Das Tier im Global PlayerUrsachen des Machtstrebens im Business Bei den Mitteilungen über die geplante Fusion der Deutschen mit der Dresdner Bank demonstrierten die Bankchefs Breuer und Walter noch Eintracht. Doch auf dem Misthaufen ist nur Platz für einen Hahn. Die Alleinherrscher: Daimler-Chrysler-Chef Jürgen E. Schrempp und VW-Patriarch Ferdinand Piech arbeiten hart an ihrem Ruf, harte Burschen zu sein. Wenn sie Firmen kaufen, beanspruchen sie immer auch die Führung. "Wer weiterkommen will, muss schwarzweiß denken, Freund, Feind - fertig" "Wenn die Variable Mensch nicht mit eingerechnet wird, kann das ein Unternehmen umbringen" warnt der Psychologe und Führungskräfte-Coach Jens Corssen. Doch daran scheint bei der Fusion der Grünen mit den Blauen keiner gedacht zu haben. "Wie bitte?" fragt ein Sprecher der Investmentbank Goldman Sachs, jenes Instituts, das Deutsche und Dresdner beraten hat. Der Mann ist belustigt. "Den menschlichen Faktor bei einer Fusion? Nein, damit beschäftigen wir uns nicht." In der Finanzwelt gilt eben nur dreierlei: Fakten, Fakten, Fakten. TATSÄCHLICH? Die Welt wird überrollt von einer beispiellosen Fusionswelle. Und Leute wie Breuer haben dafür eine Menge intelligenter Argumente parat - Kostenersparnisse in Milliardenhöhe, globale Märkte erfordern globale Unternehmen, die Börsen finden Fusionen super-, untermauert von beeindruckend komplexen Zahlenwerken. Aber daneben geht es eben auch um die Urfrage der Männlichkeit: Wer hat den Längsten? Rein ökonomisch betrachtet gibt es jedenfalls keine Gewissheit, dass schiere Firmengröße erfolgreich ist. Ein kleiner Autohersteller wie Porsche fährt Renditen ein, von denen der Rest der Branche nur träumen kann. Im Zweifelsfall kommt es auf die Persönlichkeit der Topmanager an, die sich ein Denkmal setzen wollen. Fusionen, sagt der Wirtschaftspsychologe Dieter Frey, Professor an der Münchner Ludwig-Maximilian-Universität, hätten "sehr viel mit Eitelkeit, mit dem Streben nach persönlicher Größe, nach Macht zu tun - das liegt in der Natur der Sache". Wo es wirklich um die Macht geht, sind Zahlen eher Beiwerk. Unter der dünnen Schicht aus Intellekt, Bildung und Gediegenheit regieren archaische Reflexe. Im vertrauten Kreis spricht so mancher Vorstand gern mal davon, wen er gerade "enteiert" hat, wen er für einen "Schwächling" oder einen "Wichser" hält. Kein Wunder: Was sind schon ein paar Jahrhunderte abendländische Zivilisation gegen unser Millionen Jahre altes Erbe? Immer ging es um das "Überleben des Tüchtigsten" (Charles Darwin). Noch im Mittelalter kämpften die Herrscher selbst auf dem Schlachtfeld. Sie wateten tatsächlich im Blut ihrer Feinde, mussten körperliche Stärke und Brutalität demonstrieren. Mittlerweile haben wir die Keule gegen den Computer getauscht. Aber die alten Instinkte sind noch intakt. Wer klein und schwächlich von Statur ist, wird in der Wirtschaft nicht so leicht als Anführer akzeptiert. Unsere blutrünstigen Ahnen lassen grüßen. Die