Vom Singen
Ein Zitat
Der Mensch unserer Zeit ist im tiefsten unglücklich. Erst heute hat
er das Paradies endgültig verloren. Haben Sie es bemerkt: Das Volk singt
nicht mehr. Bis zum 21. Lebensjahr pfeift es. Dann telefoniert es.
Das Liebesgedicht, das mit den Minnesängern vor 800 Jahren begann, endet;
wir sind gerade dabei, es im »Schlager« zu Grabe zu tragen. Die
Lyrik ist im Sterben. Das Volkslied ist tot. Die Leute sagen, der
»Schlager« sei das neue Volkslied. Diese Menschen haben nicht
begriffen, was das Volkslied einmal war. Ein Lied wie »In einem kühlen
Grunde« hat eine Fülle von dichterischen Gesichten, die Worte rauschen
und klingen, in jedem Motiv weht etwas dunkel Schicksalhaftes. Das Motiv
des Schlagers, des echten modernen Schlagers, hat nichts Schicksalhaftes
mehr. Er entbindet von der den heutigen Menschen schrecklich gewordenen Beziehung
zum Metaphysischen.
»Glüüüüüüück
zurüüüüüüück,
Steeeerne Feeeerne,
fraaaaagen saaaaagen.«
Es ist der kleinste, mit Jupiterlampen ausgeleuchtete und genormte Ausschnitt
materialistischer Liebe, immer die gleichen Worte, immer der gleiche Ausschnitt,
deutlich gesagt, deutlich gereimt. Konfektion. Erstarrte Gefühle.
Nivellierte Temperatur.
Das höchste Glück scheint die "Klima-Anlage" zu sein. Aber sie
ist es nicht. Das höchste Glück ist der kneifende Winter und der
brütende Sommer. Nur wer noch schwitzen und frieren kann, kann auch
wunderbar lieben.
Aus 'Joachim Fernau: Und sie schämeten sich nicht - Ein
Zweitausendjahr-Bericht'; Herbig, München, Berlin 1958
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Singen heißt Verstehen
Singen bedeutet emotionale Kommunikation, und da sie unabhängig von
Sprache funktioniert,
kommt ihr eine bedeutende völkerverbindende Kraft zu. Sänger bewirken
mit der Weltsprache
Musik eine von Herz und Stimme kommende Friedensdemonstration, quasi ein
machtvolles
musikalisches Manifest gegen jegliche Form von Ausländerfeindlichkeit.
Singen bringt Solidarität und Zusammengehörigkeitsgefühl.
Chorgemeinschaft Germania Siegburg (In Anlehnung an das Motto
des Deutschen
Sängerbundes sowie Veröffentlichungen in seiner Verbandszeitung
"Lied und Chor")
Aus den Essener Thesen zum
Chorsingen im 21. Jahrhundert
Singen stellt ein Humanum dar, eine unverzichtbare, elementare und
emotionale Lebensäußerung des Menschen. Chorsingen vereint Stimmen
und macht Stimmung und Abstimmung auch sozial erfahrbar. Dabei präsentieren
sich chorische Gruppierungen vom Ensemble bis zum großen Chor in
beeindruckender Vielfalt.
Musik bereichert das Dasein ästhetisch. Sie hat konstruktive, Gesellschaft
und Kultur teils überhöhende, teils neu in Bewegung setzende Kraft.
Chorsingen trägt in besonderer Weise zu Gemeinschaftsbildung,
sozialer Integration und Persönlichkeitsentfaltung bei. Es schult das
Hin-Hören und das Zu-Hören, die Selbst- und die Fremdwahrnehmung.
Darüber hinaus besitzen Stimmbildung und Atemerziehung positive Auswirkungen
auf Gesundheit und sprachliche Kommunikation.
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände
Singen hält gesund
Ob allein unter der Dusche oder in der Gruppe ums Lagerfeuer versammelt:
Das Singen ist beliebt. Alleine in Deutschland gibt es rund drei Millionen
Chorsänger in mehr als 60.000 Chören; von den anonymen
Duschsängern ganz zu schweigen. Wissenschaftler der Universität
Frankfurt haben untersucht, wie Singen sich auf den menschlichen Organismus
auswirkt. Demnach sorgt der Gesang zumindest für höhere Konzentrationen
von Immunoglobin-A, berichten die Experten des Instituts für
Musikpädagogik der Johann Wolfgang Goethe Universität.
"Singen ist ein archaisches und elementares Ausdrucksbedürfnis jedes
Menschen", so Studienleiter Günther Kreutz vom Frankfurter Institut
für Musikpädagogik, der gemeinsam mit dem Institut für Psychologie
und dem deutschen Sängerbund die Untersuchung durchführte. Zur
Überprüfung der Hypothese, dass musikalische Tätigkeiten neben
subjektiven Stimmungen auch physiologische Vorgänge im autonomen
Nervensystem beeinflussen, wurde der Laienchor einer Frankfurter Kirchengemeinde
ausgesucht, der Mozarts Requiem für eine Aufführung probte. Dabei
wurden neben der Berücksichtigung von subjektiven Aussagen unter anderem
auch Konzentrationen von Cortisol und Immunoglobin-A, die die Effektivität
des Immunsystems anzeigen, gemessen. "Die Ergebnisse zeigen signifikant positive
Veränderungen der Immunkompetenz beim Singen", erklärt Kreutz.
Das gilt anscheinend nicht unbedingt für das Hören von Musik: "Das
aktive Singen weist deutlich stärkere Wirkungen auf", meint Kreutz.
Lieder- Texte
Singen: lockert - befreit - verbindet - stimmt froh
- macht heiter
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Volkslieder
Die Gedanken sind frei
-
Die Gedanken sind frei! Wer kann sie erraten? Sie fliehen vorbei wie
nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger
erschießen, es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!
