Rüstung
Zuwendungen und Staatssekretärsposten
- von Thomas Klein Wo ist Ludwig-Holger Pfahls? Pfahls? Dieser Name ging in der sich mittlerweile schon Monate hinziehenden Schwarz- und Schmiergeld-Affäre weitgehend unter. Dabei ist dieser Mann ein Paradebeispiel für den Einfluß, den z.B. Fürsprecher und Manager großer Unternehmen in diesem Land ausüben. An seiner Person läßt sich aufzeigen, wie eine einflußreiche Rüstungslobby bei heiklen Rüstungsaufträgen und Waffengeschäften die Fäden in der Hand hielt. Letztlich geht es auch darum, dass allen Beteuerungen zum Trotz - Politik in diesem Lande sei nicht käuflich - der Eindruck nicht wegzuwischen ist, dass in der Vergangenheit das Zustandekommen bestimmter politischer Entscheidungen mit der sogenanten demokratischen Willensbildung nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hatte.
Ludwig-Holger Pfahls ist ein Ziehsohn des ehemaligen CSU-Vorsitzenden und
langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß.
Er war dessen Büroleiter und Teil des berüchtigten, aber höchst
effizient arbeitetenden CSU-Amigo-Systems. Stationen seiner Karriere:
Daimler-Manager, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Präsident
des Verfassungsschutzes (!). Heute auf der Flucht vor staatsanwaltlichen
Ermittlungen, irgendwo in Singapur oder Indonesien "untergetaucht". Pfahls und die vielen "Pfähle" der Rüstungslobby Es lohnt sich in diesem Zusammenhang nochmals den Blick auf die Geschichte eines Milliarden von Mark verschlingenden Rüstungsprojekts - den Eurofighter 2000 (vorm. Jäger 90 genannt) - zu richten. Und auf die Rolle, die u.a. Daimler-Benz dabei spielte. Auch darauf, wie die CSU-Staatssekretäre Erich Riedl und Ludwig-Holger Pfahls, oder auch Agnes Hürland-Büning (CDU), hier sowie bei anderen Rüstungsaufträgen und -geschäften zur Stelle waren. Einfluß und Geld versus Aufklärung und Engagement an der Basis: Der Ausgang eines ungleichen Kampfes ist bei diesem Beispiel ein gutes Lehrstück in Sachen "Machtverhältnisse in diesem Land". Anfang der neunziger Jahre fand sich ein breites Bündnis zur Kampagne "Jäger 2000 stoppen - soziale Sicherheit schaffen" zusammen. An dieser Kampagne beteiligten sich zahlreiche Organisationen: die Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, der Bund der Katholischen Deutschen Jugend, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, die Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW), das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Kampagne gegen Rüstungsexport, die Kritischen AktionärInnen Daimler-Benz, die ökumenische Initiative "Ohne Rüstung Leben", die Deutsche Sektion von Pax Christi, die Gustav-Heinemann Initiative, die Arbeiterwohlfahrt des Bezirks Hessen-Süd, das Frankfurter Arbeitslosenzentrum u.v.a. . Gemeinsames Anliegen der mehr als 20 Sozial- und Umweltverbände sowie der Gruppen aus der Friedensbewegung: Den öffentlichen Druck so zu erhöhen, daß es nur eine Parlaments- und Regierungsentscheidung geben kann. Den milliardenverschlingenden Jäger 90, später umgetauft in Eurofighter 2000, so schnell wie möglich zu beerdigen. Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Verlauf dieser Kampagne waren optimal. Zu allen Zeiten stieß das Rüstungsvorhaben in der Bevölkerung, selbst in der Anhängerschaft der CDU/CSU und FDP, auf eine breite Ablehnung. Wichtiger noch: Den Befürwortern des Rüstungsprojekts war zu Beginn der neunziger Jahre schlicht die Begründung zur Weiterentwicklung dieses "Milliardengrabes" abhanden gekommen. Und das für alle leicht nachvollziehbar: Diesem zum Einsatz gegen einen Angriff von Ländern des Warschauer Paktes entwickelten Jagdflugzeug fehlte aufgrund der geschichtlichen Entwicklung kurz und knapp jegliche "Legitimationsbasis".