internationale Personalberatung Heidrick & Struggles/Mülder & Partner fand in einer groß angelegten Führungskräfte-Befragung heraus: 91 Prozent der Topleute sind größer als 1,80 Meter. "In allen modernen Gesellschaften", schreibt der US-Ökonom John Kenneth Galbraith in seinem Buch "Anatomie der Macht", gebe es eine "gewisse Tendenz dazu, sich groß gewachsenen oder auf andere Weise physisch eindrucksvollen Personen" zu unterwerfen. Galbraith weiß, wovon er spricht: Er ist 2,04 Meter. Länge allein reicht natürlich nicht, um im Konzern aufzusteigen. Intelligent soll der Boss schon auch sein. Dazu teamfähig und kommunikativ, leistungsfähig und -willig, sagt Florian Schilling, einer der Autoren der Führungskräfte-Studie. Alles schön und gut. Aber auch im Bit-Zeitalter gehört noch mehr dazu: dieser gewisse Biss. Am Anfang der Karriere wollen die späteren Alpha-Männchen "einen größeren Gestaltungsspielraum". Und wenn sie erst einmal Blut geleckt haben, kommen sie auf den Geschmack. "Der Wille zur Macht" stehe zwar nicht am Anfang, sagt Schilling. Macht auszuüben komme "später als Erfahrung hinzu -was auf Führungspersönlichkeiten einen eigenen Reiz ausübt". Psychoanalytiker glauben zu wissen, was hinter dem Willen zur Macht steckt: die nackte Angst. Karrieristen, orakelt der altlinke Volkspsychiater Horst-Eberhard Richter, "leiden unter maßlos gesteigerten Befürchtungen, gedemütigt und kleingemacht zu werden. Nur wenn sie eine Gruppe von oben kontrollieren können, fühlen sie sich einigermaßen sicher, dass sie von den anderen nicht kaputtgemacht werden". Vorstandsvorsitzende, sagt der Wirtschaftsethiker Birger P. Priddat von der Uni Witten Herdecke, seien "keine Abziehbilder einer besonderen Spezies. Ob die Besten oder Skrupellosesten nach oben kommen, hängt vom Umfeld ab". Offensichtlich ist, dass es im kapitalistischen Ausleseprozess bevorzugt harte Burschen an die Spitze schaffen. Immer wachsam. Ständig kampfbereit. Leute wie VW-Chef Ferdinand Piech. Der ist dafür bekannt, dass er unter seinen Untertanen Angst verbreitet Mit leiser Stimme und stechendem Blick versprüht er einen eisigen Klaus-Kinski-Charme. "Sei unnachsichtig und - wenn nötig - ungerecht", raten die Unternehmensberater Wolfgang Schur und Günter Weick in ihrem Buch "Wahnsinnskarriere": "Wenn Sie im Management weiterkommen wollen, müssen Sie sich angewöhnen, schwarzweiß zu sehen und zu denken. Und entsprechend zu handeln." Freunde, Feinde - fertig. Feingliedrigere Persönlichkeiten kommen allenfalls ans Ruder, wenn dringend ein neuer Mann gebraucht wird und gerade kein anderer da ist. So erging es Dresdner-Bank-Chef Walter, dessen Vorgänger Jürgen Sarrazin durch eine Steuerhinterziehungsaffäre kippte. So erging es Joachim Milberg, dem freundlichen, schmächtigen Professor, der als Verlegenheitskandidat zum BMW-Lenker aufrückte, nachdem ein Kampf die beiden Vorstands-Größen Bernd Pieschetsrieder und Wolfgang Reitzle dahingerafft hatte. Denn für echte