Glockenläuten und andere Emissionen 

Muezzins und Heiden dürfen rufen - Gleichberechtigung in Oslo.

Glockenläuten in kirchlichem und staatlichem Recht - zwei Buchbesprechungen mit guten Argumenten.

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Schweizer Vereinigungen gegen Ruhestörung durch übermäßig laute Kirchenglocken:
http://nachtruhe.info/
http://www.glockenlaerm.ch/  

 

Muezzins und Heiden
dürfen rufen

Salomonisches Urteil in Oslo 

'Das Christentum hat noch immer ein Monopol auf die Beerdigung'
- Streit um akustische Glaubens-Hoheit über Oslos Dächern -
 

Oslo, 29. März (AFP) - Freitags sind drei Minuten für den Muezzin reserviert, um die islamischen Gläubigen zum Gebet zu rufen. "Gott existiert nicht" dürfen hingegen montags und dienstags die Atheisten per Megafon in einem Stadtteil der norwegischen Hauptstadt Oslo verkünden. Mit ihrem salomonischen Urteil vom Dienstag haben die Stadtteilbehörden in Gamle jetzt versucht, sowohl den Gläubigen als auch den Nichtgläubigen Platz zur Ausübung ihrer Rechte einzuräumen. Noch bleibt abzuwarten, ob es nun über den Dächern der norwegischen Hauptstadt zu einem tönenenden Glaubenskrieg kommt. Eine Moschee und zwei Kirchen gibt es in Gamle.

"Allah ist groß" darf der Muezzin dort jeden Freitag von den Minaretten singen und damit die Moslems seines Viertels auffordern, zum Gebet in die Moschee zu kommen. Die "Heidengesellschaft" will mit ihrem Spruch kontern. Die Atheisten können sich laut Gemeindebeschluss für ihre Botschaft zehn Tage im Jahr aussuchen, die aber nur auf einen Montag oder einen Dienstag fallen dürfen. Außerdem wollen die Heiden Auszüge aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von einem Hochhaus verlesen.

"Eigentlich muss Religion eine private Angelegenheit sein", meint Harald Fagerhus, Sekretär der "Heidengesellschaft", in der sich die norwegischen Atheisten zusammengeschlossen haben. Aber wenn Kirchenglocken und Rufe der Moslems den öffentlichen Luftraum vereinnahmten, dann müsse seine Organisation das gleiche Recht bekommen. Erst im Januar hatte die Stadt grundsätzlich genehmigt, dass von den 18 Minaretten der Stadt fünf Mal pro Tag der Ruf "Allah akhbar" ("Allah ist groß") erschallt; das letzte Wort wurde aber den Stadtteil-Räten überlassen. Von den rund 500.000 Einwohnern Oslos sind etwa 36.000 moslemischen Glaubens.

Per Kristian Hansen, einer von Fagerhus' Mitstreitern in der "Heidengesellschaft", fordert die Abschaffung des "ungewöhnlichen Rechts, mit Lärm seinen Glauben an Gott deutlich zu machen." Das Glockengeläut und die Gebetsrufe bezeichnet er als "gesundheitsschädigenden Lärm". An zehn Tagen im Jahr wollen Norwegens Atheisten dies nun selbst lautstark verkünden.

Die 1974 gegründete "Heidengesellschaft" zählt nach eigenen Angaben rund 300 Mitglieder. Zuletzt hatte sie 1994 für Aufsehen gesorgt. Damals enthüllten Mitglieder während einer Feier, in der das 1000-jährige Bestehen des Christentums in Norwegen gewürdigt wurde, vor König Harald V. ein Plakat mit der Aufschrift "1000 Jahre sind mehr als genug". Angesichts der sinkenden Besucherzahlen in den Kirchen schlug die Gesellschaft zudem bereits die Umwandlung der sakralen Räume in Konzertsäle vor. Schließlich sei die Akustik dort "oft beachtlich".

Staatsreligion in Norwegen ist der lutherische Protestantismus. Gemäß der Verfassung müssen der König und mindestens 50 Prozent der Regierungsmitglieder dieser Glaubensrichtung angehören. "Die Religion mischt sich in alle wichtigen Abschnitte unseres Lebens ein", sagt Fagerhus. Und trotz der neuen Aufmerksamkeit um die akustischen Glaubensbekenntnisse weiß er, dass für seine "Heidengesellschaft" noch viel zu tun ist. "Sicher: Die Zahl der Menschen, die sich kirchlich trauen lassen, sinkt. Aber das Christentum hat noch immer ein Monopol auf die Beerdigung."

keh/ao AFP 291359 MRZ 00
6.04.00 14:56 

Psst!

Wegen des Glockengeläuts seiner Kirche ist ein Bischof im US-Staat Arizona Phoenix zu einer zehntägigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Nachbarn der Cathedral of Christ the King hatten sich darüber beschwert, dass die Glocken zu oft und zu laut läuteten. Ein Richter ordnete nun an, dass die Glocken statt stündlich von 8 Uhr bis 20 Uhr nur noch zwei Minuten am Sonntag und kirchlichen Feiertagen läuten dürfen - und das nicht lauter als 60 Dezibel. Bischof Richard Painter von der Communion of Christ the Redeemer (CCR) kündigte Berufung gegen das Urteil an.

Quelle: 'diesseits' 3-2009

 
"Ueberhaupt wird man finden, jemehr ein Volk
Vergnügen an Schellen oder auch Glöckchen findet,
die ohne Ordnung durcheinander klingen, desto roher,
kindischer oder barbarischer ist es."

Georg Christoph Lichtenberg

*

"Wir denken, dass in der heutigen Zeit Armbanduhren,
Wecker und andere Zeitmesser das Ablesen der Uhrzeit
ermöglichen und die akustische Zeitangabe nicht mehr
den gleichen Stellenwert hat wie früher."

Stadtpolizei Zürich

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Mit freundlichen Empfehlungen 
Humanistische AKTION  
4/2000 

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Aktualisiert am 19.10.11