Kommunikation

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Feindbilder abbauen - Ein Interview mit einem Krisen-Berater.

 

 

Das Gruppengespräch als Reifungsweg

Erfahrungen mit der themenzentrierten Interaktion nach Ruth C. Cohn  
Von Dr. Christine Wolbrandt

(Auszug)

Was ist es, was von den Teilnehmern (eines TZI-Trainings R.K.) als Gesundung erlebt wird, und welches ist das Menschenbild, das hinter der TZI steht und zu dem sie hinführen will?

Kurz zusammengefaßt können wir sagen:
 

  • Jeder Mensch hat einen einmaligen Platz in der Welt. Er ist ein autonomes Wesen, nimmt diese Autonomie aber nur unvollständig wahr. Wird er dazu fähiger, empfinden viele Menschen das als Gesundung.

  • Der Mensch ist ein ganzheitliches Wesen, das in seiner Leiblichkeit. im Denken, Fühlen und Handeln eine Einheit ist. Oft sind die Bereiche voneinander getrennt, aber viele erleben es als Gesundung, wenn sie ihren Leib wieder besser wahrnehmen können, und wenn alle geistig-seelischen Fähigkeiten im Einklang miteinander stehen.

  • Der Mensch ist ein Wesen. das in ununterbrochener Beziehung zu anderen steht, auch wenn er sich zeitweilig zurückgezogen hat. Er empfindet es als Gesundheit, wenn er diese Beziehung - als autonomer und zugleich interdependenter Partner - voll leben kann.

  • Der Mensch ist ein verantwortliches Wesen, das auch zu verzichten bereit ist, sofern seine Bedürfnisse von den anderen wahrgenommen und anerkannt werden. Diese Verantwortung richtet sich auf die Selbstverwirklichung, auf andere Menschen und schließlich auf die Aufgabe, die der Mensch in der Welt zu erfüllen hat. Verantwortliches Denken berücksichtigt somit das "Ich", das "Wir" und das "Es". Viele empfinden es als Stärkung ihrer seelischen Gesundheit. wenn sie fähiger zu dieser Verantwortung werden.

  • Der Mensch ist ein geschichtliches Wesen. Er lebt in der Spannung von Vergangenheit und Zukunft und hat sich in der Gegenwart zu bewähren. Gesund ist er, wenn er seine Vergangenheit integrieren, seine Erfahrung in die Gegenwart herein nehmen kann; wenn er zugleich den Blick in die Zukunft richtet und daraus Impulse empfängt; wenn er so ausgewogen die Gegenwart lebendig und sinnvoll erlebt.

  • Der Mensch fühlt sich gesund, wenn er zwischen diesen verschiedensten Polaritäten die Balance immer neu herstellen kann.

Folgende praktische Regeln der TZI helfen unter anderem zu einer solchen Haltung:
 

  • Sei Dein eigener Leiter und bestimme, wie Du Dich in dieser Gruppe zu diesem Zeitpunkt verhalten willst. Versuche zu geben und zu empfangen, was Dir wichtig ist.

  • Nimm Deine Gefühle so ernst wie Dein Denken. So gib unter Umständen auch negativen Gefühlen Ausdruck; sage, wenn Dich etwas so stört, daß Du nicht mitarbeiten kannst. Du hilfst den anderen. Dich zu verstehen, und der unterbrochene Austausch kommt wieder in Fluß.

  • Sprich aus Deiner eigenen Sicht und Erfahrung. Sprich also für Dich selbst, sage "ich", nicht "Wir" oder "Man". (Also: "Ich habe das erfahren ...", nicht: "Man erfährt das so ...")

  • Frage den anderen nicht aus, sondern sage, warum Dir eine Frage wichtig ist. Mache direkte Aussagen über Dich; damit gibst Du dem anderen Freiheitsraum, der ihm persönliches Sprechen ermöglicht.

  • Interpretiere den anderen auch nicht, Du engst ihn damit ein. Sag ihm lieber, wie sein Verhalten auf Dich wirkt.

  • Beobachte, was Dein Leib Dir mitteilt (Atem, Herz, Gebärden) und nimm diese Signale auch bei anderen wahr.

  • Versuche, Dir klar zu werden, was Du wirklich willst; nicht also, was Du nur möchtest (Vorrang der Subjektivität), noch auch, was Du zu sollen glaubst (Vorrang des Kollektivs), ist schon Dein Wille. Entscheide Dich in Freiheit.

Alle diese Regeln verdeutlichen nur, was eigentlich gemeint ist. Starr auf ihnen zu bestehen, wäre falsch. Ist die Haltung verwirklicht, braucht das Verhalten keine Regeln mehr

Das Gruppengespräch als Reifungsweg hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. - Bei der von. Ruth C. Cohn entwickelten themenzentrierten Interaktion war primär an ein lebendiges Lernen gedacht. Darüber wurde wiederholt (H. 6172. 1/73,10173 und 5/74) berichtet. Der Beitrag von Dr. Chr. Wolbrandt vermittelt praktische Erfahrungen, in denen sowohl ein sozialer Lernprozeß als auch Möglichkeiten einer Therapie in Gruppen gezeigt werden.

aus: Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 10/79 


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Humanistische AKTION
 
6/1999 
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THEMENZENTRIERTE INTERAKTION

(TZI)

Ein System zum Fördern von lebendigem Lernen

Von Dr.Peter Rohner

Der Begriff

"Lebendiges Lernen" (Living-Learning) bezeichnet einen Lernprozeß, der sich von dem als notwendiges Übel erlebten Arbeiten unterscheidet. Im Vergleich mit Schulsituationen, die wenig Raum für Spontaneität und Kommunikation lassen, erscheint dieses Lernen als "menschlicher" und damit - zumindest bei langfristiger Betrachtung - auch als effektiver. Es läßt Angst abbauen und damit positive Wirkfaktoren fördern: Neugier; echtes Interesse, Spannung und Aktivität, Lernfreude und lebendige Entwicklung ...