Alpha-Männchen gilt: Es kann nur einen geben. "Wenn zwei Gockel auf einem Misthaufen sitzen, muss einer gehen"; sagt Bahnchef Hartmut Mehdorn. Fatal, wenn nach einem Unternehmenszusammenschluss plötzlich ein Duo obendrauf sitzt. So wollten auch Breuer und Walter als Doppel-Gockel der neuen Deutschen Bank vorstehen. Eine schlechte Idee. "Diese Leute sind es gewöhnt zu bestimmen", sagt Wilhelm Friedrich Boyens, Geschäftsführender Partner der Personalberatungsfirma Egon Zehnder International, "und plötzlich müssen sie teilen!" Das geht meist schief. Viele haben sich deshalb gewundert, dass Jürgen Schrempp - Spitzname: Rambo - sich darauf einließ, den fusionierten Daimler-Chrysler-Konzern gemeinsam mit seinem US-Widerpart, "my friend" Bob Eaton, zu führen. Doch es fünktionierte: Erstens kommen die beiden persönlich ausgezeichnet miteinander klar. Zweitens versprach der Chrysler-Boss von vornherein, nach einer Übergangszeit das Feld zu räumen. Nun geht Eaton sogar früher als erwartet. Schrempp hat es geschafft: Er ist Alleinherrscher. "Der Jürgen", hat ein Auto-Boss beobachtet, "ist im Moment richtig gut drauf." Auch wenn der Daimler-Chrysler-Zusammenschluss als vorbildlich gilt: Die Fusion in den Köpfen ist längst nicht abgeschlossen. Noch sind die Mitarbeiter in transatlantische Lager gespalten. Das sei typisch, sagt der Führungskräfte-Coach Jens Corssen, der unter anderem den Zusammenschluss der Chemiekonzerne Ciba Geigy und Sandoz zu Novartis begleitete. "Die Chefs überzeugen sich, dass sich eine Fusion rechnen würde. Aber die Manager auf der Ebene darunter sind davon häufig überhaupt nicht begeistert." Denn all das Gerede über Synergien bedeutet nichts anderes, als dass Stellen wegfallen, auch für Führungskräfte. Die Fusion stürzt die Manager unversehens in ein Reise-nach-Jerusalem-Spiel: Sie müssen schneller laufen doch die Stühle werden weniger. Nicht sehr motivierend. Das weckt wieder diese verflixten Urinstinkte. "Biologisch gesehen", sagt Corssen, werde eine Fusion "als Bedrohung empfunden". Denn schließlich lebe man im Biotop einer Firma auch "als Tierchen im Kampf gegen andere". Gegen die Konkurrenz - eben jene Leute, mit denen man jetzt plötzlich zusammenarbeiten soll. Folge: "Die Mitarbeiter wehren sich mit Zähnen und Klauen gegen das Fremde, das in ihre Welt eindringt." An diesem Krieg der Kulturen ist auch der Deutsche-Dresdner-Zusammenschluss gescheitert. Als vorige Woche die Nachricht umlief, die Fusion sei geplatzt, knallten die Korken. "Wir haben gefeiert - und wissen nicht, was", sagte ein Banker der Dresdner-Tochter Kleinwort Benson im Frankfurter Szene-Lokal "Living". Er senkte den Kopf. Vor seiner Nase die letzte leere Schampus-Flasche im Kübel. Es waren etliche an diesem Abend. Trotzdem kam keine rechte Stimmung auf. Und Rolf-E. Breuer? Noch vor kurzem als Super-Banker verehrt, hat ihn das Fusionsdebakel entzaubert. Die Untertanen fallen über ihn her - nun, da er, wie im Märchen, hüllenlos dasteht.
