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Hubertus Mynarek 

Orientierung
im Dasein

Der Lebensweg des Menschen
in ganzheitlich-religiöser Sicht

Hubertus Mynarek (*1929) Orientierung im Dasein Der Lebensweg des Menschen in ganzheitlich-religiöser Sicht

Hier wird ein Buch vorgelegt, das Eltern und Erziehern, Leitern von Gesprächskreisen und Jugend­gruppen, aber auch älteren Jugendlichen eine umfassende Orientierungshilfe zu einer ganzheitlichen, religiös verantworteten Weltanschauung bieten kann. Es zeigt dem kritisch und gründlich Denkenden in sinnvollen Denkschritten einen Weg zum Verständnis seiner selbst und der Welt, in der er lebt.

Hubertus Mynarek, geb. 1929 in Oberschlesien, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Theologie, Philosophie und Psychologie, wurde katholischer Priester, Doktor und Lizentiat und lehrte als Professor der Religionswissenschaft in Bamberg und Wien, wo er zuletzt Dekan der theologischen Fakultät war. 1972 trat er mit einem offenen Brief an den Papst aus der Kirche aus und erhielt von ihr Lehrverbot. Seither ist er freier Schriftsteller und Gastdozent an Universitäten und Akademien. 

ISBN 3-922483-03-8  © 1979 by Verlag Deutsche Unitarier, München  #  Redaktion: Friedrich Ehrlicher und Micha Ramm # Illustrationen und Umschlaggestaltung: Edda und Jörg Greif # Satz und Druck: Hans Kluth, Bad Marienberg #  Printed in Germany #  ISBN 3-922483-03-8


 

Inhalt

Einleitung: Wozu dieses Buch?  (9)

 

I.  Unser Dasein in Raum und Zeit  

1. Unsere nächste und nähere Umgebung  (13) 
1.1 Unser Dasein in der Familie (13)  Die Beziehung zur Mutter (15)  Die Beziehung zum Vater (19)  Die Beziehung zu Geschwistern (26)  Aufgaben und Probleme der Familie heute (29) 
1.2 Der engere Umkreis (32)  Der Mensch und seine Wohnung (34)  Die Rolle der Schule im Entwicklungsgang des Menschen (37)  Die Wohngemeinde (44)  Die Heimat - ihre Bedeutung für uns (47)  
1.3 Die gesellschaftliche Umgebung (49)  Unser Volk (50)  Die Gesellschaft (53)  Unser Staat (57)  Weltanschauungen und Weltanschauungsgruppen (62)  Konfessionen (70)

2. Unsere weitere und entfernteste Umgebung  (75) 
2.1 Unser Kontinent Europa: Völker - Kultur - Religion  (75)  Unser Erdteil und seine Völker (76)  Europas Kultur (77)  Das Streben nach europäischer Einheit (78)  Europa und das Christentum (80)  Europas andere Religiosität (88)
2.2 Unsere Erde: Kontinente - Rassen - Religionen  (92)  Die außereuropäischen Kontinente (93)  Völker, Rassen und Kulturen auf dem Erdball (93)  Die großen Religionen der Erde (99) 
2.3 Unser Platz im Universum  (108)  Die Erde als Planet (109)  Die Sonne und ihr Planetensystem (110)  Unsere Milchstraße (111)  Andere Galaxien - das Universum (112)  Mensch und Kosmos (113)

3. Unser Leben im Gang der Zeit  (117) 
3.1 Das Erleben der Zeit  (117)
3.2 Eines Menschen Zeit 
(118)
3.3 Die Zeit der Menschheit - die Geschichte 
(121)
3.4 Die Zeit des Universums 
(123) 

II. Was ist der Mensch? 

4. Die Sonderstellung des Menschen im Dasein  (127) 
4.1 Der Mensch - Höchstergebnis der Evolution des Lebens  (127)  
4.2 Menschsein - eine Sonderform des Daseins  (130)  Menschliches Bewußtsein als Selbstbewußtsein (130)  Menschliches Handeln als Selbstbestimmung (132)  Menschsein als Person-Sein, als Ich (135)  Personales Sein als Zusammensein mit anderen (137)  Sprache als Öffnung und Vermittlung des Selbstseins (139) 
4.3 Der Mensch als Kulturschöpfer (143) 
4.4 Der Mensch als Sinngeber der Wirklichkeit  (147)