"TZI" ist der Name für ein System, mit dem wir solches Lernen ermöglichen und unterstützen können. Es wurde von Ruth C. Cohn initiiert und in den Workshop Institutes for Living-Learning (WILL) von ihr und ihren Kollegen weiterentwickelt.

Leitsätze

Das System beruht auf Annahmen, in denen eine positive Grundeinstellung gegenüber unserem Leben zum Ausdruck kommt. Es enthält eine Ethik, in der wir den Menschen als wertvoll und Inhumanes als wertbedrohend ansehen.

Der Mensch wird als eine psychobiologische Einheit betrachtet, die auch Teil des Universums ist. Damit ist er autonom und zugleich abhängig ("interdependent"). Die Autonomie wächst, wenn wir unsere Interdependenz bewußt anerkennen und dementsprechend handeln. Das heißt: Wir können den Spielraum für unsere freien Entscheidungen erweitern.

Grundsatz: "Achtung gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum." Daraus ergibt sich die Aufgabe, im Beachten der für Gruppen wichtigen Faktoren (Ich-Wir-Es-Umfeld) zu einem Fließgleichgewicht zu kommen. einer Balance, die lebendiges Lernen gelingen läßt.

Forderungen

Vom unbewußten Fremdbestimmtwerden zur mündigen Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung: Die Teilnehmer übernehmen bewußt "Selbst-Leitung", im Sinne einer Aufforderung, die wie folgt formuliert werden kann: "Mache Dir Deine innere und äußere Wirklichkeit bewußt. Zu dieser gehören die Wirklichkeit anderer Menschen, das Leben, die Umwelt. Benutze Deine Sinne, Gefühle, Gedanken, Fähigkeiten und entscheide Dich verantwortlich von Deinen eigenen Perspektiven her. Versuche, zu nehmen und zu geben, was Du in der gegenwärtigen Situation nehmen und geben willst (Chairmanship)".

Das gilt auch für den Umgang mit Störungen.

"Störungen haben Vorrang", heißt es bei Ruth Cohn und in vielen Veröffentlichungen. Diese Formulierung regt an, ein Gegengewicht zum leider verbreiteten Mißachten von Störungen zu schaffen. Anderseits wird dieser Satz heute manchmal unausgewogen zur Geltung gebracht, so daß Tendenzen zu Überbetonung und Diktatur von Störungen verstärkt werden.

Ich empfehle daher; Störungen bewußt wahrzunehmen und u. U. vorrangig zu beachten, jedoch nur dann vorrangig zu behandeln (z.B. im Plenum zu thematisieren), wenn dies im Hinblick auf das vereinbarte Ziel als notwendig oder sinnvoll erscheint.

Für das Verwirklichen der Forderungen in der Praxis gibt es Hilfen, die sich bei taktvoller Anwendung fast immer als nützlich erweisen, z.B. die folgenden

Hilfsregeln:

- Sprich klar und verantwortbar, wenn Du sprichst: per "Ich", nicht per "Man" oder unüberprüftem "Wir".

- Aussagen statt Ausfragen: Verzichte auf unerwünschte Interviews. Authentisches Mitteilen eigener Gefühle, Gedanken
   und Wünsche schafft bessere Voraussetzungen für fruchtbare Kommunikation als Versteckspiele im Fragestil.

- In der Gruppe spricht zur gleichen Zeit jeweils nur eine(r).

Erleichtert wird die Arbeit mit diesen und anderen Hilfen, wo wir mit Realitätssinn und Mut handeln, z.B. mit Mut zu authentischem Austausch, zu Verzicht auf Illusionen, zu lebensfreundlichem Zusammenwirken, zu kreativem Umgang mit Herausforderungen. 


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Humanistische AKTION
 
6/1999 


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Gespräche in der Nähe

Gespräche als Mittel zum Austausch von Gedanken und Gefühlen,
Wünschen und Hoffnungen, von Ängsten und Zweifeln.

Von Annedore Schultze

Die  K u n s t  des Gespräches, des Miteinander-Sprechens, ist das Thema dieses Gesprächsheftes. Ich finde das Thema in mehrfacher Hinsicht reizvoll: Kunst kommt von K ö n n e n, und Können braucht Erfahrung und Übung. Die Kunst des Gespräches ist (ergänzend zu Begabungen) lehr- und lernbar. Es geht im Gespräch nicht in erster Linie um Sprache im Sinne von Wörter-Wissen und Wörter-an-die-richtige-Stelle-setzen, sondern um ein Miteinander; um eine Annäherung an Personen und/oder Themen. Das Gespräch umfaßt Körpersprache, Gebärdensprache, Klang- und Wortaustausch; und es vermittelt Mitteilungen des Gemütes  u n d  des Verstandes; Fragen, Gedanken, Überlegungen, Antworten.