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Ich denke, was ich will und was mich beglücket, doch alles in der Still,
und wie es sich schicket Mein Wunsch und Begehren kann niemand verwehren,
es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!
-
Und sperrt man mich ein in finsteren Kerker, das alles sind rein vergebliche
Werke; denn meine Gedanken zerreißen die Schranken und Mauern entzwei:
Die Gedanken sind frei!
-
Drum will ich auf immer den Sorgen entsagen, und will mich auch nimmer mit
Grillen mehr plagen. Man kann ja im Herzen stets lachen und scherzen und
denken dabei: Die Gedanken sind frei!
Text: Volkslied aus Süddeutschland, um 1790; Musik: Volksweise
aus der Schweiz, um 1815
*
Ach, wie ist's möglich dann
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Ach, wie ist's möglich dann, daß ich dich lassen kann; hab' dich
von Herzen lieb, das glaube mir! Du hast das Herze mein so ganz genommen
ein, daß ich kein andre lieb als dich allein.
-
Blau blüht ein Blümelein, das heißt Vergißnichtmein;
dies Blümlein leg ans Herz und denke mein! Stirbt Blum' und Hoffnung
gleich, wir sind an Liebe reich; denn die stirbt nie bei mir, das glaube
mir!
-
Wär' ich ein Vögelein, bald wollt' ich bei dir sein, scheut Falk
und Habicht nicht, flög schnell zu dir. Schöß' mich ein
Jäger tot, fiel ich in deinen Schoß; sähst du mich traurig
an, gern stürb ich dann.
T 1. Strophe: Volkslied aus Baden, 1769; 2. und 3. Strophe:
Helmine von Chézy, 1812 M Emmerich Frhr. v. Hettersdorf, 1812
*
Ade zur guten Nacht
-
Ade zur guten Nacht, jetzt wird der Schluß gemacht, daß ich muß
scheiden. |:Im Sommer, da wächst der Klee, im Winter, da schneit's den
Schnee, da komm ich wieder. :|
-
Es trauern Berg und Tal, wo ich viel tausendmal bin drüber gangen; |:
das hat deine Schönheit g'macht, hat mich zum Lieben bracht mit großem
Verlangen. :|
-
Das Brünnlein rinnt und rauscht wohl unterm Holderstrauch, wo wir gesessen.
|: Wie manchen Glockenschlag, da Herz bei Herzen lag, hast du vergessen!
:|
-
Die Mädchen in der Welt sind falscher als das Geld mit ihrem Lieben.
|: Ade zur guten Nacht, jetzt wird der Schluß gemacht, daß ich
muß scheiden. :|
T u M Volkslied, 1847
*
Ännchen von Tharau
-
Ännchen von Tharau ist's, die mir gefällt, sie ist mein Leben,
mein Gut und mein Geld. Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz auf mich
gerichtet in Lieb und in Schmerz. Ännchen von Tharau, mein Reichtum,
mein Gut, du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.
-
Käm' alles Wetter gleich auf uns heran, wir sind gesinnt, beieinander
zu stahn. Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein soll unsrer Liebe
Zusammenschluß sein. Ännchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn,
mein Leben schließ ich um deines herum.
-
So wie ein Palmenbaum über sich steigt, hat ihn erst Regen und Sturmwind
gebeugt, so wird die Lieb' in uns mächtig und groß nach manchem
Leiden und traurigem Los. Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut,
du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.
T Heinrich Albert, 1637; M Friedrich Silcher, 1827
*
Das Lieben bringt groß Freud
-
Das Lieben bringt groß Freud, das wissen alle Leut. Weiß mir
ein schönes Schätzelein, mit zwei schwarzbraunen Äugelein,
das mir, das mir, das mir das Herz erfreut.
-
Ein Brieflein schrieb sie mir, ich soll treu bleiben ihr; drauf schickt ich
ihr ein Sträußelein von Rosmarin und Nägelein, sie soll,
sie soll, sie soll mein eigen sein.
-
Mein eigen soll sie sein, kei'm andern mehr als mein. So leben wir in Freud
und Leid, bis daß der Tod uns beide scheidt. Dann ade, dann ade, dann
ade, mein Schatz, leb wohl!
T u M Volkslied aus Schwaben, 1827
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Hab oft im Kreise der Lieben
-
Hab oft im Kreise der Lieben in duftigem Grase geruht |: und mir ein Liedlein
gesungen, und alles war wieder gut, |: und alles, alles, und alles war wieder
gut.
-
Hab einsam auch mich gehärmet in bangem, düsterem Mut |: und habe
wieder gesungen, und alles war wieder gut, |: und alles, alles, und alles
war wieder gut
-
Sollst uns nicht lange klagen, was alles dir wehe tut! |: Nur frisch nur
frisch gesungen, und alles wird wieder gut, :| und alles, alles, und alles
wird wieder gut.
T Adalbert von Chamisso, 1829; M Friedrich Silcher, 1839
*
So viel hier nur andeutungsweise, es
gibt erfreulicherweise
inzwischen unendlich viel an Texten und Noten im
Internet.
zum Beispiel:
Das größte deutsche online Musikarchiv. Zur Zeit befinden sich
über 175.000 Eintragungen
von 2000 Liederbüchern im Archiv. Noten und Texte werden kostenlos
versandt:
http://www.deutscheslied.com/
Ein kleines Lied! Wie geht's nur an,
Daß man so lieb es haben kann?
Was liegt darin? Erzähle!
Es liegt darin ein wenig Klang,
Ein wenig Wohllaut und Gesang
und eine ganze Seele.
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