Gläserne Abgeordnete

Offenlegung der Einkünfte

Nur ganz wenige Abgeordnete legen ihre Einkünfte offen. Sie hätten es verdient, öffentlich dafür geachtet zu werden, stattdessen greift man sie sogar dafür an, so daß bei ihnen der Eindruck entsteht, der Ehrliche sei der Dumme. Wenn Sie die hier genannten Abgeordneten ermutigen wollen, diese Offenheit beizubehalten, dann können Sie ihnen am Ende dieser Seite Ihre Anerkennung per Email zusenden.

auf dieser Seite:

Zeitungsbericht zum Thema   -   Liste der "gläsernen" Bundestags-Abgeordneten

Diäten-Rangliste der Länderparlamente   -   Gehälter von Ärzten bis Verkäuferinnen

Europa-Politiker   -   Gewerkschaften

Hausarbeit  

 

Die gläsernen Abgeordneten gewähren Einblick

Einige wenige Parlamentarier legen ihre gesamten Einkünfte offen - Homepage im Internet

Von Daniel Friedrich Sturm

Berlin - Angelika Volquartz ist verunsichert. Vor einem Jahr wurde die CDU-Politikerin aus Kiel in den Bundestag gewählt. Jetzt legte sie über ihre Einkünfte Rechenschaft ab. Bürger beschwerten sich daraufhin über das ihrer Meinung nach viel zu hohe Einkommen ihrer Abgeordneten. Mehrfach wurde Volquartz selbst, ebenso die Kommunalpolitiker ihrer Partei, auf der Straße angesprochen und angerufen. Tenor: Es ist ja viel zu viel, was Sie verdienen.

"Bei der optischen Offenheit der Reichstagskuppel", meinte Angelika Volquartz nach ihrem Umzug von Bonn nach Berlin euphorisch, "sollte es nicht bleiben." Jedes Jahr wollte sie nun ihr Einkommen veröffentlichen. Die Bevölkerung habe schließlich einen "Anspruch darauf zu erfahren, wie ich arbeite und was ich verdiene".

Heute gerät die Parlamentarierin ins Zweifeln. Die Ehrliche ist die Dumme, lautet das Fazit der Abgeordneten. Sie habe sich immer um Offenheit bemüht - und könne ihr Einkommen für ihre 80-Stunden-Woche auch rechtfertigen. "Zunehmend gerate ich nun aber ins Kreuzfeuer der Kritik", erzählt sie. Dabei gehört sie zu jenen Bundestagsabgeordneten, die neben ihren Diäten - 12 875 Mark monatlich - keine Nebeneinkünfte verzeichnen. "Honorare für Vorträge habe ich noch nie entgegengenommen." Arbeit in Vereinen und Ausschüssen leiste sie ehrenamtlich. Diese Aussage, interpretierte manch einer, zeige, dass die Abgeordnete auch hier noch Geld verdienen wolle. Nein, sagt die Politikerin, darum sei es ihr nie gegangen. Künftig will sie ihre Diäten den Besuchergruppen erläutern. "Man muss das offensiv vertreten."

Angelika Volquartz zählt zu den wenigen "gläsernen Abgeordneten" im Bundestag. Nur eine Hand voll Parlamentarier legen ihre Einkünfte dem Wählervolk offen. Legendär unter ihnen war der langjährige Abgeordnete und heutige Kieler Oberbürgermeister Norbert Gansel (SPD), der seine Einnahmen als Erster der Öffentlichkeit zugängig machte.

Hans Martin Bury, Staatsminister im Kanzleramt, wandelt auf den Spuren seines Parteifreundes Gansel. Auf seiner Homepage im Internet erläutert Bury seine Einnahmen. Hier erwähnt er etwa seine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat der Deutschen Ausgleichsbank, durch die er "pauschal 5000 Mark pro Jahr" erhält. Ebenso erläutert der SPD-Parlamentarier seine Ausgaben, die durch seine monatliche Kostenpauschale (4844 Mark) gedeckt werden. Bury verweist etwa auf die Büromiete (894 Mark), Porto (300 Mark) und Telefon (298 Mark). Nicht zuletzt der Hinweis: "Damit Umfang und Qualität der Wahlkreisarbeit in bewährter Weise aufrechterhalten werden können, bezahlt Hans Martin Bury die durch die Pauschale nicht gedeckten Kosten aus seinem persönlichen Einkommen."