Wir Menschen nutzen das Gespräch, um uns näherzukommen, ebenso wie um uns voneinander oder einer Sache abzugrenzen. Wir sind nach einem Gespräch manchmal sehr glücklich, zuweilen aber auch tod-unglücklich. Dem Geheimnis gelingender Gespräche möchte ich mehr auf die Spur kommen.

Ruth C. Cohn, die "Erfinderin" der Themenzentrierten Interaktion (TZI) als Möglichkeit eines "ganzheitlichen" Austausches im Gespräch in Gruppen, hat im Herder Taschenbuch 1633 begründet, daß es im Gespräch "ums Anteilnehmen geht".

"Jeder Mensch ist Anteil am Ganzen der Welt. Daher ist Selbstverwirklichung nur möglich, wenn Mitwelt und Umwelt partnerschaftlich in alle Lebensbezüge. einbezogen werden."

Die Bejahung dieser Aussage fällt mir nicht schwer, viele LeserInnen werden sie auch zustimmend zur Kenntnis nehmen. Aber: Wie macht man das? Wie können wir in der Hetze eines Familienalltages, unter dem. Druck und in der Enge von Schulgeschehen, im Gespräch beim. Arzt oder als Ärztin, im politischen Diskurs uns so zum Ausdruck bringen, daß unsere guten Kräfte bei anderen wachstumsfördernd ankommen? Gibt es so etwas wie den goldenen Schnitt auch für ein wirksames Gespräch? Gibt es Anhaltspunkte, die Hinweise geben könnten oder eine Richtung andeuten, was begegnende Gespräche erleichtern oder erschweren kann?

Soviel sei vorausgeschickt: 7 Goldene Regeln für ein auf alle Fälle erfolgreiches Gespräch hat Ruth Cohn nicht entdeckt, aber sie gibt Hinweise oder Anregungen, was zum Gelingen eines sinnvollen Gespräches beitragen kann. Das läßt sich nicht - wie es bei den zeitgemäßen Ratgebern passiert - auf eine einfache Formel bringen, die oft so weitergereicht wird:

...soviel Nähe wie möglich, ...soviel Distanz wie nötig, ... soviel "Bauch" (Mitteilung aus dem Gefühlsbereich) wie möglich oder ...soviel "Kopf" (Mitteilung des Verstandes) wie nötig.

Vielleicht würde sie am ehesten zu einem Hinweis auf die Echtheit (Kongruenz) neigen, die unerläßlich ist.

Die Kunst des Gespräches besteht in einer Vielzahl differenzierter; ethisch begründbarer Verhaltensweisen und dynamischer Balancen. Was mich dabei besonders beeindruckt hat, und was mir besonders wichtig erscheint, will ich im folgenden etwas näher beschreiben.

Ein Zweier-, Dreier- Gruppengespräch dreht sich selten um eine einfache Mitteilung. Mit jeder Information ist ein Ziel verbunden. Mindestens ein Gesprächspartner will etwas erreichen: sei es eine zusätzliche Anteilnahme oder Information, eine zusätzliche Bestätigung durch Laut-Ausdenken oder ein Mitdenken. Dieser Wunsch muß verstanden oder mindestens aufgenommen werden. Der Sich-Mitteilende will verstanden werden. Es ist für den Aufnehmenden der Mitteilung nicht immer einfach, durch die drängende oder aggressive, die sanfte oder vorsichtige Form hindurch zu hören, was das Anliegen ist.

Eine mögliche Hilfe könnte es sicher sein, daß schon der Sprechende sich bewußt macht, daß er ein Anliegen hat und es deutlich mit zum Ausdruck kommen lassen kann. Dazu gehört die Beziehung zu dem aufnehmenden Gegenüber, gehört, daß sich die Anliegen beider Gesprächspartner in Einstimmung bringen lassen. Auf eine einfache Formel gebracht, spreche ich vom WIR-Gefühl, für das ich etwas tun, an das ich denken kann. Entsteht es (oder ist es vorhanden), kann die Botschaft eindeutiger aufgenommen werden.

In der Cohnschen Anregung zu einem begegnenden Gespräch spielt die Balance zwischen dem ICH, dem WIR und dem ANLIEGEN, der AUFGABE, dem THEMA eine bedeutende Rolle, und ich erlebe es in vielen Gesprächen als hilfreich, bewußt an sie zu denken.

Neben dieser Anregung, auf die dynamische Balance zu achten, gibt Ruth Cohn einige mir ganz hilfreiche Alltagsanregungen für meine Gespräche mit einzelnen und in Gruppen.

Sie läßt mich z.B. aufmerksam sein auf Sätze wie "... man müßte", "... wir sollten", "... eigentlich hätte man doch schon längst etwas tun müssen" etc. Es sind Sätze, nach denen keiner weiß, was die Sendende "eigentlich" hat sagen wollen, so daß sich meist auch niemand angesprochen fühlt, es sei denn, ein unruhiges Gewissen rührt sich. Und es tut es in solchen Situationen eher abwehrend. Was will die Senderin solcher Sätze wirklich sagen? Vielleicht dieses: "Ich bin der Meinung, du solltest...." oder "ich möchte gern, daß du dich der Sache noch einmal annimmst". Um nicht von vornherein eine Absage oder eine Retourkutsche zu provozieren, kleidet sich ihre Mitteilung ein. Sie löst aber in so eingekleideter Form meist nichts aus. Zumutung, Zutrauen, das Nutzen des zuvor erwähnten Wir erlebe ich als aussichtsreicher.