Henrik Müller/Ulric Papendick STERN 16/2000
Das Geschäft der GierigenKann man Banken noch vertrauen? Der frühere BDI-Präsident und Aufsichtsrat der Mittelstandsbank IKB, Michael Rogowski, erhebt schwere Vorwürfe gegen den Vorstand des krisengeschüttelten Kreditinstituts. Der Aufsichtsrat habe sich "nie" mit den Milliardenrisiken durch die sogenannten Subprime-Kredite beschäftigen können, "weil das gar nie artikuliert wurde", sagte Rogowski in der ZDF-Sendung "Maybrit ILLNER". Fragen dazu, die ab Mitte 2007 kurz vor Ausbruch der weltweiten Finanzkrise im Aufsichtsrat aufgekommen seien, seien "nicht beziehungsweise nicht hinreichend beantwortet" worden. Rogowski kritisierte weiter, ein Aufsichtsrat "muss sich verlassen auf das, was der Vorstand ihm an Unterlagen präsentiert". Der IKB-Aufsichtsrat habe sich in jeder Sitzung auf Basis eines "Risikoberichts in Zentimeterstärke" ausführlich mit Risiken beschäftigt, ohne dabei auf die Spekulationen mit überbewerteten Immobilienkrediten hingewiesen zu werden. Rogowski verwies auf ein externes Gutachten, wonach der Aufsichtsrat "nicht beziehungsweise falsch informiert" worden sei. Hat IKB-Vorstand Fehler gemacht? Der Ex-BDI-Chef warf dem Vorstand zugleich vor, mit den Geschäften offenbar seine Kompetenzen überschritten zu haben. "Man kann schon die Frage stellen, ob die IKB als eine Mittelstandsbank nicht Fehler gemacht hat, indem sie sich auf Gebiete gewagt hat, von denen sie ursprünglich nicht so viel verstand wie vom Mittelstandsgeschäft", betonte Rogowski. Allerdings sei die IKB "regelrecht gedrängt" worden, "über ihr nicht sehr einträgliches Mittelstandsgeschäft Geschäfte zu tätigen in der großen weiten Welt, um ihre Ertragskraft zu stärken - von Rating-Agenturen, von Finanzanalysten, vom Markt". Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, wiederholte seine Forderung, das Geschäftsmodell der Landesbanken ändern zu wollen. "Die Sparkassen sind dafür, dass wir an diesem internationalen Geschäft Risiken zurück fahren. Das wird auch Personal kosten. Das muss man fairerweise sagen", räumte der Sparkassenpräsident ein. Jede Bank, die international tätig sei, "ist in diesem Markt und damit auch gefährdet". Die auf die Realwirtschaft ausgerichteten Sparkassen seien daher auch weniger bedroht, so der Haasis, daher werde es dort auch in Zukunft keine "Kreditklemme" geben. "Die Krise muss uns aufrütteln" Der Friedensnobelpreisträger und Alternativ-Bankier Muhammad Yunus verlangt tiefgreifende politische Konsequenzen aus der weltweiten Finanzkrise. Angesichts eines geschätzten Schadens von einer Billion Euro dürfe nicht einfach "ein Haken gemacht" werden, sagte Yunus bei Maybrit Illner. "Die Krise muss uns aufrütteln." "Wir sprechen hier nicht über eine Bankenkrise, sondern über eine Wirtschaftkrise. Wir werden noch sehen, wie viele Schichten das noch runtergeht", warnte der Friedensnobelpreisträger des Jahres 2006. Es sei "schockierend", dass niemand einen Fehler gemacht haben wolle. Am Ende müsse jemand die Verantwortung übernehmen. Die Finanzinstitutionen gehörten "auf den Prüfstand". "Steuerzahler nicht erpressen" Zugleich wandte sich Yunus gegen staatliche Finanzspritzen zum Ausgleich von Verlusten. Politik und Bevölkerung würden von den Banken "erpresst". Private Unternehmen dürften aber nicht die Möglichkeit haben, ganze Nationen von Steuerzahlern "zur Geisel zu nehmen". "Die Banken verlieren Geld, dann sollen sie es verlieren und nicht der Steuerzahler", betonte Yunus, dessen Grameen Bank seit 31 Jahren Kredite an die Ärmsten vergibt. Muhammad Yunus ist Begründer der "Mikrokredite" vergebenden Grameen Bank und damit einer der Gründer des Mikrofinanz-Gedankens. Er wurde 