Der gläserne Sozialdemokrat fordert für und von seinen Bundestagskollegen allgemein "gläserne Taschen". Wenn es nach ihm ginge, müssten alle Abgeordneten ihre Einkünfte offen legen. "Doch so viel Offenheit geht der Mehrheit bisher zu weit." Eine entsprechende Gesetzesinitiative der SPD sei in der vergangenen Wahlperiode abgelehnt worden. Bury: "Das schuf verständlicherweise Misstrauen."

Ganz ähnlich sieht dies der Bündnisgrüne Abgeordnete Christian Simmert. Er veröffentlicht im Internet sogar seine jüngste Steuererklärung, zudem auch eine Übersicht zu Bezügen und Ausgaben. Simmert führt allein monatlich 2500 Mark an die eigene Partei und andere Initiativen ab. Einen gleich hohen Betrag verwendet er für Mieten in Berlin und im Wahlkreis.

Christian Simmert zur WELT: "Je mehr Affären ans Licht kommen, umso mehr erscheint Politik als schmutziges Geschäft." Dabei sei das Internet doch gut geeignet, seine Finanzen als Parlamentarier darzulegen. Nur so könne man dem Vertrauensverlust gegenüber Abgeordneten entgegensteuern. Bei vielen Kollegen registriere er in dieser Frage allerdings viel "Hilflosigkeit", sagt der 27-Jährige, andere hingegen weigerten sich, ihre Ein- und Ausgaben zu publizieren.

Er selbst lehne die Annahme von Honoraren für Auftritte und Beiträge generell ab. Auch hier herrsche Unsicherheit und Unwissenheit: "Erst neulich fragte mich ein Kollege, wie man das handhaben soll." Er habe ihm geraten: "Lass die Finger davon." Christian Simmert fordert auch von den anderen Abgeordneten die Transparenz, die er sich selbst abverlangt. Außerdem müssten die Abgeordnetendiäten grundsätzlich neu geregelt werden: "Welcher Arbeitnehmer kann schon selbst bestimmen, wie viel Gehalt er bekommt?"

Der Haushalt des Abgeordneten Christian Simmert im Internet: http://www.simmert.de

Die Welt, 28.12.99

Offenheit verdient immer Anerkennung.

Otto von Bismarck
In der preußischen 2. Kammer, 24.11.1894

 

Liste der mutigen Abgeordneten im Bundestag
mit ihren monatlichen Einkünften

 

  1. Angelika Volquartz *1946 CDU. Abgeordneten-Diät DM 12 875,--; Kostenpauschale DM 6.520,--; keine Nebeneinkünfte. Email: angelika.volquartz (at) bundestag.de

  2. Hans Martin Bury *1966 SPD. Gehalt als Staatsminister DM 19.464,--; Abgeordneten-Diät DM 7.293,--; Kostenpauschale DM 4.890,--; Erklärungen dazu: Kostenpauschale: 4844 Mark monatlich. Nebeneinkünfte: 5000 Mark pro Jahr als Verwaltungsrat der Deutschen Ausgleichsbank. Ausgaben: Büromiete (894 Mark), Porto (300 Mark) und Telefon (298 Mark) http://www.bury.de - Email: post (at) bury.de

  3. Jörg Tauss *1953 SPD. Abgeordneten-Diät DM 12.839,73; Kostenpauschale DM 6.459,--; Nebeneinkünfte aus Miete DM 800,--; Honorare DM 80,-- bis DM 380,--. Erklärungen dazu: http://www.tauss.de - Email: joerg (at) tauss.de

  4. Christian Simmert *1972 Grüne. Abgeordneten-Diät DM 13.311,73; Kostenpauschale DM 6.384,--; Erklärungen dazu: http://www.simmert.de - Email: SimmertMdB (at) aol.com

  5. Florian Pronold *1972 SPD. http://www.florian-pronold.de/

  6. . . . ?