In diesem Zusammenhang wird oft fälschlicherweise von der TZI gesagt, daß man immer "ich" sagen müsse. Gewiß könnte eine solche "Regel" oder "Anordnung" nichts bewirken, weil die Kongruenz oder Authentizität, von der die Rede war, fehlen würden. Was mich aber beeindruckt und was ich wirklich als hilfreich erlebe, ist: daß meine Aussagen eindeutiger sind und auch so ankommen, wenn in ihnen etwas von mir (was ich meine z.B.) anklingt. So heißt die Gesprächsanregung, die ich wichtig finde: "Sage etwas von dir, wenn du verstanden werden willst." Und das heißt eben auch: Meide allgemeine Aussagen, die nichtssagend, mißverständlich, wirkungslos sind.

Erfreulich sind für mich auch Gespräche, in denen Zeit zum Nachdenken und Nachfühlen ist - in denen nicht Satz auf Satz, Aktion auf Reaktion, Reaktion auf Aktion ohne Pause folgen. In solchen Gesprächen finde ich Zeit, "nach innen und nach außen zu schauen und herauszufinden, was ich tun/sagen will". Ich bin überzeugt, daß es nicht nur die Gespräche in meinem Umkreis sind, in denen parallel mit einem An-hören schon das Überlegen, das Schon-Vor-Formulieren der Antwort passiert. Jede von uns weiß, daß dieses Gesprächsverhalten die Aufmerksamkeit auf die "Botschaft" wesentlich einschränkt. Da ereignet sich dann schnell ein Verhakeln und am Ende eine Art Schlagabtausch mit dem bekannten: "Du hast aber gesagt"; "nein, ich habe nicht gesagt" etc. oder mit dem "ich wollte sagen"; "das habe ich aber nicht gehört" etc. Der Klärungsbedarf solcher Aus-einander-setzungen ist oft größer und dauert länger, als wenn die Gesprächsbeteiligten von vornherein ein intensiveres Aufeinander-Hören praktiziert hätten.

Ich bin wichtig, die andere ist wichtig, und weil die Gesprächsbeteiligten wichtig sind, lohnt es sich, sich die Zeit zum Zuhören zu nehmen bzw. sich gegenseitig zu schenken.

Ich stelle zunehmend fest, wieviel befriedigender Gespräche dadurch werden, wieviel näher sie am Gegenstand des Interesses liegen und wieviel dichter auch an dem Anliegen der Beteiligten. Und weil mich das überzeugt, übe ich beständig weiter daran, wenn auch der Pensionärinnen-Alltag einen gedrängten Zeitplan hat.

Austausch von Gedanken und Gefühlen, von Wünschen und Hoffnungen, von Ängsten und Zweifeln, das Uns-Austauschen über die Erlebnisse und Erfahrungen, die unsere Gegenwart bestimmen, setzen nicht nur gute ZuhörerInnen, sondern vor allen Dingen auch "auf sich selbst aufmerksame Sprechende" voraus.

Wer sich damit näher beschäftigen will, dem empfehle ich sehr:

Ruth C.Cohn: "Es geht ums Anteilnehmen". (Perspektiven der Persönlichkeitsentfaltung in der Gesellschaft der Jahrtausendwende), Herder Taschenbuch.

aus: 'Das Gespräch aus der Ferne' 4/1993 (Probeexemplar: dasgespraech (at) compuserve.com) 


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Humanistische AKTION
 
6/1999 


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Erfahrungen mit "Kontrolliertem Dialog"

Welche Arten von Problemen machen es für zwei Menschen schwierig,
sich in einer Unterhaltung einander ausreichend zu verstehen?
 
a) Häufige Fehler auf der Seite des Sprechenden
  • Organisiert seine Gedanken nicht, bevor er spricht.

  • Drückt sich ungenau aus.

  • Versucht, zuviel in einer Aussage unterzubringen, so daß sie verwirrend wirkt. Wirksamkeit nimmt mit der Kürze zu.

  • Bringt zu viele Ideen in seine Äußerungen ein, oft untereinander nicht verbunden, so daß eine Zusammenfassung für den Partner schwierig ist.

  • Redet aus Unsicherheit immer weiter, ohne die Auffassungs-Kapazität seines Partners abzuschätzen: Fehlende Resonanz bei langem Sprechen erhöht ein Bestätigungsbedürfnis, das wirkungslos bleiben muß.

  • Übersieht bestimmte Punkte der Antwort des vorausgegangenen Sprechers und antwortet daher nicht aktuell zu dem, was zuvor gesagt wurde: Das Gespräch kommt nicht vorwärts. 

b) häufige Fehler auf der Seite des Zuhörers

  • Hat keine ungeteilte Aufmerksamkeit.

  • Denkt schon an und probt seine Antwort, statt aufmerksam zuzuhören, legt sie sich zurecht, während der Partner noch spricht. Ergebnis: Er kann nicht vollständig wiederholen, was gesagt ist und was er sagen will.