Wieso konnte die Geschichte des Jäger 90 / Eurofighter 2000, der in
den nächsten Jahren angeschafft und auf lange Zeit Milliardenbeträge
des Bundes binden wird, dennoch für die Industrie so eine unglaublich
"Erfolgs-Story" mit "Happy End" werden? Vom Jäger 90 zum Eurofighter 2000 In den siebziger Jahren waren es nur erste Überlegungen: Welche Jagdbomber sollten den Tornado- und Phantom-Flugzeugen folgen. Der heute sich deutsch-national gebärende Alfred Mechtesheimer, ehemals CSU-Mitglied und vor über zwei Jahrzehnten nach seinem Krach mit der Parteispitze (wegen seiner Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses) in den achtziger Jahren zeitweilig auch bei den Grünen "zuhause", schrieb 1977, in seiner Eigenschaft als Oberstleutnant der Reserve: "Spätestens dann, wenn die ersten MRCA-Tornados in Dienst gestellt werden, muß über einen Phantom-Nachfolger für die Jagdgeschwader nachgedacht werden". Nachgedacht, oder besser gesagt, unter Nutzung staatlicher Finanzierung erste Studien vorangetrieben haben dann die Rüstungsfirmen MBB und Dornier, heute eingegliedert in der DASA, der DaimlerChrysler Aerospace. Anfang 1981 entschied der damalige SPD-Verteidigungsminister Hans Apel, angesichts eines steigenden Geldbedarfs für die Anschaffung neuer Tornados - des bis dahin teuersten Rüstungsprojekts "seit Christi Geburt" (Helmut Schmidt) - sei es notwendig das Projekt eines "neuen taktischen Kampfflugzeuges" vorläufig auf Eis zu legen. Eine Denk- und Ausgabenpause sei nötig. Wie es weiterging bringt Otfried Nassauer, Leiter des "Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit" (BITS) so auf den Punkt: "Die sozialliberale Koalition überlebte die Denkpause nicht. Mit der Regierungsübernahme durch die CDU/CSU wurden drängende Stimmen aus der Industrie lauter, das Vorhaben energisch voranzutreiben. Die neue Regierung hatte mit Verteidigungsminister Manfred Wörner nicht nur einen flugzeugvernarrten Reserve-Kampfpiloten an die Spitze der Hardthöhe, sondern mit den Staatssekretären Riedl (Wirtschaft und Koordination der Luft- und Raumfahrt), Voss (Finanzen) und Pfahls (Verteidigung) eine ganze Reihe bayerischer Amigos in verantwortliche Positionen gebracht". Und das sollte sich, aus Sicht der Rüstungsindustrie, auszahlen. Wann immer das Projekt ins Straucheln geriet, gab es ein Trommelfeuer an scheinbar "guten" Argumenten trotzdem daran festzuhalten. Dabei zeigte schon der Übergang von der Konzept- zur Entwicklungsphase, dass die involvierten Firmen des Kooperationsprojekts, an dem Italien, Spanien, Großbritannien und die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sind, de facte die Entmachtung der "demokratisch gewählten Entscheidungsträger" betrieben. Unmittelbar vor der Internationalen Luftwaffenausstellung in Hannover, im Juni 1986, wurde in München die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH als Generalunternehmen für das Flugzeug aus der Taufe gehoben. Im September des selben Jahres endete mit der Unterzeichnung der Militärisch-Technischen Zielsetzung die Konzeptphase. Das war, so Otfried Nassauer, nichts anderes als ein deutliches Zeichen "daß die Industrie sich des Vorhabens schon sicher war (...) und die nationalen Parlamente faktisch von der Entscheidung ausgeschlossen" wurden.