Die Diäten-Rangliste der Länderparlamente
 

  1. Hessen: 6401 Euro Grundentschädigung im Monat plus 511 Euro Kostenzulage
  2. Bayern: 5718 plus 2686 Euro Kostenpauschale
  3. Niedersachsen: 5403 plus 1027 Euro Aufwandsentschädigung
  4. Rheinland-Pfalz: rund 4981 plus 1 125 Euro Unkostenpauschale
  5. Nordrhein-Westfalen: 4807 plus 1206 Pauschale
  6. Baden-Württemberg: 4557 plus 889 Euro Pauschale
  7. Saarland: 4429 Euro plus Kostenpauschale
  8. Brandenburg: 4399 plus 872 Euro für Kosten
  9. Thüringen: 4318 plus rund 1050 Euro Aufwandsentschädigung
  10. Sachsen: 4284 plus 1161 Euro Kostenpauschale
  11. Sachsen-Anhalt: 3937 plus 997 Euro Kostenpauschale
  12. Schleswig-Holstein: 3926 plus 818 Euro Kostenpauschale
  13. Mecklenburg-Vorpommern: 3890 plus 1098 Euro Kostenpauschale
  14. Berlin: 2951 plus Kostenpauschale 870 Euro
  15. Bremen: 2485 plus Amtsausstattung 421 Euro
  16. Hamburg: 2224 Euro plus Kostenpauschalen unterschiedlicher Höhe

Die Rangliste mit Stand Mai 2003 richtet sich nach den Grundentschädigungen für Landtagsabgeordnete der einzelnen Bundesländer laut der jeweiligen Abgeordnetengesetze. Ausnahme ist die Angabe für das Saarland: Quelle ist die Vergleichstabelle des Bayerischen Landtags vom August 2002.


Gehälter: Wer verdient was?

Von Arzt bis Verkäuferin: die aktuelle Einkommens-Liste (6/2000)

Tabu-Thema Gehalt. TVneu lüftet das Geheimnis: Durchschnittlicher Brutto-Verdienst, Zulagen, Überstunden - die Gehalts-Übersicht von A bis Z. Arzt/Ärztin: Anfangsgehalt ca. 5200 DM, nach 15 Jahren mit Ortszuschlägen und Wechselschichtzulagen knapp 7600 DM. Chefärzte: Zwischen 6400 DM und 10000 DM. Briefträger/in: 3100 DM, nach 20 Jahren 4100 DM. Verheiratete/2 Kinder: 320 DM mehr. Feuerwehrmann: 2800 DM, nach acht Jahren knapp 3400 DM. Zulage: 240 DM im Monat, im 1. Jahr 120 DM. Friseur/in: 1435 DM, nach fünf Jahren bis 2400 DM. Überstunden 50%. Kfz-Handwerk: 1915 DM, nach 20 Jahren bis 5337 DM. Überstunden 25%, sonntags 70%, feiertags bis 175%. Krankenschwester: 3450 bis 4330 DM, Oberschwester 5520 bis 7340 DM (mit Orts-und Schichtzulage). Lockführer: 4200 bis 5600 DM (nach 15 Jahren). Zuschläge: nachts 2,50, sonntags 6,39, feiertags 7,73 DM/Stunde. Müllabfuhr: Ein 20-Jahriger fängt mit 3264 an, steigert sich in 20 Jahren um 1500 DM. Überstunden, z.B. sonntags 25%. Polizist/in: Ledige Polizeimeister beginnen mit 3045 DM (inkl. Zulagen 3500 DM). Nach ca. 25 Jahren als Oberkommissar 5100 (inkl. Zulagen 7000 DM). Schornsteinfeger: Zwischen 4000 und 4800 DM, Bezirksschornsteinfegermeister ca. 1000 DM mehr. Verkäufer/in: 2760, nach fünf Jahren 3100 DM. Überstunden 25%. sonntags 120%. feiertags 200%. Zahnarzthelferin: 2450 DM, nach fünf Jahren 3000 DM.

