Trauer ist ein seelischer Vorgang, in dem ein Individuum
einen Verlust mit
Hilfe eines wiederholten schmerzlichen Erinnerungsprozesses langsam zu
ertragen und durchzuarbeiten lernt, um danach zu einer Wiederaufnahme
lebendiger Beziehungen zu den Menschen und den Dingen fähig zu werden.
Alexander u. Margarete Mitscherlich: Unfähigkeit zu trauern
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Echte Trauer ist immer verbunden mit dem Annehmen
des Verlustes oder
dem endgültigen Verzicht darauf, das bisher sehnsüchtig gesuchte
Gut
jemals zu finden. Solche Trauer ist mit einem sehr schmerzlichen, harten
und klaren Gefühl verbunden, und nach einiger Zeit spüren wir dann,
wie
die zunächst erstarrte und anscheinend ausweglose Situation sich
aufzulösen
beginnt, wie unser Gesicht wieder weicher und unser Herz wieder wärmer
wird und wir einen ganz neuen Zugang zu unserer Gefühlswelt erlangen,
vielleicht sogar so stark, als sei eine ganz neue Dimension in unser Leben
hineingekommen. Wir haben zwar endlich Abschied von alten, unerfüllten
Hoffnungen genommen, sind aber nun offen für neue
Erfahrungen.
Remmler, Helmut: Der Königssohn, der sich vor nichts
fürchtet -
Mit vierzig fängt das Leben an. Kreuz-Verlag, Zürich 1984
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