III. Das Verhalten des Menschen in ethisch-religiöser Sicht

5. Der Mensch im Kraftfeld der Werte  (153) 
5.1 Die Voraussetzungen ethischen Verhaltens (153)  
5.2 Arten und Rang der Werte (154)  Die einfacheren, leib-seelischen Werte (154)  Die höheren, geistigen Werte (155)
5.3 Die ethischen Werte als Maßstab der Wertordnung 157
5.4 Richtiges und falsches Verhalten gegenüber den Werten (158)  Der Bereich der Genußwerte (159)  Der Bereich der biologischen Werte (161)  Der Bereich der Nützlichkeitswerte (163)  Der Bereich der theoretischen Werte (169)  Der Bereich der ästhetischen Werte (174)  Der Bereich der ethischen Werte (179)  Der Bereich der religiösen Werte (182) 

6. Ethik, Humanität, Religion und ihre Zusammengehörigkeit  (189) 
6.1  Der Orientierungsgang zur Humanität  (189) 
6.2  Die Aufgabe des Religiösen  (190)  
6.3  Glaube als ganzheitliche Sinndeutung des Daseins  (192) 
6.4  Zeugnisse ganzheitlicher Daseinsdeutung (194)  Psychologen: Eduard Spranger, Erich Fromm (194)  Soziologen: Thomas Luckmann, Arnold Gehlen
und andere (197)  Physiker: Albert Einstein, Max Planck, Werner Heisenberg (198)  Biologen: Julian Huxley, Bernhard Rensch, George Wald (202)  Das "Genie der Menschlichkeit": Albert Schweitzer (206)
6.5  Religiöse Sinndeutung - ein Grundzug menschlichen Strebens  (207) 
6.6  Gefährdung und Stärkung des Menschseins  (210) 
6.7  Der neue Mensch - Ziel und Hoffnung  (211) 

Erklärung von Fachbegriffen  (214)   
Weiterführende Literatur  (219)  


     

Einleitung:
Wozu
dieses
Buch?

 

Eine Tür 
aufreißen -
eine Schwelle 
überschreiten

 

 

Irgendwann wird jeder Mensch sich selbst zum Problem. Bis zu dem Zeitpunkt, da dies eintritt, mag ihm die eine oder andere Angelegenheit problematisch erscheinen, aber sie stellt ihn nicht als ganzen in Frage. Doch einmal kommt für jeden die Stunde, da er glaubt, nicht mehr unbekümmert in den Tag hinein leben zu können, da die Ahnung in ihm aufkeimt, daß es in der Form wie bisher nicht weitergeht, daß er im Grunde bislang "gelebt wurde", indem er unkritisch den Geboten oder Beispielen anderer folgte. Dann beginnt es in ihm geistig zu gären, dann merkt er immer deutlicher, daß er Klarheit braucht, größtmögliche Klarheit über sich selbst, über Sinn und Bedeutung seiner Beziehung zu den Mitmenschen und zum Ganzen der Wirklichkeit überhaupt.

Natürlich kann er die Unruhe, die dieses Infragestellen des eigenen Daseins mit sich bringt, verdrängen, zu vergessen suchen. Aber unabhängig von dem Grad, in dem ihm das gelingt, wird es ihm nie mehr möglich sein, so naiv-unbedenklich, so unberührt von der Problematik "Mensch und Welt" zu leben wie vorher. Diese Unruhe ist nämlich eine charakteristische, besondere Eigenschaft des Menschseins, sie ist Quelle und Motor der Anspannung aller Kräfte seines Denkens, Wollens und Fühlens; sie macht den Menschen erst eigentlich zum Menschen.

Jeder muß also einmal eine Schwelle überschreiten, um die Aufgabe wirklicher Menschwerdung in Angriff nehmen zu können. Er muß eine Tür aufstoßen, muß die Fassade des Vordergründigen, des Alltäglich-Gewohnten durchbrechen, um die Suche nach einer tragfähigen und umfassenden Selbst- und Weltanschauung aufzunehmen und zu Ende führen zu können. Dieses Suchen wird sich natürlich bei jedem unterschiedlich gestalten. Wir möchten aber diesem Bemühen im folgenden Hilfe leisten, indem wir die innere Logik, die sinnvolle Abfolge der einzelnen Denkschritte aufzuzeigen versuchen, nach der ein solches Suchen nach einem verantwortlichen Selbst- und Weltverständnis ablaufen könnte.

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Unsere Hilfeleistung ist ein Angebot, kein Versuch der Manipulation; denn der Lebenssinn muß von jedem selbständig gefunden werden. Aber Geschichte und Gegenwart zeigen anschaulich, daß der Mensch sein Selbst- und Weltverständnis nie ganz für sich allein findet, sondern nur in der Auseinandersetzung mit den zu seiner Zeit vorhandenen Weltanschauungen. Diese wirken als Angebote, unter denen er wählen kann; und selbst wenn er alles Angebotene verwirft und für sich etwas Neues schaffen will, kann es nur eine schöpferische Umformung von vorher Gegebenem sein. Als ein solches Angebot versteht sich die folgende Darstellung.

