- Liebeskunst -

Ars amatoria von Publius Ovidius Naso  
18 Ausschnitte in der Übersetzung von Konrad Beikirchner  
1 Selbstvertrauen
2 Liebesbriefe
3 Männliche Schönheitspflege
4 Tränen, Küsse und Gewalt
5 Liebenswürdigkeit und Bildung
6 Friedfertigkeit und Nachgiebigkeit
7 Besonnenheit beim Schenken
8 Lob der Geliebten
9 Gewöhnung und nicht zu lange Trennung
 
10 Eifersucht als Anreiz
11 Kluges Verhalten gegenüber dem Rivalen
12 Verschwiegenheit
13 Mängel als Vorzüge
14 Reife Genüsse
15 Körperpflege
16 Verbergen körperlicher Mängel
17 Liebesspiel
18 Stellungen beim Liebesspiel
 
Selbstvertrauen
Buch 1 Vers 269 - 282

Das erste ist: glaube daran:
Du kannst sie kriegen - alle.
Dann kriegst Du sie auch.
Streck ruhig die Fühler mal aus.
Da schwiegen schon eher
die Vögel im Frühling
oder im Sommer die Grillen,
da zeigte auch eher der Jagdhund
dem Hasen die Hacken
als daß ein Mädchen sich sprödet
wenn einer sie anmacht - gekonnt.
Natürlich will dann auch die,
von der du dachtest: hier läuft nichts.
Außerdem macht es auch Spaß
dem Mann und der Frau, das Versteckspiel.
Allerdings ist hier der Mann
lang nicht so gut wie die Frau.
Würden wir Männer auf einmal
auf Anmachereien verzichten:
würden sie sicher sofort
unseren Part übernehmen.
So ist's ja auch bei der Kuh
auf der Weide: SIE
muht den Stier an,
oder die Stute den Hengst,
den SIE lustvoll bewiehert.
Gut, so wild ist unsereins nicht
denn das männliche Feuer
hat irgendwo auch ein Ende..
Also: gib sie nicht auf,
die Hoffnung auf sämtliche Frauen.
Denn in der riesigen Menge
wird kaum eine Dich niemals wollen.
Und eines ist klar: am Flirt
haben Spaß alle Frauen,
ob sie nun ja sagen
oder auch nein.
Selbst wenn Du Dich täuschst
ist das 'Nein'
nicht immer das Ende.
Doch was heißt hier schon: täuschst?
Dann wird halt auf's Neue geflirtet
denn das, was Du hast, das kennst Du
und Spaß macht immer das Neue.

Liebesbriefe
Buch I 437-486

Teste erst mal mit Papier
wie sicher Du sein kannst
schick einen Brief,
der weiß, was Du denkst,
Deinen Live-Auftritten voraus.
Schreib' ihr was Hübsches
und tu so, als hätt's Dich erwischt
und vergiß nicht
um dies oder jenes zu bitten,
denn: ist jemand wütend -
durch Bitten wird er wieder sanft.
Versprich auch das Blaue vom Himmel -
was schadet es schon, wenn Du's tust.
Wer einmal hofft,
glaubt gerne auch länger daran!
Und ist's auch Betrug - was soll's:
er dient einem nützlichen Ziel!
Das ist auch besser als Schenken,
was oft schon der Anfang vom Ende:
weil so ein Geschenk kann sie gut
zum Weiterverschenken verwenden
und hat noch dabei obendrein
nicht wirklich was Eignes verloren
Und was Du nicht schenkst,
damit kannst Du winken.
Das funktioniert wie beim Spieler,
der immer wieder verliert
um nicht zu verlieren!
Denk nur an eins
und halt das im Auge:
Du willst sie im Bett?
Na schön, aber ohne Geschenke!
Denn ist sie erst drin
dann wird sie drin bleiben
damit's nicht umsonst war!
Also: mache Dich fit
in Schreiben und Sprechen
denn darauf kommt's an:
im Parlament, vor Gericht und auch bei den Frauen.
So kriegst Du sie rum.
Mach's aber dezent.
Trag nicht vor Dir her
daß Du fit bist
und vermeid' es vor allem geschwollen zu wirken.
Schreib wie Du sprichst
und glaub was Du schreibst.
Ein paar Komplimente,
grad so, daß sie denkt,
Du sprächest mit ihr.
Kommt er aber zurück, der Brief
mit dem Stempel 'return to sender'
gib jetzt auf keinen Fall auf.
Steter Tropfen, is klar,
nur Geduld, Du wirst es schon schaffen.
Liest sie den Brief,
will aber nicht schreiben,
dann laß ihr en Spaß.
Wenn sie erst liest,
wird sie auch irgendwann schreiben.
So was läuft Zug um Zug
und braucht seine Weile.
Möglich, daß sie erst mal schreibt
sie würde sich fürchterlich ärgern.
Möglich, daß sie Dich bittet
sie doch in Frieden zu lassen.
Aber: worum sie Dich bittet,
davor hat sie Angst
und wünschen tut sie sich das,
worum sie nicht bittet:
daß Du nicht aufgibst.
Bleib also dran
und Du wirst bekommen
was Du Dir wünschst.

