SpendenskandalChance für Neuorientierung Der Spendenskandal der CDU hat zur Handlungsunfähigkeit der Partei geführt und eine Glaubwürdigkeitskrise ausgelöst, die über diese Partei hinausgeht. Selbstgefällig und fröhlich auftretende Politiker lügen und vertuschen und scheinen selbst nicht mehr wahrzunehmen, welchen Schaden sie allein mit diesem Verhalten der Demokratie und der Gesellschaft zufügen. Bemerkenswert dabei ist, daß es sich vor allem um Politiker handelt, die einer christlichen Kirche angehören, und einige führende sich sogar als tief gläubig bezeichnen. Der Skandal ist aber nur ein äußeres Zeichen für eine bereits seit langer Zeit bestehende grundlegende Krise unserer Gesellschaft: für den Mangel an einer tragfähigen ethischen Orientierung. Es sind nicht Parteien, Gesetze oder die sie vertretenden bzw. ausführenden Menschen an sich, die mangelhaft sind. Es sind die bisher maßgebenden ethischen Orientierungen, welche die Menschen eher behindern als fördern, ganzheitlich und wahrhaftig zu denken und zu handeln. Wem bereits als Kind beigebracht wurde, Realitäten vom Gefühl abzuspalten und zu verdrängen, Unglaubhaftes für wahr zu halten und nicht infrage zu stellen, und wer dann als Erwachsener in sonntäglichen Ritualen das Akzeptieren von Unwahrhaftigkeiten auch noch übt und mit dem Amtseid öffentlich bekundet, bei dem kann diese - im Unterbewußtsein verankerte - Gewohnheit dann auch im Alltag sehr leicht wirksam werden. Ist doch inzwischen bekannt, das selbst die sachlichsten Entscheidungen letztlich vom Gefühl bestimmt werden, das wiederum von der verinnerlichten ethischen Einstellung abhängt. Es fehlt allgemein an einem Menschenbild, das an verantwortlicher Menschlichkeit orientiert anstatt an Sündigkeit und Erlösung von außen einerseits und materieller Fortschrittsgläubigkeit andererseits. Es wäre ein Dienst an der Gesellschaft, wenn die CDU die Krise zum Anlaß nähme, sich aufzulösen und unter einem Namen neu zu gründen, der nicht die Tendenz zu Selbsttäuschung, -überschätzung und Unwahrhaftigkeit unterstützt, sondern eher die Arbeit an sich selbst und Eigenverantwortung fördert. Auch der Zusatz zur Eidesformel "so wahr mir Gott helfe" sollte durch eine Verpflichtung zu regelmäßiger Supervision ersetzt werden. Es geht um die Substanz des Menschlichen, die bisher aus Unwissen und Bequemlichkeit zugunsten von äußerem Fortschritt sträflich vernachlässigt, ja teilweise sogar tabuisiert wurde. Jetzt wäre ein Anlaß gegeben, um sich mit diesem heiklen aber lebenswichtigen und auch höchst interessanten Thema ehrlich auseinanderzusetzen. Der Gewinn hierbei wird alle möglichen Verluste mehrfach aufwiegen; geht es doch um nachhaltige Stabilität von Mensch und Gesellschaft. Unsere Gesellschaft braucht eine Erneuerung der ethischen Grundlagen der Menschlichkeit. Sie braucht eine Orientierung, die unmittelbar eine Entwicklung der Qualität des Menschlichen anstrebt, zum Beispiel am Humanismus in einem neuen, ganzheitlichen Verständnis einer ethischen Orientierung, die für alle Menschen - gleich welcher konfessionellen oder ethnischen Zugehörigkeit - offen ist und alle integrieren kann. Hier ein visionärer Vorschlag als reale Utopie: PVM statt CDU, das heißt, Partei verantwortlicher Menschlichkeit, das Ziel ist auch der Weg. - Im Sinne der Ganzheitlichkeit darf hierbei auch die Kirche nicht vergessen werden, auf die ja die CDU ihre ethische Orientierung zurückführt, auch für sie gibt es eine Vision und Chance zu grundlegender Erneuerung: Die Wandlung von einer christlichen zur humanistischen Kirche - offen für alle Menschen guten Willens dieser Welt. Rudolf Kuhr
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Aktualisiert am 25.10.11