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Kirchenopfer heute
Würzburger
Initiative fordert:
Ein Mahnmal für die Millionen
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»Das Wilhelmsgymnasium gilt als eine der letzten humanistischen Trutzburgen, seit 440 Jahren legt man hier auf den inneren Frieden großen Wert. Ausgerechnet in dem alten Gemäuer gab es nun mächtig Zoff. Wegen einer Ausstellung zu den Verbrechen der Kirche.
Die Vorgeschichte: Seit eineinhalb Jahren zieht die Würzburger Initiative »Mahnmal für die Millionen Opfer der Kirche« durch Deutschland. Auf 23 Schautafeln wird über Kreuzzüge, Hexenverfolgung, Inquisition und Ermordung Andersgläubiger informiert. Ein Geschichtslehrer des Wilhelmgymnasiums wurde aufmerksam, wollte die Wanderveranstaltung an die Schule holen. Nach einem Gespräch mit der Initiative gab Direktor Joachim Hopp im Juni sein Placet, letzten Dienstag wurden die Tafeln im 3. Stock der Schule aufgebaut.
Lang standen sie jedoch nicht da. Denn nach einem Elternabend am selben Tag fand Hopp in der Nacht keinen Schlaf. Sein Telefon zu Hause läutete Sturm, anonyme Anrufe beschimpften ihn, drohten mit Randale, falls die Ausstellung nicht verboten wird. Am nächsten Tag ließ Hopp die Tafeln abbauen...«
Abendzeitung München, 15.11.00
Leserbrief in der Abendzeitung
"Die Inquisition ist noch da"
»Danke für Ihren ausführlichen und objektiven Bericht über
die traurige Geschichte einer Inquisitonsausstellung in einem Münchner
Gymnasium. Der überstürzte Abbau dieser Ausstellung beweist, dass
die Ingusition in Bayern heute noch so perfekt funktioniert wie zu Galileis
Zeiten: Ein paar nächtliche Anrufe bei dem vorher seinem Verstand folgenden
Schulleiter (entspricht dem Zeigen der Folterwerkzeuge) - und schon lässt
er die Ausstellung bei Nacht und Nebel abbauen. Er möchte ja nicht auf
dem Scheiterhaufen der Anrufer landen. Egal, wer die Ausstellung konzipiert
hat, die Aussagen sind historisch nachweisbar, sogar der Papst hat sich doch
dieses Jahr dafür entschuldigt. Aber ein bayerischer Schuldirektor hat
im Jahre 2000 nicht den Mut, seinem Verstand zu folgen, und das an einem
Gymnasium, welches auf seine angeblich humanistische Tradition stolz ist.
Welche Zivilcourage mag so ein Mann sonst noch seinen Schülern vorleben,
z.B. in Fragen von Rassismus oder Frauenfeindlichkeit? - Ich werde versuchen,
diese Ausstellung in meiner Praxis zu zeigen. Mich schrecken nächtliche
Anrufe von Inquisitoren nicht. Dr. A. W. «
AZ 25/26.11.00
»Ketzer-Ausstellung« aus Schule verbannt
Dass die großen Kirchen, die katholische wie die protestantische, unter Hexen, Ketzern und Andersgläubigen unzählige Opfer gefunden haben, bestreitet niemand - nicht einmal die Amtskirchen selbst. Dazu hat die Initiative »Mahnmal für die Millionen Opfer der Kirche« eine dokurnentarische Wanderausstellung erarbeitet, die zuletzt im Wilhelm-Gymnasium zu sehen war. »Mit Bestürzung«, so schreibt die Initiative nun in einem offenen Brief an Oberstudiendirektor Joachim Hopp, habe man gestern erfahren, »dass die in Ihrer Schule mit Ihrer Erlaubnis aufgestellte Wanderausstellung über Nacht wieder abgebaut wurde«, obwohl es sich ausschließlich um Darstellung belegter Fakten handle. Ralf Speis als Sprecher der Initiative fragt gar, ob der Leiter des humanistischen Gymnasiums im Lehel, der den Inhalt der Dokumentation vorher kannte, womöglich bedroht wurde. Auf SZ-Anfrage betonte Oberstudiendirektor Hopp, es handle sich um einen »internen schulischen Vorgang«. Öffentliche Äußerungen dazu seien »noch nicht ganz abgeklärt«.
Süddeutsche Zeitung 11./12.11.00.