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seine Bank verleiht ihr Geld nicht an Vermögende und Konzerne, sondern an die Ärmsten der Armen. Seine Bank jongliert nicht mit Milliarden, ihre "Mikrokredite" belaufen sich oft nur auf fünf Dollar. Yunus ist sich sicher: "Die etablierten Banken arbeiten hauptsächlich nach dem Prinzip 'Je mehr Du hast, desto mehr bekommst Du'. Wir haben ein neues System aufgebaut nach dem Prinzip 'Je weniger Du hast, umso höhere Priorität wird Dir eingeräumt'. Das ist natürlich gegen jede bisherige Bankpolitik." "Mehr Kreditgerechtigkeit" Der "Banker der Armen" fordert: "Wir wollen dafür sorgen, dass die bestehende Finanzstruktur, welche eine extreme Apartheid hervorgerufen hat, überall geändert wird. Kredite dürfen nicht nur den Reichen zur Verfügung stehen. Das müssen die Banken verstehen lernen und sich ändern. Die Bevölkerung weiß, dass wir mehr Kreditgerechtigkeit brauchen. Die Denkstrukturen, die Politik, die Verhaltensweisen müssen sich ändern." Der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende und ehemalige Landesfinanzminister Ralf Stegner forderte in der Sendung die Einführung scharfer strafrechtlicher Sanktionen bei Missmanagement bis hin zu Gefängnisstrafen. Der Staat müsse mit "harter Aufsicht und harten Gesetzen" dafür sorgen, "dass bestimmte Dinge nicht mehr gehen". "Freiheitsstrafen für schlechte Manager" Zugleich müssten verantwortliche Manager finanziell haftbar gemacht und mit Freiheitsstrafen bedroht werden, unterstrich der SPD-Politiker. "Wenn einer so etwas macht, dann muss er halt auch einmal ins Gefängnis gehen, denn da hängen viele Existenzen kleiner Leute dran." Ähnlich argumentierte die Wirtschaftsjournalistin Christiane Oppermann ("Das Banken-Hasser-Buch - eine Kundin rechnet ab"). Banken dürften mit dem Geld der "normalen Bürger" nicht zocken. "Dieser florierende Handel mit diesen Forderungen hat auch deutsche Eigentumsbesitzer in große Schwierigkeiten gebracht", betonte sie. Oppermann forderte, dass in Zukunft "die Leute, die in der Spitze der Bank sitzen", wirklich verantwortlich gemacht werden - "mit Strafen". Die Banken dürften nicht alle Abschreibungen und Verluste "globalisieren und vergesellschaften" und die Gewinne einstecken. Man müsse von dieser "Gier nach Provisionen" in den Häusern wegkommen. 10.04.2008 http://maybritillner.zdf.de/ZDFde/inhalt/25/0,1872,7224441,00.html
Manager entstammen einer Elite, die
um sich selbst kreist. Daniel Goeudevert, Ex-Topmanager Quelle: www.3sat.de/kulturzeit/themen/127025/index.html Banken, Tiere, Fusionen
Was wir von Wölfen und Schimpansen
über Erik Zimen hat es geahnt: "Als mir Freunde von der Deutschen Bank erzählten, wie die Fusion mit der Dresdner so abläuft, war mir klar: Das kann nicht klappen." Zimen kennt sich aus, er ist Wolfsforscher. Seit über drei Jahrzehnten analysiert er das Verhalten des Canis lupus. "Und vieles von dem, was wir beim Wolf beobachten, kann man wunderschön auf den Menschen übertragen!" Vor allem, was die Rangkämpfe in der Wolfs-AG angeht. Das Leben eines Wolfes ist ein ununterbrochenes Klettern auf der Karriereleiter. Nach oben muss er ducken und den Schwanz einklemmen. Nach unten aber wird gebissen und gemobbt. Der gnadenlose Ehrgeiz ist dabei kein männliches Phänomen. Parallel zur männlichen gibt es im Wolfskonzern eine weibliche Hierarchie. Und da zeigt sich: Weibliche Chefs sind brutaler und beißwütiger. Der Sex ist es, der den Canis lupus so karrieregeil macht Je weiter unten im Machtgefüge, desto geringer ist die Chance, zum Zuge zu kommen. Nur für die Vorstandsvorsitzenden gibt es keine Einschränkungen. Verständlich, dass Wölfin oder Wolf nach entbehrungsreichen Jahren des