  • Neigt eher dazu, auf Details zu hören und sich evtl. über sie zu echauffieren, anstatt den ganzen Sinn und die wesentlichen Mitteilungen zu erfassen.

  • Denkt den Gedanken des Sprechenden schon weiter, wiederholt mehr, als der Partner gesagt hat.

  • Versucht, weniger Vertrautes in seine Denkschemata einzuordnen.

Die reale Erfahrung, daß Verstehen und Verstandenwerden keineswegs so selbstverständlich sind, wie oft naiverweise angenommen wird, macht sensibler gegenüber den Möglichkeiten des Mißverstehens, Mißhörens und Mißverstandenwerdens in einer größeren Gruppe. Diese Erfahrung kann zu einem Bewußtsein dafür führen, wie leicht von dem unbewußten Vorurteil ausgegangen wird, die eigene Psychologie sei jeweils auch die des anderen.

(Nach Brocher, Tobias: Gruppendynamik und Erwachsenenbildung 1967, Seite 157 ff; Antons, Klaus: Praxis der Gruppendynamik, Göttingen l973 Seite 89 ff)

Hilfreiche Fragen bei unklaren Vorwürfen oder Beschuldigungen:

"Was willst du mir damit sagen?

"Was hat das mit dir zu tun?

"Was hat das mit mir zu tun?

"Was willst du von mir?

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Rechte und Pflichten

derer, die von ihren Mitmenschen lernen wollen

  1. Jeder Mensch hat das Recht auf die wohlwollendste Auslegung seiner Worte.

  2. Wer andere zu verstehen sucht, dem soll niemand unterstellen, er billige schon deshalb deren Verhalten.

  3. Zum Recht, ausreden zu dürfen, gehört auch die Pflicht, sich kurz zu fassen.

  4. Jeder soll im voraus sagen, unter welchen Umständen er bereit wäre, sich überzeugen zu lassen.

  5. Wie immer man die Worte wählt, ist nicht sehr wichtig: es kommt darauf an, verstanden zu werden.

  6. Man soll niemanden beim Wort nehmen, wohl aber das ernst nehmen, was er gemeint hat.

  7. Es soll nie um Worte gestritten werden, - allenfalls um die Probleme, die dahinter stehen.

  8. Kritik muß immer konkret sein.

  9. Niemand ist ernst zu nehmen, der sich gegen Kritik unangreifbar gemacht, also ,immunisiert' hat.

  10. Man soll einen Unterschied machen zwischen Polemik, die das Gesagte umdeutet, und Kritik, die den anderen zu verstehen sucht.

  11. Kritik soll man nicht ablehnen, auch nicht nur ertragen, sondern man soll sie suchen.

  12. Jede Kritik ist ernst zu nehmen, selbst die in böser Absicht vorgebrachte; denn die Entdeckung eines Fehlers kann uns nur nützlich sein.

Diese 12 Regeln wurden vom 'Arbeitskreis kritischer Rationalismus', veranstaltet vom 'Bund für Geistesfreiheit Nürnberg', aus Karl Poppers und Hans Alberts Schriften erarbeitet. Der Titel wurde von Karl Popper vorgeschlagen. Quelle: 'Aufklärung und Kritik' Heft 1/1994.

 

Unsere Kritiker sind unsere Freunde, sie zeigen auf unsere Fehler.
 
Benjamin Franklin, Schriftsteller (1706-1790)

 

Grundhaltung von Therapeuten
zur Gesprächsführung

Neun beziehungsfördernde Leitsätze des Beraters:
 
  1. Ich nehme den anderen an, wie er ist.

  2. Ich fange da an, wo der andere steht.

  3. Ich mache dem anderen ein emotionales Angebot.

  4. Ich verzichte damit ausdrücklich auf Argumentation und Diskussion.

  5. Ich befrage und prüfe meine eigenen Emotionen, die der andere in mir auslöst.

  6. Ich beurteile ihn nicht nach meinen Maßstäben.

  7. Ich versuche, ihn aus seiner Entwicklung und Umwelt zu verstehen und zu akzeptieren.

  8. Ich orientiere mich an dem, was der andere braucht.

  9. Ich sehe im anderen meinen Arbeitspartner und nicht mein Arbeitsobjekt.

 
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6-8/1999 


 
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Hinweise für das Verhalten im Sokratischen Gespräch

Ziel des Sokratischen Gesprächs ist es, gemeinsam zu Einsichten in einer Frage zu kommen. In der Regel werden Beispiele, die möglichst von TeilnehmerInnen selbst erlebt und für die anderen nachvollziehbar sind, analysiert und die in ihnen enthaltenen Urteile gemeinsam geprüft. Dabei wird Konsens angestrebt. Je intensiver die Verständigung unter den Teilnehmern, um so besser das Ergebnis.

Jede/r TeilnehmerIn soll 

  1. sich aktiv am Gespräch beteiligen, dabei aber nur eigene Gedanken äußern und sich nicht auf irgendwelche Autoritäten beziehen;

  2. sich kurz fassen, nur zur jeweils zur Diskussion stehenden Teilfrage sprechen, nicht mehrere Gedanken in einem Beitrag vortragen;

  3. sich bemühen, die Äußerungen der anderen TeilnehmerInnen genau aufzufassen, und prüfen, wie weit er/sie ihnen zustimmen kann;

  4. sich nicht scheuen zu sagen, wenn er/sie etwas nicht versteht oder sich nicht darüber klar ist, worum es z.Zt. im Gespräch geht;

  5. sich nicht scheuen, seine Meinung zu ändern oder zu modifizieren, wenn er/sie durch Argumente anderer überzeugt wurde, jedoch auch nicht um eines schnellen Konsens willen nachgeben, wenn er/sie noch echte Zweifel hat.