TVneu 23/2000

(Durchschnitts-Einkommen BRD 2004: 31.000 Euro/Jahr = 2.583 Euro/Monat)


Die Raffkes von Brüssel

Bedienstete der Europäischen Union verdienen fast doppelt soviel wie ihre
Kollegen in Deutschland. Trotzdem sperren sie sich gegen Sparkonzepte

Die 300 Büroboten im Brüsseler Breydel-Gebäude können sich nicht beklagen. Ihr Dienstherr, die EU-Kommission, sorgt großzügig für ihr finanzielles Wohlergehen. Bis zu 5000 Mark netto, einschließlich diverser Zulagen, streichen die "huissiers" (Amtsdiener) jeden Monat für die Post- und Aktenverteilung im Hauptquartier der Europäischen Union ein. Niemand kommt zu kurz in Brüssel. Handwerker und Sekretariatskräfte bringen es in EU-Diensten in der höchsten Dienstaltersstufe nach Abzug von Steuern und Versicherungsabgaben auf monatlich 6500 bis 7500 Mark. Übersetzern und Dolmetschern bleiben dementsprechend zwischen 9500 und 12500 Mark in der Tasche. Referenten werden mit Netto-Monatseinkommen von bis zu 18000 Mark entlohnt, Abteilungsleiter mit maximal 21500 Mark. Einkünfte, von denen die Kollegen in den Mitgliedsstaaten der Union nur träumen können, fließen vor allem auf die Konten der Brüsseler Spitzenbeamten.

Dank eines hohen Grundgehalts und inklusive sämtlicher Zulagen kassieren die 57 EU-Generaldirektoren in der Gehaltsstufe A1, von denen sieben aus Deutschland kommen, pro Monat unter dem Strich bis zu 27000 Mark - nahezu doppelt soviel wie vergleichbare Ministerialdirektoren in der Bundesrepublik. Die 19 EU-Kommissare, zu denen Ex-Wirtschaftsminister Martin Bangemann und die ehemalige ÖTV-Chefin Monika Wulf-Mathies zählen, werden mit monatlichen Nettoeinkünften von etwa 30000 Mark bedient. "Die Gehälter der rund 30000 EU-Bediensteten in Brüssel, Luxemburg und Straßburg", kritisiert der Bund der Steuerzahler in Wiesbaden, "sind in den letzten 20 Jahren völlig aus dem Ruder gelaufen." Während der Bürger vom Fiskus immer "härter geschröpft wird", wettert Verbandspräsident Karl Heinz Däke, "stopfen sich die Eurokraten weiterhin ungeniert die Taschen voll".

Harsche Kritik an den Pfründen und Privilegien der EU-Beschäftigten kommt auch aus Bonn. Nach Ansicht von Reinhard Riegel, Leiter des Referats für Internationales Dienstrecht im Bundesinnenministerium, hat die Europäische Union inzwischen den "Charakter eines Quasi-Selbstbedienungsladens". Ihr Besoldungs- und Versorgungsrecht werde zunehmend zum "heißen Eisen". Im Durchschnitt haben die Beamten und Angestellten in der Brüsseler Zentrale und deren Dependancen, so Riegel in einer Bundesanzeiger-Beilage, 80 bis 100 Prozent mehr in der Tasche als ihre Kollegen in Deutschland. Vor allem Bonner Politiker wollen sich nicht länger damit abfinden - zumal ein Drittel der rund sechs Milliarden Mark EU-Personalkosten von deutschen Steuerzahlern aufgebracht wird. Vor wenigen Wochen forderte der Haushaltsausschuß des Bundestages die Bonner Regierung auf, bei der vorgesehenen Verwaltungsreform in der EU eine Änderung des Besoldungsniveaus durchzusetzen. Bundesrat und Bundesrechnungshof haben schon seit längerem entsprechende Schritte angemahnt.

