S T E V I ASüßstoff aus der Natur Es ist süßer als Zucker, es wird natürlich hergestellt aber der EU-Kommission schmeckt es nicht so recht. Stevia passt nicht in die Schubladen des Lebensmittelrechts und unterliegt deshalb neuerdings Marktbeschränkungen. Wer es anbieten will, muss es umdefinieren, zum Beispiel zum Tierfutter.
Wer Kuchen, Pudding oder Tee vollwertig süßen wollte, konnte Kalorien
bisher nicht vermeiden. Ob Honig, Ahornsirup oder Dicksaft, die Süße
kam vom natürlichen Zuckergehalt der Rohstoffe: Diese Kohlenhydrate
liefern dem Körper Energie - oder machen dick, wenn die Energie nicht
verbraucht wird. Synthetisch hergestellte Süßstoffe wie Xylit,
Sorbit oder Aspartam sind für Vollwertköstler aber keine Alternative.
In den letzten Jahren tauchte auf dem alternativen Markt eine Pflanze auf,
die auf natürlichem Weg ohne Kalorien und ohne Karies zu erzeugen,
süßen konnte - Stevia (siehe Kasten). Angeboten wurden die
Blätter aus Südamerika als Tee, als Pulver oder in wässriger
Lösung. Gerade begann die süße Pflanze mit Hilfe einiger
Bücher etwas bekannter zu werden, da kam das Aus.
"Stevia rebaudania Bertoni: Pflanzen und getrocknete Blätter sind als neuartige Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten in der Gemeinschaft nicht zugelassen", hat die EU-Kommission am 22. Februar 2000 entschieden. Vorausgegangen war dem der Antrag eines belgischen Labors, Stevia nach der Novel Food Verordnung der EU zuzulassen. Üblicherweise gilt dieses Regelwerk für Essen aus dem Genlabor oder für Designer Food und verlangt aus Gründen des Verbraucherschutzes zahlreiche Tests und Untersuchungen. Weil diese bei Stevia nicht mit vorgelegt wurden, lehnte die Kommission den Antrag ab. Völlig übersehen haben die Brüsseler Beamten, dass die Pflanze in Europa seit etwa 15 Jahren angebaut und verkauft wird, von einem neuartigen Lebensmittel also keine Rede sein kann. Doch auch im "grün" geführten Bundesgesundheitsministerium spielt dieses Argument keine Rolle. "Stevia ist nicht verkehrsfähig", sagt Pressesprecherin Antje Seidel-Schulze. Bisher hatten sich die für den Vollzug des Lebensmittelrechts zuständigen Behörden kaum um die süßen Blätter gekümmert. Sie konnten immerhin als Tee vertrieben werden, denn ein Tee braucht, im Gegensatz zu einer als Süßstoff deklarierten Zutat, keine lebensmittelrechtliche Zulassung. Doch mit der Entscheidung aus Brüssel steht die Pflanze auf dem Index, weil sie plötzlich als zulassungspflichtiges neuartiges Lebensmittel gilt. Prompt wurde einigen Großhändlern der Vertrieb der Blätter untersagt. Große Hersteller haben daraufhin von sich aus Stevia-Tee aus dem Angebot genommen. Ulrike Sachse von der Grünen Liga Berlin rechnet damit, dass man Stevia-Produkte in den nächsten Jahren trotzdem noch bekommen kann. Manche Hersteller werden sie umdeklarieren und auf die alte Bezeichnung "Süßkraut" zurückgreifen. Im Internet bieten Versender die Blätter bereits als Tierfutter an. Bioproduzenten erinnern an die Zeit, als es verboten war, Algen als Lebensmittel zu verkaufen. Damals wurden die jodreichen Meerespflanzen in Naturkostläden als Badezusatz angeboten. Mit Hilfe solcher Finessen könnte die Zeit überbrückt werden, bis ein neuer und besser fundierter Antrag bei der EU Erfolg hat. Die Kommission selbst will immerhin die dafür notwendigen Forschungsarbeiten fördern. Der Grund: Die Pflanze wird bereits in Spanien als Futter für die Schweinemast angebaut. Bei einer Zulassung als Lebensmittel könnte der Anbau ausgeweitet werden auf Flächen, auf denen derzeit noch Tabak wächst. Dessen Anbau will die EU in Zukunft nicht mehr subventionieren. Stevia könnte den Tabakbauern also den Umstieg versüßen. Leo Frühschütz in 'Schrot & Korn' 5/2000