Quelle: Philosophisch-Politische Akademie e.V.

 

Allgemeine Grund-Regel
 

  1. Die Teilnahme am Leben erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

  2. Jeder Mensch hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

    In Anlehnung an die StVO § 1

 

Bedeutung und Wirkung von Gespräch
und Begegnung

(Auszug)

... Wir haben in einem mühevollen Lernprozeß, aber doch rechtzeitig erkannt, daß politische Bildung Menschenbildung voraussetzt, daß wir Entwicklung und Kulturation der Person fördern wollen, um auf diese Weise zur Selbstverwirklichung, Kooperationsfähigkeit und zur Initiative des Bürgers, zur Vitalisierung der Demokratie an der Basis einen Beitrag zu leisten. ... Seit Bestehen der 'Stätte der Begegnung' *) haben Gespräche und Begegnung immer im Mittelpunkt gestanden ...

... Wir alle fordern in allen Lebensbereichen Sicherheit, zumindest von allen andern, und die ist praktisch nur durch Automation zu haben. Man wird also die unzuverlässigen Menschen ersetzen, wo es geht. ... Aber ... Worin liegt denn die vielzitierte Würde des Menschen, seine Einmaligkeit als Gattung wie als Individuum?

Es ist, so meine ich, die Personhaftigkeit des Menschen, sein Ich, seine Seele, sein Gemüt, die einmalige und unverwechselbare Einheit aus Körper, Seele und Geist, die unvergleichlich mehr ist als ein Intelligenzquotient auszudrücken vermag. Es ist die Person als Träger erfüllten Lebens und nicht der zur Arbeit dressierbare intelligente Körper.

Echtes Gespräch und wirkliche Begegnung fordern uns als Person, als individuellen, nicht austauschbaren Menschen. Ich muß mich selbst einbringen, und ich muß mich bereitwillig meinem Gegenüber öffnen.

Unsere Gesellschaft hat ein merkwürdiges Verhältnis zum Privaten, Intimen. Es ist der wichtigste Lebensbereich, ... der größte gesellschaftliche Bedeutung hat - und in einem Maß tabu ist, daß man fürchten muß, er sei ein Hort der Asozialität ..., zumindest aber der Schuldgefühle. ... Wenn ich aber meine Gefühle nicht mehr ausdrücken kann, dann kann ich auch kein Gespräch führen und begegne niemand mehr, denn mein Ich, die Person, um die es geht, das sind vor allem unverwechselbare Gefühlsmischungen, Freuden und Ängste, Hoffnung und Verzweiflung, nicht die austauschbare Rationalität und Sachlichkeit eines logischen Gedankengangs, der mich, mein Ich, gar nicht zu berühren braucht.

Im Gespräch geht es weder um Bezüge zwischen Dingen - sie sind Gegenstand von Wissenschaft - noch um philosophische Überlegungen zu Abstrakta, ... sondern um die Grundbezüge meines Personseins: Du und ich, Ihr und ich, Ich und Umgebung, Ich und Gott, Das Gespräch ist immer subjektiv. ...

Gefühle sind zwar nicht "objektiv", nicht allgemeinverbindlich, aber sie sind die frühesten und wichtigsten Antriebe unseres Lebens und sie nicht ernst zu nehmen ist schädlich, gefährlich, verletzt und macht krank. Sie sind ursprünglichste menschliche Äußerung, werden aber immer wieder unterdrückt, ... Es ist aufschlußreich, daß die Sexualität sich aus diesen Zwängen befreite, aber erst, nachdem sie als Naturtrieb, als physiologische Reaktion wissenschaftlich definiert worden war, wogegen die Erotik nach wie vor im Dornröschenschlaf verharrt.

Es ist bemerkenswert, wie sich Kapitalismus und Sozialismus in ihrer Unerotjk gleichen und so beide dasselbe unmenschliche Element enthalten.

Ich finde, daß das echte Gespräch, die wirkliche Begegnung auch ein erotisches Element enthält ... . Es interessiert mich brennend, wie mein Partner denkt, fühlt, empfindet, und zwar nicht deshalb, um ihn desto besser widerlegen, überzeugen, indoktrinieren zu können - das ist der Tod des Gesprächs -, sondern weil ich erfahren, verstehen, mich bereichern lassen will, ... weil ich weiß, wie sehr ich in mir gefangen, an Erfahrung und damit an Einsicht begrenzt, ergänzungsbedürftig bin und der andere mir die Möglichkeit gibt, über mich hinauszugehen, an ihm teilzuhaben. Erotik bedeutet Bindungsfähigkeit, und das Gespräch schafft Bindung.

Die nicht selbst machbare, sondern nur durch Zuwendung, Gespräch und Begegnung erfahrbare Bindungsfähigkeit ist m. E. die konkrete Basis für so abstrakte Begriffe wie Werte, Gewissen, Vertrauen, Solidarität. ...