Männliche Schönheitspflege
Buch I 505-524

Um Himmels Willen mach NIE
Dauerwellen ins Haar!
Rasier nicht die Beine!
Lässige Schönheit, das steht den Männern.
Selbst Adonis war nur ein Waldschrat
und wurd doch von allen vergöttert.
Sauber Dein Körper und braun
als seist Du sehr sportlich.
Das Styling der Kleider ist wichtig:
sauber und auch in der richtigen Größe.
Hab auch ein Auge auf Schuhe
trag keine Latschen, zu groß,
oder abgewetzte Pantinen.
Laß Dir das Haar auch nie
zum Mecki frisieren,
geh lieber zum Profi und lasse Dich stylen.
Guck auf die Nägel: nicht lang
und ohne traurige Ränder
und schneid Dir, ich bitt Dich,
das Stachelhaar aus der Nase.
Und für den Mund
gibt's Wasser und Zeug
zum Sprühen und Gurgeln.
Mehr brauchst Du nicht, denn mehr
machen nur Nutten und Schwule.

Tränen, Küsse und Gewalt
Buch I 659-720

Tränen, nützliche Tränen!
Selbst Stahl können Tränen erweichen.
Wenn es nur irgendwie geht
und deine Wangen benetzt sind:
laß es sie seh'n.
Und wenn es nicht klappt -
wer weint denn schon immer
im rechten Moment -
schnell mit der Hand,
der nassen, ans Auge.
Jeder, der weiß, worum's geht,
mischt Komplimente mit Küssen:
ziert sie sich oder bleibt spröd -
hol sie Dir einfach von ihr.
Klar, daß sie erstmal sich sträubt
und anfängt, Dich zu beschimpfen.
Doch dahinter steckt nur,
sich von Dir besiegen zu lassen.
Acht aber drauf, daß trotz allem
Du ihren Lippen nicht weh tust,
weil sie sich sonst über Dich
als ätzenden Macho beklagt.
Allerdings: raubst Du nur Küsse
und läßt alles andere liegen
dann geschieht es Dir recht
wenn Du auch die noch verlierst.
Nenn es von mir aus Gewalt,
egal - so gefällt es den Mädchen:
oft erfreut tausendmal mehr
das, was man - nachgebend - schenkt.
Wird sie in plötzlichem Sturm
zur Liebe genötigt
freut sie sich oft - und den Sturm
sieht sie als zärtliches Lüftchen.
Bleibt aber die,
die man nötigen könnte,
allein, ist's ihr nicht recht
auch wenn sie scheinbar erfreut ist.
Manchmal ist es auch so:
man weiß nicht so recht, wie beginnen,
und man hätte es gern,
daß es der andere macht;
da sei ein Mann und geh auf sie zu
und bitte mit neckischen Worten.
Willst Du sie haben, dann bitte!
Sie möchte gebeten werden.
Merkst Du jedoch, sie wird stolz,
weil Du um solcherlei bittest,
laß es so stehen
und ziehe Dich etwas zurück:
viele streben nach dem,
was scheinbar in Ferne gerückt ist
und sie verschließen sich dem
was ihnen zu stark auf die Haut rückt.
Drängen, das schon, aber zart,
dann hat sie Dich gern in der Nähe.
Außerdem darf man nicht immer
direkt, was man möchte, schon zeigen:
oft ist es besser, Du tust so
als sei nur Freundschaft Dein Ziel.
Das hat schon oft funktioniert,
daß, was spröde war, endlich sich biegt!