Leser-Zuschrift vom 08.03.01 ... ich habe (unter anderem) Ihren Artikel über Stevia gelesen, nachdem ich im Fernseh-Sender 3sat vor einigen Tagen einen Beitrag dazu gesehen hatte. In vielen Artikeln im Internet ist erwähnt, dass Stevia-Produkte u. a. in Apotheken erhältlich seien. Leider hat man wohl unseren "schlafenden" Verwaltungsapparat geweckt. Alle Produkte wurden (scheinbar vor kurzem) zurückgerufen/aus dem Handel genommen. Sehr zur Verwunderung der Apothekerin, welche mir ein Extrakt bestellen wollte, war keines der Präparate mehr verfügbar... Nach wie vor ist Stevia allerdings in Naturkostläden erhältlich. Witzigerweise teilweise (wie auch von Ihnen erwähnt) als "(Schnitt-)Blumennahrung" geführt (Bios Naturkost-Supermarkt in Augsburg), weil als Süßungsmittel nicht zugelassen. Vielleicht ist diese Information für Sie interessant. *
Ich kann dem nur voll zustimmen! Ich habe mich jetzt über die Schweiz
eingedeckt! Dort ist es wohl noch möglich, Stevia zu kaufen. Allerdings
auch nur in Apotheken und Reformhäusern. Ich werde auch nicht fragen,
wie lange es noch erhältlich ist. Vielleicht noch ein Tip: in den
Vereinigten Staaten gibt es eine sehr aktive Stevia-League. Über sie
kann man Rezepte, Anregungen etc erhalten. Sie haben dort das gleiche Problem
mit den lieben Politikern. Es ist unglaublich, wie mächtig die
Zucker-Industrie ist und wie wenig praktisch gedacht wird. Gerade im
medizinischen Bereich wäre es für Millionen von Diabetikern eine
wahre Lust, mit Stevia ihr Leben wieder normal und gesund versüßen
zu dürfen. Sehr schade, wie unnatürlich wir geworden sind! * Stevia im Fernsehen 4/01 nano: Stevia ist eine Pflanze aus Südamerika und deren Pflanzenteile 200 mal süßer wie Zucker sind. Die Pflanze ist ideal zum Süßen, da sie nahezu keine Kalorien enthält. Dies ist ein Traum für Übergewichtige. An der Stuttgarter Universität hat laut Udo Kienle, Agrarwissenschaftler, Uni Stuttgart, Stevia schon längst den weißen Zucker als Süßstoff verdrängt. Probanden können keinen Unterschied zwischen künstlichem Süßstoff und der Steviapflanze schmecken. Burkhard Koch züchtet Stevia und eine Pflanze kostet bei ihm 14,50 für eine zweijährige Pflanze. Die Pflanze ist sehr pflegeleicht. Die Pflanzenteile können problemlos zum Süßen verwendet werden. Die Zulassung ist ein Problem, da zum Beispiel Tomaten und Bohnen heute keine Zulassung von der EU mehr bekommen würden. Als Lebensmittel wäre Stevia laut der nanosendung im Fernsehen frühestens in 10 Jahren verfügbar und die Zulassung würde mindestens rund 25 Millionen DM kosten. (Ende Februar 2001 hat die EU den Antrag eines kleinen belgischen Steviaanbauers auf Zulassung mit der Begründung abgelehnt, dass die Pflanze, die immerhin seit dem 16. Jahrhundert verwendet wird, nicht ausreichend untersucht sei. Zum Vergleich wurde der Süßstoff aus Nutrasweet (unklare Schreibweise) 1965 entdeckt und wurde 1991 in Europa zugelassen.) Bezugsquelle für die Steviapflanzen: e-Mail: otzbergkraeuter (ät) hotmail.de *
Infos zum Thema Stevia finden Sie bei *
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Mit freundlichen Empfehlungen Humanistische AKTION 5/2000
www.humanistische-aktion.de/stevia.htm |
Aktualisiert am 14.03.12