Ins Geld gehen nicht nur die jährlich steigenden Grundgehälter, sondern auch etliche "Schmankerln", die "alle Grenzen des guten Geschmacks überschreiten" (Riegel). So erhalten EU-Bedienstete eine Auslandszulage von 16 Prozent des Grundgehalts - selbst wenn sie am Dienstort einen festen Wohnsitz haben. Als "regelrecht grotesk" bezeichnet es der Bund der Steuerzahler, daß Brüssel - ohne Kostennachweis - für jedes Kind bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres ein Schulgeld von 360 Mark gewährt. Auch bei der Erstattung von Dienstreisekosten läßt sich die EU nicht lumpen. Tagegeld und Übernachtungspauschale liegen um bis zu 100 Prozent über den Sätzen, die Beamten in der Bundesrepublik zugestanden werden.

Äußerst generös ist zudem die Altersversorgung für die EU-Beschäftigten. Bereits mit 60 können sie ohne finanzielle Abstriche in Pension gehen. Bleibt jemand bis zum 65. Lebensjahr, wird ihm diese Entscheidung laut Riegel "geradezu vergoldet". Für jedes Jahr zusätzliche Dienstzeit erhalte er nicht nur die übliche zweiprozentige Anpassung der Pensionsbezüge, "sondern zusätzlich einen Bonus von fünf Prozent der bis zum 60. Lebensjahr angewachsenen Versorgungshöhe". Fast 9000 Pensionäre profitieren bereits von dieser außergewöhnlichen Ruhestandsregelung. Bis zum Jahr 2007 wird ihre Zahl auf 14000 ansteigen; zumal die EU-Kommission kaum etwas tut, um zu rationalisieren, sondern den Verwaltungsapparat weiter aufbläht.

Darben muß wahrlich niemand in Brüssel. EU-Mitarbeiter dürfen mit Sonderausweisen in exklusiven "Economat"-Läden einkaufen, die das Feinste für Küche und Keller bieten, vor allem landestypische Delikatessen aus ganz Europa. Und das zu Preisen, die weit unter üblichem Niveau liegen. Das "gern ins Feld geführte Argument, EU-Beamte hätten besonders hohe Lebenshaltungskosten" und müßten deshalb überdurchschnittlich entlohnt werden, ist nach Ansicht von Kritikern wie dem Steuerzahlerbund nicht überzeugend. Für wenig einleuchtend hält der zudem die Behauptung, ohne außerordentliche Bezahlung sei es nicht möglich, Fachkräfte aus ihrer Heimat nach Brüssel oder Luxemburg zu locken. Tatsächlich fehlt es nicht an Bewerbern. So meldeten sich für rund 500 Beamtenstellen, die vom Herbst an besetzt werden sollen, 30000 junge Akademiker aus ganz Europa.

Der in Brüssel offenkundig gewordene "Verlust der Maßstäbe" (Riegel) stößt nicht nur in Deutschland auf Unmut. Widerstand gegen die Spitzenbezüge der Eurokraten kommt auch aus Finnland, nachdem dort bekannt ge-worden war, der Chef der EU-Vertretung in Helsinki verdiene mehr als der finnische Ministerpräsident. Aber bei ihren Bemühungen, mehr Einfluß auf die Besoldung zu bekommen, bissen die nationalen Politiker bisher auf Granit. Jetzt rächt sich, daß sie einst der EU-Kommission das alleinige Vorschlagsrecht bei der Festlegung des Gehaltsgefüges eingeräumt haben. Hartnäckig verteidigt der Brüsseler Beamtenapparat nun sein "Recht auf Selbstbedienung" (Steuerzahlerbund), ohne Rücksicht auf Sparappelle und -programme.