Liebenswürdigkeit und Bildung
Buch II 107-120

Wirst Du gerne geliebt
sei liebenswert. Das heißt:
sei es nicht nur in Gesicht und Gestalt.
Denn: willst Du sie halten
und siehst Dich nicht gerne
mit offenem Munde da steh'n
wenn sie weg ist
dann schau, daß Du nicht nur gut aussiehst
sondern auch geistig was bringst.
Schönheit, Du weißt, bleibt nicht ewig.
Sie gräbt mit den Jahren
sich selbst ihr eigenes Grab.
Auch Blumen blühen nicht immer
und wer mag schon den Dorn allein -
ohne Rose!
Auch der Schönste kriegt graue Haare
und Runzeln, die seinen Körper zerknittern.
Beweg Dein Gehirn und halt es am Leben
als schöne Ergänzung zum Körper.
Denn das ist's, was bleibt
bis am Ende der Deckel sich schließt
auf der Truhe.

Friedfertigkeit und Nachgiebigkeit
Buch II 145-176

Gib öfters mal nach
tu's allerdings mit Geschick,
so erobert man Herzen.
Wer stur wie ein Panzer
brutal seinen Weg macht,
der erntet nur Haß und so einen
braucht man im Krieg und nicht in der Liebe.
Falken und Wölfe: wer hat
sie schon gern um sich?
Laß auch den Streit und erst recht
das BitterGeknötter:
die Liebe erhält man mit leiseren Worten.
Mit Keifen vertreibt der, der will,
seine Gattin, oder sie ihn,
so was hat Platz in der Ehe!
Der Geliebten sage nur das,
was ihre Ohren erfreut.
Schließlich hat kein Paragraph
Euch in die Betten gezwungen:
ihr tut's, weil ihr's wollt und nicht
weil das Gesetz es befiehlt.
Bring ihr einen Strauß schöner Worte:
da freut sie sich drüber
wenn Du zu ihr kommst.
Das allerdings, das sag ich nicht allen:
wer echt schenken kann,
braucht nicht auf mich hören:
er kann es längst.
Er sagt nämlich: Nimm!
Und zwar, wenn's ihm danach ist.
Das, was ich sage,
sag ich den andern.
Früher, da wußte ich selbst nicht,
wie man geschickt sich erhält,
was man liebt.
Schenken zum Beispiel,
konnte ich nicht
ich beließ es beim Reden.
Und einmal, ich weiß es wie heute,
riß ich ihr voll Wut an den Haaren:
oje, Tage hat mich das gekostet.
Später behauptete sie
ich hätt die Klamotten zerrißen.
Ich wollt's zwar nicht glauben
doch was sollt' ich tun:
ich mußte tatsächlich bezahlen.
Das sag ich auch nur,
damit Ihr DIE Fehler vermeidet:
Streiten macht Spaß mit dem Gegner,
der Liebsten begegne mit Sanftmut.

Besonnenheit beim Schenken
Buch II 261-272

Und eins noch: vermeide,
ich bitt Dich, die großen Geschenke,
das Protzige. Nein, sei bescheiden.
Schenke aber mit Pfiff.
Ist es grad Zeit
und der Garten trägt reichliche Früchte,
bring ihr ein paar,
und erzähl was von eigenen Bäumen
auch wenn sie vom Markt sind.
Schenk auch Delikatessen
Wachteln, Maronen, Champagner
und zeig ihr damit
daß Du gern an sie denkst.