Danach blieb es einige Jahre ruhig um den "Jäger 90". Bis Volker Rühe
als Minister im Kabinett Kohl die große politische Bühne betrat. Rühe: "Der Jäger 90 ist tot" - Pfahls und andere antworten: Klappe halten Mit seinem gewohnt markigen Auftreten hatte der neue Verteidigungsminister Rühe als Chef der Hardthöhe einen spektakulären Start. Er verkündete 1992 in deutlichen Worten: "Der Jäger 90 passt nicht mehr in unsere Zeit. In einer Demokratie kann man langfristig nur durchsetzen, was man gut begründen kann. Der Jäger 90 ist tot". Dass dieses vor dem Hintergrund der Kalten Krieges konzipierte Jagdflugzeug nicht mehr gebraucht und außerdem viel zu teuer sei, war nicht nur in einer breiten Mehrheit der Bevölkerung, sondern bis hinein in die Regierungsparteien für einige Zeit unstrittig. Der FDP-Verteidigungsexperte im Bundestag, Olaf Feeldmann, stimmte Rühe zu: "Die Produktion des Jagdflugzeuges ist aus heutiger Sicht so sinnlos wie ein Kropf". Und noch im November 1992 erklärte Hans-Dieter Wichter, Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, der "in den achtziger Jahren vor dem Hintergrund des Kalten Krieges geplante Jäger 90 wird nicht kommen". Gegenteilige Darstellungen spiegelten nur "ein Wunschdenken bestimmter interessierter Kreise wider, die noch glauben, den Jäger 90 retten zu können". "Bestimmte interesssierte Kreise" ließen es nicht beim Wunschdenken: Der damalige Daimler-Benz-Vorstandsvorsitzende Jürgen Schrempp, inzwischen an der Spitze des "Global-Player" DaimlerChrysler, drohte, sofort nachdem Rühe vermeintlich die Notbremse gezogen hat, "mit der Schließung kompletter Werke" falls nicht an dem Rüstungsprojekt festgehalten werde. Ex-DASA Vorstandsmitglied Hartmut Mehrdorn überhäufte den neuen Verteidigungsminister mit drastischen Vorwürfe, die seine Kompetenz in Frage stellten. Gleichzeitig fielen die CSU-Staatssekretäre Riedl und Pfahls dem neuen Mann an der Spitze des Verteidigungsministeriums öffentlich in den Rücken: Auch für Riedl war Rühes Kompetenz bei Rüstungsfragen, so die Kritik im Einklang mit der Industrie, offensichtlich nicht gegeben. Rühe, so der emsige Rüstungslobbyist Erich Riedl, sehe die Sicherheitslage falsch und stelle gar "das gesamte System der Bundeswehr" in Frage. Während der forsch angetretene Verteidigungsminister von den die Interessen der Industrie im Auge habenden Mitarbeitern in den Ministerien also gar in die Nähe eines "Wehrkraftzersetzers", der die Schwächung der Streitkräfte betreibt (!), gerückt wurde, und die Rüstungs- und Politlobby sämtliche Register der "Mobilmachung" zog, reichte unterdessen Daimler Benz für die unverändert fortgeführte Jäger 90-Entwicklung deftige Rechnungen ein. Dazu der Kritische Aktionär und Friedensaktivist Jürgen Grässlin: "Diese Rechnungen sprengten jeglichen Rahmen, welche Regierung sowie Parlament zuvor gesetzt hatten. Mit der formalen Begründung, noch seien "keine verbindlichen Verträge ausgehandelt worden", kassierte der Konzern weitere Millionen ab."
Rühes markigen Worten folgte ein windelweicher Kompromiß: Nachdem
der Minister erfahren hatte, dass gegen die Interessen von Dainler Benz und
einem einflußreichen militärisch-industriellen Komplex offensichtlich
kaum etwas durchzusetzen ist, versuchte er wenigstens einen kleinen Erfolg
herauszuholen. Eine abgespeckte "Jäger light", sprich Eurofighter
2000-Version sollte, so die Vorgabe von Rühe, pro Stück nicht mehr
als 90 Millionen Mark kosten. Andernfalls könne die Industrie nicht
mit einem Auftrag des Bundes rechnen. Doch selbst damit hatte Volker Rühe
den Mund zu voll genommen. Die Kostenexplosion des Flugzeuged ging weiter.