 

Die brennende Aktualität eines solchen Angebots steht außer Zweifel. Die Menschheit steht in der größten Krise ihrer Geschichte, sie steht vor dem Abgrund der Selbstzerstörung. Die Tatsachen und Umstände, die diese Krise ausgelöst haben, werden im vorliegenden Buch berücksichtigt. Gerade in solchen Krisenzeiten haben nachdenkliche Menschen immer nach einem Orientierungsrahmen gesucht, in den sie das Fragwürdige und In-Frage-Stellende einer Krise einordnen könnten. 

Diesen Rahmen sucht unser Buch herzustellen, indem es das notwendige Grundlagenwissen zur Daseins­orientierung und -bewältigung für den Leser zusammenstellt. Außer einer auf knappem Raum ausgebreiteten Fülle von Informationen zeigt es die wesentlichen Grundbegriffe und Methoden, um diese Informationen sinnvoll anzuwenden und zu einem tragfähigen Weltbild auf- und auszubauen. Mit Weltbild ist hier gemeint, daß im vorliegenden Buch die wichtigen Tatsachen zusammengefaßt und gedeutet sind, die für eine auf der Höhe der Zeit stehende, anschauliche Vorstellung von der Welt, der Gesellschaft und dem Menschen von Bedeutung sind. Der Leser bekommt gleichsam einen Übersichtsplan der Lebensbedingungen des Menschen, seiner Geschichte, seiner natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt in die Hand. Diese Übersicht ist, wie eine Landkarte, für ihn zugleich Gabe und Aufgabe, weil sie ihn dazu anregt, sie je nach seinem Wissen und seinem Lebensgefühl kritisch zu prüfen, zu ergänzen oder auch zu berichtigen.

Der Ergänzung des in diesem Buch dargebotenen Materials dient eine Auswahl von weiterführender Literatur. Auf Anmerkungen im laufenden Text wurde verzichtet, um diesen nicht unnötig zu belasten. Damit der kritische Leser sich trotzdem über mehrdeutige oder problematische Begriffe und ihren Gebrauch in unserem Buch näher unterrichten kann, ist ein Anhang mit Worterklärungen angefügt, der alphabetisch geordnet ist; auf ihn verweist ein (A) im Text. Auf das erklärte Wort folgen in der Regel noch einige Ableitungen.

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Die hier vorgelegte Grundorientierung im Dasein des Menschen bliebe unvollständig, wenn sie nur eine Ein­führ­ung in sein natürliches und soziales Sein leistete, wie es sich aus Einsichten der Naturwissen­schaften, der Soziologie, Psychologie und Pädagogik ergibt. Menschliches Sein ist, wo sein Selbstbewußtsein wirklich erwacht ist, immer auch Suche nach Gesichtspunkten für ein sinnvolles persönliches Verhalten, Streben nach einer Sinn- und Wertorientierung. Eine solche Orientierung steht unter dem verpflichtenden Anspruch einer sittlichen Ordnung, einer Ethik. Deshalb gilt das besondere Bemühen dieses Buches dem Aufzeigen einer tragfähigen und richtungweisenden sittlichen Welt- und Lebensauffassung. 

Aber Ethik ist nie ein isoliertes und unabhängiges Gedankengebilde, sie schwebt nicht im luftleeren Raum; sie hat vielmehr mannigfache und wesentliche Verbindungen zur zeitgenössischen Kultur, insbesondere aber zu ihren weltanschaulichen und religiösen Tatbeständen. Dementsprechend ist ein wichtiger Teil dieses Buches den Fragen der Weltanschauung und Religion und der Herausarbeitung eines angemessenen Verhältnisses dieser beiden Größen zur Ethik gewidmet.

Dieses Buch verdankt seine Entstehung einer Anregung der Religionsgemeinschaft Deutsche Unitarier. Ich bin gern darauf eingegangen, weil mir Aufgabe und Thema zusagten. Den Mitarbeitern des Verlages, Herrn Friedrich Ehrlicher und Herrn Micha Ramm, danke ich für sachdienliche Hinweise und freundliche Zusammenarbeit bei der Fertigstellung, Herrn Ehrlicher noch besonders für die von ihm besorgte Erklärung von Fachausdrücken im Anhang. Mit ihnen hoffe ich, mit dem hier vorliegenden Buch eine Lücke im Ethik-Unterricht zu schließen, der in immer mehr Bundesländern einen konfessionellen Religionsunterricht an den allgemeinbildenden Schulen ablöst.

Es wäre ein besonders schöner Erfolg dieses Buches, wenn es möglichst viele Leser zu einer weiterführenden Aussprache mit dem Verfasser anregen könnte.

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02.03.09