Lob der Geliebten
Buch II 295-314

Hast Du das Gefühl:
es ist nicht leicht,
die Schöne zu halten,
dann sage ihr oft, sie sei schön.
Trägt sie gern rot,
dann sag ihr: es steht ihr.
Trägt sie gern Seide
dann flippe getrost drüber aus.
Trägt sie gern Gold, dann sag ihr
für Dich sei sie mehr wert als alles.
Trägt sie gern flauschig
dann lobe die kuschlige Wärme.
Kommt sie im Mini
dann sag ihr, das mache Dich heiß,
vergiß aber nicht
ein Wort zur Erkältungsgefahr.
Kommt sie mit Scheitel
dann lobe die vornehme Strenge,
kommt sie gelockt
die lockere Frühlingsfrisur.
Tanzt sie, dann lob ihren Rhythmus
singt sie, die Stimme,
und zieh ein Gesicht,
wenn sie's läßt.
Sprich übers Bett und was Dir dort Spaß macht
und sag ihr, wie gut's mit ihr ist.
Selbst wenn sie so wild ist
wie auf der Bühne die Turner
wird sie gleich sanft und lieb zu Dir sein.
Nur: mach es dezent.
Trag nicht zu dick auf
ein bißchen mußt auch
du selbst daran glauben,
sonst merkt sie die Lüge.
Man muß manche Künste verstecken
sonst wird man zum Esel
und hätte sich selbst
- zurecht - um alles gebracht.

Gewöhnung und nicht zu lange Trennung
Buch II 339-358

Ist die Liebe noch jung
laß häufig Dich blicken.
Hältst Du das durch
dann wird sie beständig.
Der Rhein war auch mal nur Quelle
und wird erst gemächlich zum Strom.
Gewöhn sie an Dich, denn
nichts ist so stark wie Gewohnheit.
Scheu keinen Einsatz
bis Du sie dann so weit hast.
Dich nur allein, Dich,
soll sie sehen und Dich nur allein,
Dich, soll sie hören
bei Tag und bei Nacht.
Doch dann, wenn Du denkst, sie kann auch
von sich aus sich melden,
dann, wenn Du spürst,
daß sie an Dich denkt,
auch wenn Du nicht da bist,
dann gönn ihr die Pause:
die ausgetrocknete Wiese
saugt mehr Regen auf als die feuchte!
Doch mach sie nicht zu lang, die Pause,
zu leicht schafft sie Platz für den Anderen!

Eifersucht als Anreiz
Buch II 435-492

Es gibt Frauen, die danken's Dir nicht,
wenn Du sie schonst.
Das sind die, die ermüden,
ist keine Rivalin in Sicht.
Ist es dem Esel zu wohl,
dann geht er auf's Eis,
denn schwer ist's, Erfolge
gelassen zu tragen.
So wird auch die Liebe
im sicheren Alltag
gern muffig und stumpf
und braucht, um erneut zu erwachen,
die schrilleren Töne.
Halt sie in Atem,
versuch, sie in Hitze zu bringen,
guck, daß sie blaß wird,
wenn sie Gerüchte vernimmt.
Dreifaches, vierfaches Glück,
wenn eine Frau, die Du gekränkt hast,
sich kränkt! Wenn sie,
sobald sie nur hört,
ob sie es will oder nicht,
daß Du sie betrogen,
außer sich Stimme und Farbe verliert!
Da möchte ich der Mann sein,
dem sie die Haare ausreißt,
dem sie die Wangen mit Nägeln zerkratzt,
dem sie mit Tränen den Tod wünscht,
und ohne den
ob sie es will oder nicht
sie nicht zu leben vermag.
Wie lange das dauert?
Nun, das liegt an Dir.
Laß sie nicht allzu lang schreien,
sonst wächst nur der Zorn.
Umarme den schimmernden Hals
und zieh sie zur Brust,
solang sie noch weint.
Küsse sie, zieh sie ins Bett:
dann ist es gut und der Zorn verraucht.
Und ist sie noch so in Rage
und sagt: sie sei Deine Feindin -
zieh sie ins Bett.
Sanft streckt dort jeder die Waffen,
denn Bett heißt fürs erste mal Frieden.
So machens die Tauben:
sie streiten und schnäbeln
als wär nichts gewesen.
Oder mehr noch: DIE WELT
war am Anfang ein Chaos,
ungeordnete Masse;
Sterne, Erde und Meer
man konnte sie nicht unterscheiden
und spät erst entstand, was wir seh'n:
wilde Tiere im Wald,
in der Luft die Vielfalt der Vögel
und im Wasser die Fische.
Anfangs auch stolpert der Mensch
völlig verwirrt durch die Welt:
Körper und Kraft, mehr ist es noch nicht.
Er hauste im Wald, fraß Gras
und schlief auf getrockneten Blättern
und keiner kannte den andern.
Man sagt, daß die Lust
über die Einsamkeit siegte:
sie habe den Mann und die Frau
letztlich zusammengeführt.
Was da zu tun war, dafür
brauchten die beiden nicht Lehrer.
Ohne Gewese und Kunst
kam man zum Liebesgeschäft.
So hat der Vogel sein Weibchen
und mitten im Wasser der Fisch
eine Frau, die seine Lust
mit ihm teilt.
Die Hirschkuh läuft gerne zum Hirschen
die Schlange umarmt die Schlange
die Hündin hängt eng an dem Hund
selbst das Schaf läßt froh sich bespringen
die Jungkuh erfreut sich am Stier
und die Ziege, wie blöd sie auch sei,
erträgt ihren schmutzigen Bock.
Die Stuten, sind sie erstmal heiß,
verfolgen den Hengst bis ans Ende
der Welt, auch wenn Flüsse sie hemmen.
Na also: nur mit solchen Mitteln
schaffst Du, daß ihr Zorn sich legt.
Denn diese Mittel, ich schwör's Dir,
sind stärker als ärztliche Kunst
oder sonstwas. Vertraue darauf.