Es wäre falsch zu verschweigen, daß Gespräch und Begegnung, wie alle Aspekte wirklichen Lebens, Risiken in sich bergen. ... Im Gespräch sind wir nicht durch die Ritterrüstung des vom Ich abgelösten Intellekts geschützt, ... Ängste können unliebsam durchbrechen, wir sind beeinflußbar, ja veränderbar. darin liegt eine Gefahr, aber mehr noch: eine große Chance. Ängste können nämlich, wenn gemeinsam ausgehalten, auch überwunden werden, seelisches Lernen ist möglich, es vollzieht sich das Werden der Person.

Dieter Dieterich

*) Die 'Stätte der Begegnung' ist eine Vereinigung, die sich nach dem 2. Weltkrieg bildete, um menschliche Begegnung zu fördern und heute, in einer Zeit des Leistungsdenkens und der Machtkämpfe das menschlich- seelische Anliegen in den Vordergrund zu rücken. 

Ein wichtiges Ritual!

"... Jeden Freitag trifft sich die Baugruppe zum Plenum. Dann macht als Erstes ein Halbedelstein die Runde, wer das Stück in der Hand hält, darf offen sagen, was ihn stört, sei es die grüngelbe Fassadenfarbe des Nachbarn oder der unaufgeräumte Hof. In der folgenden Auseinandersetzung achtet die Gruppe darauf, dass niemand zum Sündenbock wird und auf persönliche Beleidigungen eine Entschuldigung folgt. ..."

aus dem Artikel 'Keine Kuschelgemeinschaft - Alternative Wohnformen in der zweiten Lebenshälfte werden immer beliebter - obwohl das Zusammenleben im Alltag oft schwierig ist. Was tun, wenn die Frauen zicken? Und wie sich ausklinken, wenn die WG nervt? Drei Besuche vor Ort' von Barbara Dribbusch; taz 8.11.2005

 
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7-8/1999 


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Internet

Segen oder Fluch?
 
Nachfolgend eine Einladung der Volkshochschule Rosenheim und ein Brief an den Referenten


VHS  Rosenheim

Philosophie

Der wundersame Schritt von der Kommunikation zur Telekommunikation

Gewiss entspringt die menschliche Kommunikation der Fähigkeit und dem Bedürfnis, sich einem Du mitzuteilen. Wenn das Ich und das Du sich in einer wahren, wahrhaftigen Gemeinschaft verbunden fühlen, kann diese Kommunikation sogar zur communio werden.

Seltsame Entwicklung: Aus der Hoffnung heraus, die rasanten High-Tech-Fortschritte dienten dem partnerschaftlichen Ich-Du-Austausch, wird die Kommunikation unentwegt und schleichend einer planetaren Tele-Kommunikation "geopfert". Die Telekommunikation als technologische (Speer)Spitze einer vorgegaukelten "Neuen Welt"?

Wollen wir uns von diesem faszinierenden, gigantischen (Selbst-) Betrug ganz vereinnahmen lassen? Soll darin das menschliche Sehnen nach Kommunikation auf global vernetzte "Messages" oder auf beliebiges "Chatten" reduziert werden? Mündet der vermeintliche Vorteil eines überall und immer herrschenden "Hier-und-Jetzt" nicht alsbald in ein tragisches "Nirgendwo und Nie"? Sollen wir ignorieren, dass die so gepriesene Telekommunikation bloß dazu verhilft, selbst erschaffene Entfernungen zu bewältigen?

Dieses Plädoyer für die eigentliche Kommunikation möge verstanden werden als Appell, sich unzweideutig einzusetzen für das Menschliche und die spezifische Gabe, sich mitzuteilen.

Bertrand Stern

Einzelvortrag
am Donnerstag, 11.11.1999, 20 Uhr, im Hans-Schuster-Haus


Brief
 
Humanistische AKTION  für mehr Menschlichkeit

Gemeinnützige Initiative seit 1994

München, 04.11.99

An
Bertrand Stern
Straße
PLZ Ort

Lieber Bertrand Stern,

vielen Dank für die Einladung zu Ihren Vorträgen mit den interessanten Themen 'Der wundersame Schritt von der Kommunikation zur Telekommunikation' und 'Bildung ist frei'. In beiden Einladungsschreiben erscheint das Wort Menschlichkeit bzw. das Menschliche. Es gibt also grundsätzliche Gemeinsamkeiten.

Zum Thema Bildung/Schule haben wir uns ja bereits nach Ihrem Vortrag vor genau 6 Jahren, am 15.11.93 'Schule? Nein danke!' ansatzweise ausgetauscht. Heute fällt mir dazu ein, daß zu diesem Thema eine an Menschlichkeit orientierte, weltanschauliche Grundeinstellung sinnvoll, wenn nicht Voraussetzung wäre, wenn eine effektive und nachhaltige Umsetzung erwartet wird. Menschenbildung vor Schul-, Berufs-, Aus-, Fort- und Weiterbildung ist mein Gedanke, um nicht bei der Beschäftigung mit Symptomen zu bleiben. Denn das würde mich nicht befriedigen. Ich muß allerdings einräumen, daß ich nicht mit der Beseitigung der Ursachen unserer allgemeinen Misere meinen Broterwerb betreiben muß.

