Menschenrechte Menschenpflichten MenschenwürdeTeile einer größeren Einheit In letzter Zeit wird in der Öffentlichkeit vermehrt von Pflichten gesprochen, die neben den Rechten gefordert werden müßten. Das ist verständlich. Wenn man das Verhalten der Mitglieder unserer Gesellschaft anschaut, dann scheint zu wenigen bewußt zu sein, daß Rechte selbstverständlich auch Pflichten enthalten, selbst vielen von denen nicht, die Rechte für sich und andere lautstark einfordern. Besonders die Äußerungen mancher Liberalen vermitteln mitunter den Eindruck, daß sie zwar Eigentum unter Inanspruchnahme aller nur möglichen Rechte anhäufen, dessen soziale Verpflichtung aber wenig achten. Dem entsprechend laut sind dann auch die Stimmen, die vor Gefahren möglichen Mißbrauchs warnen, welche mit der konkreten Benennung von Pflichten verbunden sein sollen. Hier erscheint es sinnvoll, einen übergeordneten Begriff in Erinnerung zu bringen, nämlich den der Menschenwürde. Diese enthält ja sowohl die Rechte, als auch die Pflichten des Menschen in einem untrennbaren Zusammenhang, wie bekanntermaßen die Freiheit auch Verantwortung enthält. Ein Mensch, der sich seiner Menschenwürde bewußt ist, der kann sich im Grunde gar nicht anders verhalten, als Rechte den Pflichten so wie Freiheit der Verantwortung stets in einem gegenseitigen, möglichst ausgewogenen Verhältnis gegenüberzustellen. Andernfalls würde er seine Würde aufs Spiel setzen. An diesem Beispiel wird deutlich, wie wichtig übergeordnete ideelle Orientierungen und deren klare Benennung sind, um in untergeordneten konkreteren Bereichen sinnvoll und verantwortlich handeln zu können. Religiös, freiheitlich oder humanistisch? In diesem Zusammenhang geraten Religion und Weltanschauung automatisch als geistiger Urgrund ethischen Verhaltens in den Mittelpunkt des Interesses. Es fragt sich noch immer - und in Anbetracht zunehmender gesellschaftlicher Dissonanz immer mehr - ob eine Orientierung an religiösen Traditionen, an esoterischen Mysterien und Wunschvorstellungen oder an Freiheit und Menschenrechten optimal ist oder ob heute nicht ein konkreteres, zweckgerichteteres ethisches Bekenntnis sinnvoll und not-wendig wäre. Zum Beispiel ein Bekenntnis zu mehr Menschlichkeit, zum Humanismus, dem Ideal vom verantwortlichen Menschentum als ethische Orientierung. Es fragt sich noch immer und immer mehr, ob es um ein Festhalten an Traditionen und weniger verbindlichen Orientierungen zur persönlichen Befriedigung geht, oder um ein Mitgestalten und Weiterentwickeln der Gesellschaft und nicht zuletzt auch der eigenen Person. Es fragt sich, was von diesen beiden Möglichkeiten der Menschenwürde näher kommt. Religiös sein oder frei und rechtlich denken heißt ja nicht unbedingt schon menschlich handeln. Selbstverständlich muß ein Bekenntnis zum Humanismus nicht auch schon ein Verwirklichen von mehr Menschlichkeit bedeuten, es dürfte aber durch die Konkretisierung des Zieles die Chancen dazu erheblich vergrößern. Kultur des Menschlichen Menschenrechte geraten meist dann in Gefahr, wenn das Gleichgewicht zwischen diesen und den darin enthaltenen Menschenpflichten gestört ist. Ursache für die Störung des Gleichgewichtes ist ein menschlich unreifes oder unwürdiges Verhalten, wie es bei pubertierenden oder ungebildeten Menschen verständlich ist, die mehr an Rechten fordern, als sie an Pflichten bereit sind zu übernehmen. Es gibt mindestens zwei Wege, um das gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen. Der eine besteht in dem Erinnern an die Pflichten. Der andere besteht in dem Appell an die übergeordnete ethische Kategorie, z.B. an die Kultur des Menschlichen, an die Menschenwürde. Für manche sind allerdings beide Wege problematisch. Rechte kann ich gegenüber meinen Mitmenschen in Anspruch nehmen, von ihnen fordern und ihnen gewähren. Pflichten kann und muß ich mir und meinen Mitmenschen gegenüber erfüllen - aber auch fordern. Das eine hat mehr mit Anspruch, das andere mehr mit Leistung zu tun. Fast könnte man verkürzend von Theorie und Praxis sprechen. Wer meint, Menschenrechte proklamieren zu sollen, dagegen Menschenpflichten jedoch nicht, der muß selbst wohl gegenüber Pflichten in irgendeiner Weise befangen sein. Das Erinnern an Pflichten ist der eine, der konkrete aber auch mehr symptom-orientierte Weg. An die Menschenwürde zu erinnern mag zwar abstrakter und manchen auch moralisierend erscheinen, er ist aber der ursächlich-orientierterte, nachhaltig wirksamere und letztlich menschenwürdigere Weg. Menschenwürde - global verbindend Die Tatsache, daß einerseits auf Pflichten hingewiesen und andererseits dieses Hinweisen als gefährlicher Zwang empfunden wird, das zeigt einen Bedarf an ethischer Orientierung. Dieser Bedarf an ethischer Orientierung könnte dazu veranlassen, global verbindende, universelle ethische Kategorien wie die Menschenwürde wieder mehr bewußt zu machen und verstärkt zu verinnerlichen, um damit das Ungleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten aufzuheben, um die religiös und kulturell separierenden Identifikationshilfen zu überwinden und damit dem einzelnen Menschen mehr innere Stabilität und eigenständige Identität zu ermöglichen.
Rudolf Kuhr
Ich schlief und träumte, das Leben wäre
Freude. Rabindranath Tagore, Philosoph (1861-1941) * weitere Texte zum Thema Pflichten
Humanistische AKTION 10/1998,2
Kritik, Anregungen zu Form und Inhalt
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Texte zum Thema Pflichten Rechte und Pflichten - Menschenrechte, -pflichten und - Menschenwürde - Teile einer größeren Einheit. Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten - der UNO vorgelegt vom InterAktion Council. Die Ego-Polizei - zur ZEIT-Debatte über "Menschenpflichten". 'Stiftung Verantwortliche Menschlichkeit' - sammelt, erarbeitet, aktualisiert, hält bereit und verbreitet geistige Grundlagen für eine nachhaltige, menschenwürdige und sinnerfüllende Lebensgestaltung. |
Aktualisiert am 21.10.11