Kluges Verhalten gegenüber dem Rivalen
Buch II 539-560

Ist er nun da, der Rivale,
so nimm's mit Geduld,
am Ende bist Du doch der Sieger.
Winkt sie ihm zu
so ertrag es
und schreibt sie ihm
laß ihn bloß liegen, den Brief.
Laß sie kommen und gehen
woher und wohin sie auch will.
Solcherlei Rechte gesteht auch er Ehe-
mann seiner Frau zu,
zumindest so lang,
wie des gesunden Schlafes
er sich erfreut.
Doch gebe ich zu: auch ich
hab an diesem Punkte zu knacken.
Hier ist, was ich denke,
nicht immer auch das, was ich tu.
Ja soll ich denn zuschaun
wenn sie einem anderen winkt?
Wie? Nichts unternehmen,
nicht wütend sein, nichts?
Geküßt hat IHR MANN sie, ich weiß,
wie das weh tut!
In diesem Punkte,
das sag ich nicht gern,
bin auch ich nicht zivilisiert.
Das hat mir schon öfter geschadet, denn
klüger ist der,
der auch dem Freunde gestattet,
heimlich zu naschen.
So schließ denn die Augen,
oft ist es besser, gar nichts zu seh'n.
Wenn sie's schon tut,
dann soll sie sich mindestens schämen,
denn es kann sein,
daß sie sich dann nicht mehr schämt,
hast Du die Schande entdeckt!
Versuch also nicht unbedingt,
sie in flagranti zu schnappen
Laß sie ruhig fremdgeh'n und denken,
Du hast auf den Augen Tomaten.
Sonst fangen die beiden noch an,
sich zu lieben!
Weil: wen man gemeinsam entdeckt
der steht in der Not auch zusammen!

Verschwiegenheit
Buch II 621-640

Früher, als noch kein Ziegel erfunden,
der uns vor Regen beschützt
und im Sommer vor Sonne,
als wir unter Eichen noch schliefen
und Eicheln noch fraßen,
suchten zum Lieben wir gerne den Wald
auf und schummrige Höhlen
denn: ganz so im Freien,
naja, da schämt man sich doch!
Heute dagegen setzt man in die Zeitung
was und mit wem man die Nacht so getrieben.
Man läßt manchen Hunderter springen
damit es auch jeder erfährt.
Du, na sicher, probierst alle durch,
egal, wo Du sie aufgerissen,
und erzählst es auch jedem:
"Die hab ich auch schon gehabt!"
Jede nimmst Du in den Mund,
auch wenn Du sie flüchtig nur kennst,
nur um mit ihr anzugeben.
Mehr noch: hättest Du wirklich
mit ihr was gehabt: Du würdest
es leugnen, so aber sagst Du:
mit jeder war ich schon im Bett.
Hatten sie nicht ihre Körper,
so haben sie doch ihre Namen:
was ihnen wirklich entging,
lasten dem Namen sie an.
Was nutzen schon Sicherheitsschlösser
an mehrfach verschlossenen Türen,
wenn es genügt,
daß einer behauptet,
er sei es -
obwohl er es nimmermehr ist?
Dein Ruf ist im Eimer.
Echtes Genießen heißt Schweigen
der Schleier erst macht den Genuß.