Zuschauens die hart erkämpfte Macht nicht teilen wollen. Und darum kann es bei Wölfen keine Fusionen geben. "Würde man zwei Rudel fusionieren, gäbe das Mord und Totschlag" sagt Erik Zimen. Das Problem sind also nicht die kleinen Angestellten, sondern die Bosse. Für den Vorstandsvorsitzenden ist ein Abstieg ganz undenkbar. Wenn der einen Machtkampf verliert, ist er entweder tot oder er muss kündigen und als einsamer Wolf allein jagen. Wenn er Glück hat, duldet ein fremdes Rudel ihn in seiner Nähe, vielleicht als Berater der Geschäftsführung. Aber keine Festanstellung und vor allem: No sex! Bei einer Fusion, ob von Banken oder Wolfsrudeln, geht es nicht nur um einen Entscheidungskampf an der Spitze. Plötzlich müssen sich alle, die eine Position zu verlieren haben - bis hinunter zum Filialleiter -, um den sicher geglaubten Rang beißen. Vor einigen Jahren hat Erik Zimen das miterleben müssen. Im Wolfsgehege des Nationalparks Bayerischer Wald bestand das Rudel nur noch aus sechs Rüden und einem unfruchtbaren Weibchen. Also wurde ein kleines neues Rudel - zwei Rüden und zwei Weibchen - im Gehege ausgesetzt "Sie haben sich gegenseitig umgebracht, bis nur noch drei der alten Rüden sowie ein Weibchen und ein Rüde aus der neuen Gruppe übrig waren!' Zimens Fazit: "Bei Säugetieren mit hierarchisch strukturierten Gruppen gibt es keine Fusionen, jedenfalls keine friedlichen!" Humanethologe Prof. Irenäus Eibl-Eibesfeldt schränkt diese Feststellung ein: "Bei der Übertragung von Beobachtungen aus dem Tierreich auf uns Menschen muss man natürlich vorsichtig sein."' Das tierische Verhalten ist weitgehend genetisch festgelegt. Der Mensch als Kulturwesen wird hingegen sowohl von angeborenem als auch von erlerntem Verhalten gesteuert. "Ich beobachte nun aber schon eine ganze Zeit, dass unter Spitzenmanagern das erlernte Verhalten in dieselbe Richtung weist wie das angeborene Verhalten, also Rangkämpfe und Dominanzstreben", sagt Prof. Eibl-Eibesfeldt. Die einzigen Säugetiere, die manchmal aus zwei Gruppen eine machen, sind unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen. Doch sind dies keine Fusionen unter Gleichen, sondern feindliche Übernahmen. Wenn sie in der Übermacht ist, überfällt die eine Gruppe einzelne Männchen der Konkurrenz. Und tötet sie. Aber erst wenn deren Anführer entmachtet ist, klappt die Übernahme, und die neuen Weibchen können bestiegen werden. Eine raffinierte Managementmethode haben Forscher vom Affengehege im holländischen Arnheim in ihrer Schimpansenherde beobachtet Lange wurde die Gruppe von zwei Männchen angeführt - Nikltie und Yeroen -, obwohl eigentlich Luit der Kräftigste war. Solange das Duo zusammenhielt, konnte es den ehrgeizigen Luit in Schach halten. Ständig hockte das Team dicht beieinander, um zu demonstrieren: Zwischen uns passt kein Blatt. Aber natürlich wollte jeder der alleinige Chef sein, und so gingen sie aufeinander los. Beide wurden nur leicht verletzt. Doch am nächsten Tag schon führte Luit die Geschäfte. In Freiheit hätten Nikkie und Yeroen ihre Magnetkarte für die Tiefgarage abgeben und verschwinden müssen. Doch hier konnten sie nicht kündigen. Sie wurden degradiert. Von den früher bereitwilligen Weibchen wurden sie nun auf die Bäume gejagt. Heimlich schmiedeten Nikkie und Yeroen Rachepläne. Eines Nachts griffen sie Luit an. Zu zweit und im Schlaf. Luits Niederlage war total. Nikkie und Yeroen hatten ihm die Hoden abgebissen. No balls - ein enteierter Chef. Wenig später starb Luit. Nikkie und Yeroen nahmen wieder auf dem Chefsessel Platz. Walter Wüllenweber STERN 16/2000
lesen Sie hierzu auch den Text 'Menschenbild'
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Aktualisiert am 08.08.11