Partnerschaft

Brauchen wir "Führerscheine"
für die Liebe?

Von S. Rehling  

Die ersten verstohlenen Blicke, der erste Kuß, das erste Liebeserlebnis, schließlich eine dauerhafte Beziehung - Generationen gingen davon aus, daß derartiges nicht extra eingeübt werden muß. Das sind Verhaltensmuster, die den Menschen von Natur aus mitgegeben wurden - und die sich meistens früher manifestieren. als den jeweiligen Eltern lieb ist.

Genau darin sieht ein Wissenschaftler, Universitätsprofessor Dr. med. Kurt Loewit von der Abteilung für Sexualmedizin und Fortpflanzungsbiologie am Institut für Medizinische Biologie und Genetik der Universität Innsbruck das Problem. Menschen gehen Zweierbeziehungen ein, ohne in irgendeiner Weise richtig darauf vorbereitet zu sein. Und dies in einer Zeit, in der die gestiegene Lebenserwartung Partnerschaften nicht mehr nur ein bis zwei, sondern bis zu sieben Jahrzehnte dauern lassen kann.

Die Folgen in unserer industrialisierten verstädterten und teilweise der Religion entfremdeten Zeit: Gestiegene Scheidungsbereitschaft, Zunahme der nichtehelichen Gemeinschaften und Leid für die davon betroffenen Kinder.

"Vor dem Hintergrund dieser weithin neuen und komplexen Situation ist es unverantwortbar, schreibt der Professor in der neuesten Ausgabe der Fachzeitschrift 'Sexualmedizin', "daß in unserer Gesellschaft der Beruf des Ehegatten oder Elternteils zu den wenigen gehört, dessen Ausübung weder einer entsprechenden Vorbereitung noch eines wie auch immer gearteten Befähigungsnachweises bedarf."

Der Professor unterstreicht seine Meinung mit einem Zitat des Sexologen Ernest Bornemann: "Ein Staat, der seinen Bürgern und Bürgerinnen erlaubt, einander zu heiraten, ohne die Verantwortung der Ehe und Elternschaft beigebracht zu haben, begeht Selbstmord."

Und dann meint Professor Loewit: "Wie anders aber soll der Staat ihnen diese Verantwortung beibringen, wenn nicht durch eine gediegene und gut organisierte Vorbereitung. auf Partner- und Elternschaft?"

Alle Institutionen die diese Aufgabe bislang wahrnehmen - Schule, Weiterbildungsangebote staatlicher, nichtstaatlicher oder kirchlicher Institutionen, bedürften einer Ergänzung.

Der Professor denkt an "mehrtägige Seminare mit der Möglichkeit zu sozialem Lernren".

"Selbstfindung" sollte auf dem Lehrplan der Institution stehen, die offenbar zu dem bislang vermißten "Befähigungsnachweis" führen soll, den man flapsig auch als "Liebes-Führerschein" übersetzen könnte. Aber auch Freundschaft und Partnerschaft, die "nicht nur intellektuell bearbeitet, sondern auch erlebbar gemacht und eingeübt werden könnte", müßten auf den Stundenplan. Und "Kommunikationsweisen".

Letztere nehmen im Beitrag von Professor Loewit einen breiten Raum ein, sei doch, so der Wissenschaftler wörtlich: "Sexualverhalten nicht vordergründig als die notwendige Befriedigung eines ominösen Geschlechtstriebes und noch weniger eines angeblichen Fortpflanzungstriebes" zu begreifen, sondern "als eine ganz konkrete Form der körpersprachlichen Kommunikation in Beziehungen."

TZ München 15.05.91

 

Menschsein ist nicht nur ein Zustand,
sondern vor allem eine ständige Aufgabe.

humanistisch

  Kommunikation - Möglichkeiten zur Optimierung


 Mit freundlichen Empfehlungen 
Humanistische AKTION  
11/1999 



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Aktualisiert am 28.11.11