Mängel als Vorzüge
Buch II 641-681

Hüt Dich, ich bitt Dich, davor,
die Fehler des Mädchens zu tadeln.
Besser ist allemal
Du siehst einfach drüber hinweg.
Paßt Dir was nicht
dann gewöhn Dich daran, ich sag Dir
es geht. Die Zeit
macht manches erträglich.
Nur am Beginn schaut die Liebe,
leider, genauestens hin.
Alle die Fehler, die Mängel,
die Körper so haben
sind doch erträglich und hören
im Laufe der Zeit einfach auf
einem im Wege zu stehn.
Zum Beispiel riecht Stierleder,
wenn man's nicht kennt,
ganz und gar unerträglich.
Hat man sich aber gewöhnt
stört es die Nase nicht mehr.
Manches hält man auch aus,
wenn man es anders benennt:
ist sie pechschwarz
dann nenn sie brünett,
schielt sie, dann
schaut sie wie Silber
Klappern die Knochen,
dann nenn sie grazil,
ist sie klein, dann
nenn sie doch handlich,
ist sie gar fett,
dann ist sie halt üppig gewachsen -
Denn, wie gesagt, je nach Standpunkt,
ist jeder Fehler ein Plus.
Frage auch nie nach dem Alter,
das überlaß den Beamten,
zumal, wenn sie nicht mehr ganz frisch ist,
die besseren Zeiten vorbei sind
und tägliche Pflicht es schon ist,
die weißen Haare zu zupfen.
Das ist wie bei Geigen:
es klingen am besten die alten.
Klüger sind sie
und reich an Erfahrung:
sie bringen, was keine sonst bringt.
Sie ersetzen durch Pflege
was sie mit den Jahren verloren
und ihre Sorgfalt bewirkt,
daß man ihr Alter nicht sieht.
Stellungen? Och, an die tausend,
wie Du es willst,
kein Zeichner könnte es besser.
Und: lustvoll sind sie längst bereit,
Du brauchst sie nicht mühsam zu wecken!

Reife Genüsse
Buch II 682-702

Der Mann und die Frau:
beide sollen im selben Maß
an der Entspannung sich freuen.
Grauenhaft, wenn nach der Liebe
nicht beide Entspannung empfinden.
Das ist auch der Grund dafür, daß
ich auf Liebe mit Jungs nicht so steh'.
Grauenhaft, wenn sie Dich läßt,
bloß weil sie denkt,
sie muß Dich halt lassen.
Und trocken DEN Reim Dir verweigert:
sie denkt nicht ans...
nein, sie denkt nur ans Stricken!
Lust aus preußischer Pflicht:
darauf kann ICH gut verzichten.
Keine soll bei mir denken:
"na gut, wenn's denn sein muß..."
Ich will sie hören, die Laute:
das Gurren, das Stöhnen,
die ihre Lust mir verraten.
"Warte noch", "Halt es zurück"
DAS soll sie mir sagen.
Den Blick will ich sehen:
matt und besiegt, wenn sie
völlig ermattet dann da liegt,
ausgelaugt soll sie sein
und mir sagen: "Nein,
faß ich ein Weilchen nicht an!"
Das sind, allerdings, schon Genüsse
welche die Jugend nicht hat,
solche kennt nur das reifere Alter.
Wer keine Zeit hat, der mag sich
am jungen Wein freuen,
ich bin da mehr der Gourmet
und genieße nach Jahrgang:
je älter, je lieber.
Drängt es Dich also,
die goldenen Früchte zu pflücken,
die reifere Liebe bereithält,
dann lasse Dir Zeit:
Du wirst's nicht bereuen!

