Verbietet den Mord an der Kinderseele!

Prof. Walter Bärsch, Ehrenpräsident des Kinderschutzbundes,
in einem Interview zur Gewalt im Fernsehen

Es gibt eine neue Schreckenszahl: Schulkinder bis zur zehnten Klasse sitzen 15.000 Stunden in der Schule, aber 18.000 Stunden vom Fernseher. In dieser Zeit sind auf allen Sendern 1,26 Millionen Leichen zu sehen. Kein Fall für den Kinderschutzbund?

Prof. Bärsch: Das ist es schon immer gewesen. aber das Fernsehen wiegelt ab. Schädliche Einflüsse seien nicht erwiesen, lauten monoton die Antworten.

FernsehZtg: Also nichts zu machen?

Prof. Bärsch: Doch. Jugendministerin Merkel will sich endlich für weniger Gewalt im Fernsehen einsetzen. Das Thema ist jetzt parlamentarisch lebendig - ein Ergebnis unserer vielen Attacken.

FernsehZtg: Warum um lassen so viele Eltern ihre Kinder wahllos gucken?

Prof. Bärsch: Sie sind doch wenn ihre Kinder nur ruhig sind. Die denken: Wenn die Kinder vorm Fernseher sitzen, machen sie keine Dummheiten. So gesehen ist also das Fernsehen eine Art Hilfserzieher.

FernsehZtg: Zehntausende Kinder sehen nach 23 Uhr bei den Privaten harte Programme.

Prof Bärsch: Das ist seelische Grausamkeit, denn da werden den Kindern Inhalte geboten, die sie nicht verarbeiten können. Sensible Naturen leiden Wochen unter Schlafstörungen, Alpträumen.

FernsehZtg: Im Klartext heißt das: Mord an der Kinderseele. Müssen da Verbote her?

Prof. Bärsch: Kinderfeindliche Sendungen dürfen nicht vor 23 Uhr ausgestrahlt werden. Mit Video-Recordern ist das natürlich zu unterlaufen. Also muß man über Maßnahmen nachdenken, insgesamt weniger Gewalt auf dem Bildschirm zu zeigen. Ich bin gespannt, wie Frau Merkel das über die Bühne kriegt.

FernsehZtg: Was wird mal aus den Fernsehkindern von heute?

Prof. Bärsch: Die größte Gefahr ist, daß sie moralisch abstumpfen. Das ist jetzt schon zu beobachten: Kinder und junge Menschen vollziehen immer öfter Gewalttaten ohne jeden Mitleidseffekt. Denn über das Fernsehen wird ja signalisiert, das sei ein normaler Vorgang im Leben.

Professor Walter Bärsch (78) hat sich als Erziehungswissenschaftler behinderten Kindern gewidmet. Zehn Jahre war er Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.

FernsehZtg 9/93

Mehr Gewalt im Kinder-TV als in Krimis - Eine alarmierende Studie
 

Wir müssen begreifen, daß demokratische und moralische Erziehung wieder von größerem Gewicht sein müssen; denn wir müssen hier auch vom Phänomen moralischer Entwurzelung sprechen, wenn elementarste Regeln des menschlichen Zusammenlebens, etwa das Gewalttabu, das auch bedeutet, daß man nicht auf jemanden tritt, der am Boden liegt, nicht mehr funktionieren. Hier müssen wir nach den Ursachen fragen: Was ist in der Schule los, was passiert in den Familien, was tun die Massenmedien? Ich sage auch hier: Bei einer Gesellschaft, die Gewalt zum wichtigsten Gegenstand ihrer abendlichen Fernsehunterhaltung macht, ist etwas nicht in Ordnung.

Wolfgang Thierse, Präsident des deutschen Bundestages am 28.09.00 in der Debatte zum Thema 'Für Toleranz und Menschlichkeit - gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt in Deutschland'.

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Humanistische AKTION
 
11/2000 
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Aktualisiert am 03.02.12