Am Ende einer traurigen "Schmierenkomödie" einigte sich der gar nicht
mehr forsche Verteidigungsminister mit der DASA auf einen Preis pro Jagdflugzeug,
der bei 125 Millionen liegen soll. Fast überflüssig zu erwähnen,
dass nach Ansicht von Experten die nicht aufgeführten "Nebenkosten"
zu einem Endpreis führen werden, der auf jeden Fall bei über 150
Millionen Mark pro Flugzeug liegen wird. Die DASA setzt sich durch Im November 1997 stimmte die CDU/CSU/FDP-Regierungskoalition, allen zuvor von vielen Parlamentariern gewonnenen Erkenntnisse zum Trotz, für die Anschaffung des Eurofighters. Ein Beschluß, der in den nächsten Jahren Mittel des Bundes in einer Höhe von über 30 Milliarden Mark binden wird. Der Generalsekretär von Pax Christi, Joachim Garstecki, hatte zuvor in einem offenen Brief Helmut Kohl darum gebeten, zur Finanzierung des Milliardenprojekts Stellung zu nehmen: "Die Gelder, die das Verteidigungsministerium für Forschung, Entwicklung, Betrieb, Wartung etc. ausgeben muß", so Garstecki auch im Namen zahlreicher Organisationen der Kampagne gegen das Rüstungsprojekt, "werden objektiv gesehen anderen Bereichen geraubt. Das rasante Anwachsen der Kosten von Sozialhilfebedürftigkeit, Wohnungsbeschaffung, Verarmung und die Belastungen der Betroffenen ist Teil des Gesamtproblems, an dessen skandalösen anderem Ende Milliardenausgaben für ein neues Jagdflugzeug stehen. Ich bitte Sie deshalb, mich darüber zu informieren, aus welchen Bereichen Ihrer Meinung nach diese Mittel per Saldo eingenommen werden sollen". `Selbstverständlich` hatte Helmut Kohl besseres zu tun, als auf derartige Fragen Antworten zu geben. Was das im einzelnen war ist augenblicklich, zu Kohls Überraschung und der des im Waffenhandel so umtriebig tätigen Kaufmanns und CSU-Mitglieds Karlheinz Schreiber, Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen. Immerhin gab es vom ehemaligen britischen Verteidigunsminister Allan Clark ein paar erfrischende, wenn auch letztlich niederschmetternde Worte: Beim Eurofighter handele es sich, so Clark, um "kein effektives Waffensystem", das außerdem zu Zeiten des Kalten Krieges erdacht und "dessen Bedarf von den Ereignissen überholt wurde. EFA (Kürzel für den Eurofighter, Anm. Th. Klein) wird uns als Arbeitsbeschaffungsprogramm präsentiert - ich habe immer etwas Sympathie für keynesianische Ethik -", allerdings sollten "weniger ausgefallene Wege gefunden werden, um Leute für löchrige Eimer zu bezahlen. Wir brauchen diese Flugzeuge nicht, und sie sind völlig überflüssig". Eine Position, die der Ex-Daimler-Manager und ehemalige Staatssekretär im Verteidigunsministerium, Ludwig-Holger Pfahls so nie teilen konnte. Und mit ihm war eine einflußreiche Rüstungslobby ebenfalls anderer Meinung. Verschiedene Rüstungsfirmen haben sich für diese "Haltung" immer mal wieder erkenntlich gezeigt. Am Ende bleibt nur die schlichte Frage: Wo ist Ludwig-Holger Pfahls? Vielleicht weiß ja der Verfassungsschutz wo sein ehemaliger Präsident "abgetaucht" ist - für Daimler arbeitet er jedenfalls nicht mehr und seine CSU-Freunde sind sicher auch nicht mehr scharf darauf ihn wiederzusehen. Bei dieser Geschichte stellt sich also zwar so mancher "Erkenntnisgewinn" ein - das "Happy End" muß leider entfallen.
"Obwohl bereits am 22. April 1999 gegen den in Singapur ansässigen Daimler-Manager Haftbefehl erlassen worden war, tauchte Pfahls zwei Wochen später, am 6. Mai 1999, in der Deutschen Botschaft in Singapur auf. Dort verlangte er vom Botschaftsrat die Beglaubigung einer "Generalvollmacht", mit der die Pfahls-Töchter Heike und Silke ermächtigt wurden, die väterliche Villa am Tegernsee zu veräußern und den Kaufpreis entgegenzunehmen. Der Beamte spurte und Pfahls verschwand auf Nimmerwiedersehen. Der ehemalige CSU-Politiker und Verfassungsschutzchef blieb unbehelligt, weil das Auswärtige Amt nach eigenen Angaben erst am 7.Mai vom Haftbefehl erfuhr". Genau einen Tag, nachdem Pfahls in der Deutschen Botschaft seine "letzten Geschäfte" geregelt hatte. Da fragt sich nicht nur das Magazin Stern: Hat der flüchtige CSU-Mann, dem vorgeworfen wird für einen Panzer-Deal mit Saudi-Arabien 3,8 Millionen Mark Bestechungsgeld erhalten zu haben, "stahlharte Nerven oder mächtige Beschützer?" Eines hat er ganz sicher: einflußreiche Freunde die hoffen, dass Pfahls da bleibt "wo der Pfeffer wächst".
Thomas Klein
Wem gehört Deutschland? - Die Profiteure der Staatsverschuldung.
www.humanistische-aktion.de/ruestung.htm |
Aktualisiert am 30.09.12