Körperpflege
Buch III 193-234

Fast hätte ich Euch noch ermahnt:
Schweißgeruch zu vermeiden,
die Beine auch glatt zu rasieren,
verzeiht, Ihr seid ja aus Rom
und nicht aus'm Kaff in der Pampa.
Dann brauch ich auch wohl nicht zu sagen,
daß gut ist, die Zähne zu pflegen
und Mundgeruch auch zu bekämpfen.
Puder kennt Ihr und Rouge
für die Wangen,
um so der Natur
gekonnt auf die Sprünge zu helfen.
Lidschatten in allen Farben
von Asche bis Krokus
steht Euch zur Verfügung.
Eine Kunst ist es, ja,
doch Ihr wißt sie zu nutzen.
Die Töpfchen und Tuben jedoch,
das Werkzeug der Kunst,
laßt sie niemanden sehen:
denn Kunst bleibt es nur,
wenn man die Technik versteckt.
Wie sieht das denn aus:
Das Gesicht von der Maske verschmiert
und dann klatscht das Zeug,
weil es schwer ist,
als Schmier auf Schulter und Busen.
Oder: die Salbe aus Ösyp:
mein Gott, wie die stinkt,
auch wenn draufsteht "Paris"
so ist sie doch
aus dem Steißfett von Hammeln gemacht.
Auch andere Salben:
aus Hirschmark zum Beispiel - buäh!
Oder die Pflege der Zähne:
Mann muß das nicht sehen!
Das Ergebnis ist schön,
doch der Weg dahin,
der ist sehr häßlich -
so ist es ja oft...
Das Gold wird gehämmert, gewalzt,
und am Ende entsteht doch ein Ring.
Oder: aus stinkender Wolle
wird später das duftigste Kleid.
Venus, die nackte, wringt sich das Haar:
was für ein Kunstwerk
und war doch vorher
nur irgendein schmutziger Stein.
Während Du also Dich schminkst,
laß uns glauben, Du schliefest.
Dann schnell noch das Finish!
DANN zeig Dich, doch vorher niemals.
Mich interessiert nicht,
von welcher Firma das Rouge ist.
Schmink Dich zu Ende
und dann erst öffne die Tür.
Man muß seinen Männern
nicht unbedingt alles verraten.
Das meiste lohnt nicht den Blick
wenn die Verpackung nicht wär.
Was im Theater besticht
ist bei näherem Hinschauen nur
mühsam zusammengeflickt.
Also: nun mach Dich schon schön
so lange Dein Freund es nicht sieht!

Verbergen körperlicher Mängel
Buch III 261-280

Die meisten Gesichter,
ich weiß, haben Fehler:
versteck sie.
Verstecke auch andere Mängel.
Hier ein paar Kniffe:
sitz, wenn Du klein bist, damit,
wenn Du stehst, man nicht annimmt,
Du säßest.
Sitz also da,
wie klein Du auch seist,
hingegossen auf Kissen.
Aber leg Dich nicht hin,
denn dann sieht man gleich,
wie klein Du in Wirklichkeit bist,
und deck Deine Füße mit irgendwas zu:
das ist dann perfekteste Täuschung.
Bist Du zu mager
dann trage
nur weich Dich umfließende Stoffe
in großzügig-üppgem Schnitt.
Bist Du zu blaß
dann solltest Du Farbiges tragen.
Mit modischen Schuhen
lenke vom häßlichen Fuß ab,
Strümpfe mit Mustern
heben das Bein mit Finesse,
hängende Schultern
stopft man mit Pölsterchen aus
und raffinierte BH's
geben dem Busen die richtige Form.
Hast Du patschige Finger
und brüchige häßliche Nägel
dann sei eben sparsam mit Gesten
wenn Du mit jemandem sprichst.
Hast Du Atemprobleme
dann sprich eben nie
mit nüchternem Magen
und halt etwas Abstand.
Sei sparsam mit Lachen
wenn Deine Zähne zu groß sind
oder zu schief
und denke daran:
in Fehlern liegt Charme -
man muß ihn nur nutzen!