Daß dies nicht so weitergehen kann, sehen inzwischen auch manche Kommissionsmitglieder ein. Aufgescheucht durch den Druck vor allem aus Bonn, Helsinki und Amsterdam, bastelte der für Personalpolitik zuständige EU-Kommissar Erkki Liikanen in aller Stille an einem Konzept, das wenigstens eine Teilreform des Brüsseler Bürokratie-Molochs und Besoldungsgefüges bringen sollte. Zu den Kernpunkten der Reform zählte die Forderung, leitende Beamte aus den Mitgliedsstaaten befristet auf fünf Jahre nach Brüssel zu entsenden und deren Gehälter aus den nationalen Kassen zu bezahlen. Beförderungen sollten nicht mehr automatisch, sondern nach Leistung erfolgen. Die generelle Unkündbarkeit der EUBeamten, so das Liikanen-Papier, müsse aufgehoben werden.

Die Betroffenen witterten einen Anschlag auf ihre Unabhängigkeit und demonstrierten, wer Herr im Hause ist. Erst muckten die Büroboten gegen eine geplante Änderung ihrer dienstlichen Zuordnung auf und ließen Anfang März 48 Stunden lang Post und Akten in der EU-Zentrale liegen. Unmittelbar vor dem Brüsseler Gipfel, auf dem die Regierungschefs die Einführung des Euro besiegelten, traten rund 15000 Bedienstete einen Tag lang in Streik. Der Protest, so der EU-Gewerkschafter Loek Rijnoudt, "schlug ein wie eine Bombe" und zwang den Finnen Liikanen Mitte Mai, sein 59seitiges Reformkonzept erst einmal vom Tisch zu nehmen. Jetzt soll ein Sonderausschuß darüber beraten.

Richtig brisant dürfte das Thema Anfang 1999 werden, wenn Bonn für ein halbes Jahr die Präsidentschaft in der Union übernimmt. Angesichts des drastischen Anstiegs der deutschen EU-Zahlungen von jetzt rund 43 auf 50 Milliarden Mark bis 2001 soll dann die Bundesregierung nach dem Willen des Haushaltsausschusses massiv zum Angriff auf die Brüsseler Supergehälter blasen. Wie der Machtkampf ausgeht, ist offen. Gewerkschafter Rijnoudt gibt sich siegesgewiß: "Bonn alleine kann nichts ausrichten."

Herbert Uniewski / Albert Eikenaar © Stern 1998/26


Gewerkschaften

Ver.di-Chef Bsirske verdient jetzt 27.000 Mark im Monat

Der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, kann sich zukünftig über 27.000 Mark monatlich freuen. Der Gewerkschaftsrat habe einer entsprechenden Beschlussvorlage mehrheitlich zugestimmt, bestätigte ver.di-Sprecher Harald Reutter am Freitag der AP. Mit dem kräftig aufgestockten Gehalt werde der Tatsache Rechnung getragen, dass der frühere ÖTV-Vorsitzende Bsirske jetzt Chef der weltweit größten Einzelgewerkschaft sei.

Dem Beschluss des ehrenamtlich tätigen Gewerkschaftsrates waren teilweise heftige Diskussionen vorausgegangen. So stellte der Betriebsrat der Bergedorfer Zeitung in Hamburg zwar fest, dass hauptamtliche Funktionäre ordentlich bezahlt werden müssten. Gehälter von über 20.000 bis 30.000 Mark monatlich seien jedoch kontraproduktiv.

Der Betriebsrat erinnerte daran, dass der frühere IG Medien-Vorsitzende Detlef Hensche mit 12.000 Mark im Monat ausgekommen und dabei «immer mit einer alten Aktentasche und meist per Bahn durch die Republik gereist» sei. Es habe den Mitgliedern «schon gestunken, dass die Hauptverwaltung sündhaft teure Büroräume am Potsdamer Platz» in Berlin bezogen habe, heißt es in einem Schreiben des Betriebsrates. Vor Ort sei ver.di dabei, das «verbliebene Kleinvermögen des Ortsvereins einzusacken.» Dagegen werde man jetzt erbittert Widerstand leisten. Auch der ver.di-Landesbezirk Bayern soll sich gegen die Gehaltserhöhungen ausgesprochen haben.

