - freier Autoren, ein attraktives Internetangebot herstellen. Dies würde unter anderem die Urheberrechte vieler meiner Kollegen verletzen. Als Redaktionsleiter habe ich auch diesen Aspekt zu gewichten. Dies allerdings ist nicht der einzige Grund für unsere Haltung. Es fehlen uns schlicht die Mittel und Möglichkeiten jede Anfrage hinsichtlich Publikationen von REPORT-Recherchen auf den Grund zu gehen. Dies allerdings müssten wir tun, um zu verhindern, dass mit der durch Gebührengelder finanzierten Beiträge Schindluder getrieben wird. Es ist deshalb gute Praxis geworden, dass interessierte Stellen auf der entsprechenden Homepage einen Link auf das REPORT-Angebot legen. So ist sichergestellt, dass der Interessierte auf ein entsprechend positives Angebot aufmerksam gemacht wird. Dies zur Erklärung, dass die Einlassungen des SWR Justitiars aus prinzipiellen Gründen erfolgen und nicht auf Grund von Vorbehalten gegenüber der "Humanistischen Aktion". Der in Ihrem Schreiben ebenfalls angesprochene Brief der GEZ kann in keinem Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Schriftwechsel gesehen werden. Mit freundlichen Grüßen - Fritz Frey -
"...Dabei ist grundlegend zu beachten, dass mit der Veröffentlichung ein Werk nicht mehr allein seinem Inhaber zur Verfügung steht. Vielmehr tritt es bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden. Es löst sich mit der Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und wird geistiges und kulturelles Allgemeingut (BVerfGE 79, 29 <42>). Dies ist einerseits die innere Rechtfertigung für die zeitliche Begrenzung des Urheberschutzes, andererseits führt dieser Umstand auch dazu, dass das Werk umso stärker als Anknüpfungspunkt für eine künstlerische Auseinandersetzung dienen kann, je mehr es seine gewünschte gesellschaftliche Rolle erfüllt. Diese gesellschaftliche Einbindung der Kunst ist damit gleichzeitig Wirkungsvoraussetzung für sie und Ursache dafür, dass die Künstler in gewissem Maß Eingriffe in ihre Urheberrechte durch andere Künstler als Teil der sich mit dem Kunstwerk auseinander setzenden Gesellschaft hinzunehmen haben. Zur Bestimmung des zulässigen Umfangs dieser Eingriffe dienen die Schrankenbestimmungen des Urheberrechts (§§ 45 ff. UrhG), die ihrerseits aber wieder im Lichte der Kunstfreiheit auszulegen sind und einen Ausgleich zwischen den verschiedenen - auch verfassungsrechtlich - geschützten Interessen schaffen müssen. Dem Interesse der Urheberrechtsinhaber vor Ausbeutung ihrer Werke ohne Genehmigung zu fremden kommerziellen Zwecken steht das durch die Kunstfreiheit geschützte Interesse anderer Künstler gegenüber, ohne die Gefahr von Eingriffen finanzieller oder inhaltlicher Art in einen künstlerischen Dialog und Schaffensprozess zu vorhandenen Werken treten zu können. Steht - wie vorliegend - ein geringfügiger Eingriff in die Urheberrechte ohne die Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile (z.B. Absatzrückgänge, vgl. hierzu BGH, GRUR 1959, S. 197 <200>) der künstlerischen Entfaltungsfreiheit gegenüber, so haben die Verwertungsinteressen der Urheberrechtsinhaber im Vergleich zu den Nutzungsinteressen für eine künstlerische Auseinandersetzung zurückzutreten..." http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20000629_1bvr082598 Der GEZ-Brief
GEBÜHRENEINZUGSZENTRALE DER ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN
6343876002 WM 991012
Herrn Rundfunkgebühren: Anmelden ist Pflicht! Sehr geehrter Herr Kuhr, auf unsere Schreiben vom 20.03.2000 und vom 17.05.2000 haben Sie leider nicht reagiert. Wir möchten Sie nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, daß Sie gesetzlich verpflichtet sind, Radios und Fernseher bei der GEZ anzumelden, wenn Sie diese besitzen bzw. nutzen (nähere Informationen auf der Rückseite dieses Schreibens). Dies gilt auch dann, wenn z.B. bereits Kabelgebühren gezahlt oder Radio- und TV-Programme über Antenne bzw. Satellitenschüssel empfangen werden. Wer ein bereitgehaltenes Rundfunkgerät nicht anmeldet, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu DM 2.000,-- geahndet werden kann. Zusätzlich sind die vorenthaltenen Rundfunkgebühren nachzuentrichten. Bitte senden Sie uns den beiliegenden Antwortbogen bis zum 08.08.2000 ausgefüllt zurück.
Mit freundlichen Grüßen
In einer Zeit, in der materielle Güter zunehmend die Werte bestimmen und politische Entscheidungen vermehrt der Justiz zugeschoben werden, erscheint es nicht ungewöhnlich, daß sich nun auch ein Rechts-Extremismus im juristischen Sinne entwickelt. Da wäre es eigentlich sinnvoll und not-wendig, wenn ein so einflußreiches Medium wie das Fernsehen mit gutem Beispiel voran gehen würde, um die Entwicklung zu einer Bürgergesellschaft zu unterstützen, in der wieder menschliche Werte an Bedeutung gewinnen, und in der Information nicht als privates oder öffentlich-rechtlich begrenztes, sondern als ein uneingeschränkt öffentliches Gut geachtet wird.
Wichtiger als eine Rechts-Abteilung wäre für
öffentlich-rechtliche Einrichtungen eine Ethik-Abteilung, die einem
Abgleiten in Selbstbezogenheit und Kommerz entgegenwirken und zur
gesellschaftlichen Stabilisierung und Erneuerung beitragen würde. Sie
könnte sich z.B. darum bemühen, die vom Gesetzgeber her vorgegebenen
Aufgaben Information, Bildung und Unterhaltung dahingehend den gesellschaftlichen
Erfordernissen anzupassen, daß die Vorgabe Unterhaltung zugunsten von
Vermittlung geändert wird. Den Medien käme heute die Aufgabe zu,
Trends in der gesellschaftlichen Entwicklung nicht blind zu folgen und zu
verstärken, sondern kritisch zu beleuchten, zu hinterfragen und zu werten.
Dazu braucht es eine Orientierung nicht an Quantität, sondern an
inhaltlicher Qualität, an menschlichen Werten. Ethische Weiterungen
sind erforderlich, statt Ab- und Ausgrenzung mehr Einbeziehung und gestalterische
Mitbeteiligung der Teilnehmer am öffentlich-rechtlichen System im Sinne
einer Bürgergesellschaft. >>> Die Kultur eines Mediums hängt davon ab, wie demokratisch es ist. <<<
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Aktualisiert am 25.10.11