Kirchen-Opfer heute
Bericht aus einer Kindheit im "Kinderhaus der Liebe St. Hedwig"
Und dann sprach zu mir die Heilige Mutter Oberin: »Du bist ein Heide! Bist ein Heidenkind! Bist ein Nichts! Du bist das Produkt einer Ehebrecherin, bist der Wurf einer Sünderin!«
Nur weil ich ein zweites Stück Kuchen angenommen hatte, wurde der 6 km lange Heimweg für mich zur Hölle. Zwei lange Stunden spürte ich die harten Schuhe der Heiligen in meinen Fersen, und mit einer Nadel stach sie mich bei fast jedem Schritt in meinen Rücken. Blutrot waren die weißen Socken und mein Hemd. ... Im Kinderhaus der Liebe angekommen, gab es dann die richtige Tracht Prügel. Einen Besenstiel auf meinen Rücken, meinen Kopf auf meine Füße und Hände. Ich flüchtete vor ihr in die Knabentoilette. Versteckte mich hinter dem Klobecken. Sie, die Unbefleckte, riss an meinen Haaren. Dann steckte sie meinen Kopf in das Urinbecken und spulte ab.
Mir war alles egal. Ich wollte nur noch sterben!
Warum, liebster Gott, hast du nicht eingegriffen? Ich war doch erst 8 Jahre alt! Auch habe ich wieder mächtig Angst vor morgen. Du weißt ja - es ist der heilige Freitag ... und da gibt es mittags Fisch.
Ach Gott, wenn ich den erbrochenen Fisch wieder essen muss, so hilf mir doch bitte ... dieses eine Mal nur, dass der Fisch in meinem Bauch bleibt; dass ich diesen nicht wieder ausspucke. Dann bekomme ich wenigstens keine Schläge.
... Dann starb meine Mutter. Heilige Nonne, ließ mich nicht der Beerdigung. Ich war unartig!
Eine kleine Blaumeise suchte bei mir Schutz und Pflege. Sie war am Flügel verletzt. Behutsam wickelte ich das Vögelchen in mein Hemd und nahm es mit auf mein Zimmer. Jemand verpetzte mich. Braut Jesu wollte dies nicht und warf das kleine Etwas ... in die Toilette. Dann drückte die Heilige den Knopf des Todes - sie spülte den Vogel einfach ab! Lange, ja sehr lange, hörte ich das Piepsen und ängstliche Flattern der kleinen Blaumeise. Und noch heute höre ich - hin und wieder - den dringenden Hilferuf jenes Vogels. Er wollte doch nur singen!
Bräute Jesu ... ermordeten meine Gefühle.
Ralf Josef Foit
Mahnmal Aktuell 1/00
Mit der Wahl Pius IX für die diesjährige Seligsprechung entschied sich der Vatikan für einen besonders problematischen Kandidaten. Pius IX war der Verfasser des berüchtigten Syllabus, eine Kampfschrift gegen die aufkeimende Demokratie-Bewegung in Europa, auf die die Jungpriester noch bis zum Ende 19. Jahrhunderts eingeschworen wurden. Bekannt ist auch die Entführung eines jüdischen Kindes und dessen Zwangstaufe, die auf Veranlassung dieses Papstes geschah. Diese Tat passt zu Pius ständigen Anklagen einer vermeintlichen "Verjudung der Gesellschaft".
Mit der Seligsprechung des Kindesentführers, Antisemiten und Antidemokraten Pius IX fiel nicht zum ersten Mal die Wahl auf eine zweifelhafte Person, die ja eigentlich nach eigenem Verständnis der Katholischen Kirche ein leuchtendes Beispiel für die Gläubigen sein soll. Den bisherigen Höhepunkt solcher Missgriffe leistete sich der Vatikan im Jahre 1930, als er den Jesuiten und Kardinal Robert Bellarmin (1542-1621) heilig sprach. Bellarmin war verantwortlich für die Hinrichtung Giordano Brunos auf dem Scheiterhaufen, der der Kurie ein Dorn im Auge war, weil er - wer wollte das heute noch bestreiten - die Sterne im Weltall für Sonnen wie die unsrige hielt. Auch das Inquisitionsverfahren gegen Galileo Galilei leitete Bellarmin ein. Aber auch der private Lebenswandel Bellarmins war für einen Geistlichen eher ungewöhnlich. Er widmete sich hunderten von Konkubinen und war auch der Sodomie zugeneigt (siehe Pfaffenspiegel, Otto v. Corvin, 33. Aufl. Seite 245).
Natürlich steht es dem Vatikan frei, selig zu sprechen, wen immer er will. Wenn jedoch Personen ausgewählt werden, die für Verbrechen, Rassismus, Demokratiefeindlichkeit und pfäffisches Lotterleben stehen, so sollten die Katholiken, die sich mit solchen "Vorbildern" nicht identifizieren können, überlegen, ob sie nicht in der falschen Organisation sind.
Dietmar Michalke
bfg 9/00
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www.humanistische-aktion.de/kiopf.htm
Aktualisiert am 11.11.11