Reutter bestätigte zwar, dass es Diskussionen gegeben habe, von heftigen Protesten aus Landesbezirken sei ihm jedoch nichts bekannt. «Eine Personalkommission hat im Vorfeld geprüft, wie die Gehaltsstruktur in anderen Organisationen aussieht», sagte er. Dabei habe man es sich nicht leicht gemacht. Es sei wichtig gewesen, wie der Struktur der neuen Gewerkschaft Rechnung getragen werden könne.

Dabei sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass die «Wahlangestellten nicht in Nachwirkung zu den Altorganisationen» bezahlt werden könnten, sagte Reutter. Zudem müsse man auch Anreize schaffen, geeignete Leute in allen Ebenen gewinnen zu können. «Es war Einschätzung des Gewerkschaftsrates, dass gute Spitzenfunktionäre auch gut bezahlt werden müssen», meinte Reutter. Eine Erklärung seines Chefs zu der Gehaltsfrage wollte Reutter nicht mitteilen. «Es ist nicht die Sache von Herrn Bsirske, sein Gehalt zu bestimmen und zu kommentieren», sagte der ver.di-Pressesprecher.

Be© ap - Meldung vom 28.09.2001 17:14 Uhr Berlin (AP)
 

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(Durchschnitts-Einkommen BRD 2004: 31.000 Euro/Jahr = 2.583 Euro/Monat)


Hausarbeit

Wie viel ist sie wirklich wert?

Er macht Karriere, sie kümmert sich um Kind und Küche. Hausfrauen erledigen oft einen Knochenjob. Doch bezahlt machte sich das nicht. Diese Ungerechtigkeit hat jetzt das Bundesverfassungsgericht in seinem neuesten Urteil im Fall einer geschiedenen Frau beseitigt.

Putzen, kochen, Kinder großziehen: Wie viel Lohn ist dafür angemessen?

Nach Berechnungen des "Verbandes der Familienfrauen und -männer" etwa 2250 Euro brutto im Monat. Dabei wird eine 40-Stunden-Woche zugrunde gelegt. Ohne Überstunden und Wochenendarbeit.

Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt entschieden, dass Hausarbeit soviel wert ist wie ein "normaler" Job. Wie profitieren Frauen davon?

Das Urteil (AZ: 1 BVR 105/95) bezieht sich lediglich auf die Folgen einer Scheidung. Geht eine Frau nach der Trennung wieder arbeiten, muss ihr Ex-Mann jetzt mehr Unterhalt an sie zahlen.

Wie viel Unterhalt kriegt sie jetzt mehr?

Beispiel: Der Mann hat 3000 Euro im Monat, seine Ex 1000 Euro. Bisher bekam sie drei Siebtel von seinem Gehalt: 1286 Euro. Davon wurden ihre 1000 Euro Gehalt wieder abgezogen. Ihr blieben 286 Euro Unterhalt. Jetzt wird die Differenz zwischen beiden Einkommen ermittelt. 3000 minus 1000=2000 Euro. Von den 2000 Euro bekommt die Frau drei Siebtel als Unterhalt (= 857 Euro). Fast drei Mal mehr als vorher.

Kriegen Ehefrauen für den Dienst an der Familie nichts?

Nur die Erziehung der Kinder lohnt ihnen der Staat. Für jedes Kind, das nach dem 1.1.1992 geboren wurde, kriegen Mütter drei Jahre Erziehungszeit bei der Rente angerechnet, etwa 150 Euro pro Sprössling.

TVneu 16/02

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Humanistische AKTION  
01/2000 


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Aktualisiert am 30.09.12