Liebesspiel
Buch II 703-728

Ah! Jetzt liegen im Bett
die Verliebten!
Hier schweigt meine Muse, denn:
die Worte werden sie finden
derer sie beide bedürfen
und auch die Hand wird nicht
lange untätig sein.
Jetzt ist es Zeit für die Finger
sich tastend ins Lustreich zu wagen.
Mach nichts auf die Schnelle,
ich bitt Dich,
jetzt hast Du Zeit
und sollst sie auch haben.
Verzögere, wo es nur geht,
das weckt die Liebesgelüste.
Und hast Du Stellen gefunden
an denen die Frau gern berührt wird:
schäme Dich nicht, nur zu,
laß Deine Finger dort tanzen.
Dann wirst Du seh'n:
die Augen zittern und glänzen,
so tanzt auf dem Wasser die Sonne!
Dann wird sie stöhnen und flüstern
und gurren
und schöne Wörter Dir sagen.
Jetzt aber nur keine Eile
es geht nicht darum, der erste zu sein.
Nicht für Dich
und erst recht nicht für sie.
Zusammen ins Ziel!
Dann ist die Lust erst vollkommen
dann erst passiert, daß erschöpft
Ihr alle beide da liegt!

Stellungen beim Liebesspiel
Buch III 771-794

Jede Frau gehe
den eigenen Weg
ihrem eigenen Körper gemäß.
Es steht nicht jegliche Stellung
dem Körper, egal wie er aussieht.
Hat sie ein schönes Gesicht
soll auf dem Rücken sie liegen,
ist der Rücken vollendet und schön
soll man ihn - bitte - auch seh'n.
Weißt Du, daß Deine Schenkel
formvollendete Kunst sind,
dann leg sie ihm zart auf die Schulter.
Bist Du eher klein
dann reite mit ihm durch die Nacht
denn das ist Dein Vorteil,
die Schweren können das nicht!
Einer Langen und Schlanken steht gut
das Knie anzuziehn
und leicht den Kopf anzuheben.
Sind perfekt Deine Schenkel
und jugendlich straff Deine Brüste:
laß ihn am Bett vor Dir steh'n
und räkle Dich lustvoll im Laken.
Trägst Du Dein Haar gern offen
dann biege den Kopf leicht zurück
und laß es den Rücken umfließen.
Hast Du den Bauch voller Falten
was soll's, dreh Dich um
und zeig ihm beim Reiten den Rücken.
Tausend Wege nach Rom!
Und bist Du müde:
dreh Dich nach rechts,
stütz Dich leicht auf
das ist schön und
schont dennoch die Kräfte.
Das alles hat nur ein Ziel:
daß die Frau alle Wonnen
und Freuden der Liebe
im Innersten spürt
und gelöst die Entspannung genießt
und mit ihr der Mann.

Schlußwort des Dichters
804-812

Hier hat das Spiel dann sein Ende.
Das Schwanengespann,
das so brav meinen Nachen gezogen,
schirre ich ab und hoffe,
daß Frauen und Männer ab jetzt
nach gelungener Jagd
auf das Wild, das erlegte, schreiben:
"Dies hat Ovid mich gelehrt".

*

Von diesem Text gibt es eine CD bei 'roofmusic'

 

Ovid, lat. Publius Ovidius Naso, röm. Dichter, *43 v.u.Z., + etwa 17 n.u.Z., lebte in Rom als geschätzter Dichter der Gesellschaft.

Ovid ging von der gewiß nicht unsinnigen Annahme aus, daß die in seinem Buch beschriebenen mehr oder weniger "fiesen" oder gar boshaften "Tricks" der Geschlechter gegeneinander von den jeweils anderen gelesen werden - und es damit bei ihnen zu einem besseren Überblick und schließlich auch zu einer besseren ethischen Einstellung kommt. Allerdings wurde beziehungsweise wird sein Anliegen sowohl zu seiner Zeit als auch heute noch zumeist mißverstanden. Ein Grund, warum Ovid mit seinem Werk zudem nicht den von ihm erwünschten Erfolg der Besserung der Sitten hatte, war vermutlich auch, weil noch ein attraktives Konzept für junge Leute fehlte, wie sie es nun "richtig" machen können.

Diese Bemerkung wurde der Netz-Seite http://www.basisreligion.de/gespraeche.htm entnommen, in der es um Liebe, emanzipierte Ethik und Religion geht.

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Humanistische AKTION
 11/2004 


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www.humanistische-aktion.de/ovid.htm  

Aktualisiert am 13.11.11