Zum Thema Telekommunikation habe ich durch persönliche Erfahrungen eine etwas andere Einstellung als sie in Ihrer Einladung zum Ausdruck kommt. Was Sie und mich betrifft, so hätte ich Ihnen gern öfter mal per e-mail Informationen zukommen lassen und Gedanken ausgetauscht. Durch das Internet habe ich Kontakt zu Personen bekommen, denen ich kaum jemals begegnet wäre. Erst vor wenigen Tagen schrieb mir ein Mann Mitte 40: "Ich muss sagen: ich habe noch nie jemanden getroffen, dem ich mich geistig so verwandt fühle wie Dir." Meine Erfahrung ist überraschend, daß der Briefwechsel per e-mail ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Hier ist eine Offenheit möglich, die sich mir selbst in persönlichen Gesprächen nicht bietet. Es ist trotz oder gerade wegen der Distanz eine große Nähe möglich, die dann selbstverständlich auch zu persönlichen Treffen und zur Zusammenarbeit führen kann, wenn man will. Seit 1996 haben über 8000 Besuche meiner Homepage stattgefunden, etwa 15 sind es jetzt täglich, dabei sind Kontakte entstanden u.a. nach Österreich, Schweiz, Luxemburg, Spanien, Südafrika, Brasilien, USA, Canada, Finland und Sibirien.

Ich sehe im Internet gewissermaßen das Großhirn der Menschheit. Selbstverständlich auch mit genauso viel Unsinn wie in individuellen Hirnen, aber mit den unbegrenzten positiven Möglichkeiten. Es ist ein vergleichsweise billiges, schnelles und demokratisches Medium, das auch dem "kleinen Mann" erlaubt, seine Meinung weltweit öffentlich kund zu tun. Das Internet steht ja noch ganz am Anfang, aber schon jetzt ist erkennbar, daß es gute Dienste leisten kann zur Verbesserung der Menschlichkeit, vorausgesetzt, daß sich die entsprechenden Menschen dieses Mediums mit entsprechenden Beiträgen bedienen, und dies wäre eigentlich ihre moralische Pflicht. Ich bin kein sogenannter Computer- oder Technik-"Freak" und will mich auch nur auf das unbedingt Nötige beschränken, um Zeit und Geld für meine Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zu sparen.

Ich möchte Sie hiermit ermuntern, Ihre Hemmschwelle zu überwinden und persönliche Erfahrungen zu sammeln, um keinen Vorurteilen zu erliegen und solche gar zu fördern. Vielleicht haben Sie Gelegenheit, mal in meine Homepage hinein zu schauen. Gern bin ich bereit, Ihnen bei der Erstellung einer eigenen zu helfen. Wenn Sie durch München kommen sollten und für ein paar Stunden Zeit haben oder auch nur eine halbe, dann würde ich Ihnen gern einiges Praktische zeigen.

Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen, daß ich Sie als Mensch sehr schätze, daß mich die Art Ihrer Vorträge sehr beeindruckt hat und ich es sehr bedaure, daß es bisher noch zu keiner Zusammenarbeit zwischen uns gekommen ist. Beiliegend sende ich Ihnen einen älteren Brief zur Erinnerung. Vielleicht ergibt sich ja irgendwann doch noch mal etwas entsprechendes. Ich traue Ihnen zu, daß Sie sich nicht genötigt fühlen und offen sind für neue Möglichkeiten.

Herzliche Grüße
Ihr
Rudolf Kuhr

Anlage
Brief 21.03.95
Grundgesetz
Karte 'realistisch'

Internet: www.humanistische-aktion.de/


Anlage

RUDOLF KUHR
80636 München, 21.03.95
Artilleriestr.10

An
Bertrand Stern
Straße
PLZ Ort

 

Lieber Bertrand Stern,

ich habe mich über Ihr Zeichen freundschaftlicher Verbundenheit im Schweigen gefreut und möchte ein ebensolches Zeichen erwidern.

Ihre Themen der Veranstaltungen in Rosenheim finde ich gut und wichtig. Mir kam dabei der Gedanke an Veranstaltungen als Alternativen zu den Gottesdiensten, im positiven Sinne.

Ich hoffe, daß sich irgendwann doch einmal die Gelegenheit zu einer Art besinnlichem, offenem Arbeitsgespräch und vielleicht sogar zu einer partnerschaftlichen, gleichberechtigten Zusammenarbeit an einem gemeinsamen, ganzheitlich orientierten Projekt ergibt. Das würde mich reizen. Es gäbe dabei wohl auf beiden Seiten einiges zu gewinnen, auch an Einsichten über uns selbst, und sicher nichts zu verlieren, als vielleicht einige Hemmungen.

Beiliegend sende ich Ihnen den Entwurf für ein Humanistisches Werte-System zu Ihrer Information, für Ihr Archiv oder zur Weitergabe an Interessierte.

An Kritik zu Form und Inhalt bin ich wie immer sehr interessiert.

Beste Wünsche
und herzliche Grüße
von
Rudolf Kuhr

Anlage
Werte-System
Karte 'Freude'


Das Internet ist ein großer Misthaufen, in dem man
allerdings auch kleine Schätze und Perlen findet.

Joseph Weizenbaum, Mathematiker (1923-2008)


Mit freundlichen Empfehlungen 
Humanistische AKTION  
11/1999 


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www.humanistische-aktion.de/kommunik.htm

Aktualisiert am 06.11.12